Berliner Eisbärin Hertha bald ein Jahr alt
Die Panda-Zwillinge im Zoo sind derzeit das grosse Thema bei Tierfans in Berlin. Da stellt sich die Frage, was aus prominenten Tierbabys wird, wenn sie älter werden. Ein Besuch bei Eisbärin Hertha.
Das Wichtigste in Kürze
- Sie taucht, macht unermüdlich Jagd auf ein Spielzeug und versucht, auf eine schwimmende Plattform zu klettern: Planschen bei Novemberkälte - für die kleine Eisbärin Hertha im Berliner Tierpark ist das an der Tagesordnung.
Wobei: Wirklich klein ist sie gar nicht mehr. Ein Jahr wird Berlins erster Eisbären-Publikumsliebling seit dem legendären Knut am 1. Dezember alt. Kurz vorher begeht der Tierpark noch einen weiteren Geburtstag: Herthas Mutter Tonja wird an diesem Donnerstag zehn Jahre alt.
Für das beliebte Mutter-Tochter-Gespann gebe es kleine Überraschungen, sagte Tierpark-Mitarbeiter Florian Sicks. Hertha habe sich in den zwölf Monaten rasant entwickelt, bilanziert der Säugetierkurator. 116 Kilo brachte sie demnach kürzlich auf die Waage. Bei der Geburt wögen Eisbären nur 600 Gramm, sie habe dann wegen der extrem fettreichen Muttermilch aber stark zugelegt. Inzwischen reiche Hertha das nicht mehr, sie fresse nun hauptsächlich grosse Mengen an Fleisch und Fisch. Dass diese Entwicklung nicht selbstverständlich ist, zeigten die Vorjahre: Tonjas Nachwuchs starb jeweils, bevor Besucher erste Blicke darauf erhaschen konnten.
Seit März ist die junge Eisbärin - benannt in Kooperation mit dem gleichnamigen Fussball-Bundesligisten - auf der Aussenanlage zu sehen und lernte zum Beispiel schwimmen. Durchaus mit Rückschlägen, wie Sicks erzählt: «Am zweiten oder dritten Tag draussen ist sie um einen grossen Fels herum geschwommen und kam dort nicht aus dem Wasser, weil es an der Stelle so steil ist. Danach ist sie bestimmt eineinhalb Wochen nicht mehr ins Wasser gegangen. Das war ihr zu heiss.»
Nachdem die Eisbärenfans anfangs in Reihen am Gehege standen, hat der Trubel nun nachgelassen. Inwiefern sich bei den Besucherzahlen ein Hertha-Effekt abzeichnet, lässt sich Sicks zufolge schwer beurteilen: «Die Zahlen steigen seit 2014 und waren über das ganze Jahr hoch.» Welchen Anteil die Eisbärin daran genau habe, sei unklar. Herthas Medienpräsenz habe aber zweifelsfrei einen positiven Einfluss auf die Besucherzahlen des im Osten der Stadt gelegenen Parks gehabt. Die Werte für 2019 lägen erst nächstes Jahr vor.
Im Tierpark-Alltag gilt es nun, Hertha zu beschäftigen: Es gibt einen Wochenplan, damit es «maximal abwechslungsreich» ist, wie Sicks sagt. «Jetzt spielt sie ganz viel und lernt das Jagdverhalten instinktiv.» Hertha geht im Grunde auf Robbenjagd - nur ohne Robben. «Wir können natürlich kein Lebendfutter verfüttern. Aber der Eisbär liebt es, Beute zu machen, sich auf etwas drauf zu schmeissen, sich anzuschleichen, irgendwo unter die Eisscholle zu tauchen, um auf der anderen Seite wieder hochzuspringen», sagt Sicks.
Mit speziellem, besonders stabilem Eisbärenspielzeug aus den USA - Bällen und einer Art Tonne etwa - werde dies bedient. Beschäftigt werden die Eisbären ausserdem mit Gegenständen an Bungeeseilen, an denen sie ziehen können, sowie mit Geruchs-Holzstückchen, die etwa mit Lebertran oder Ölen behandelt wurden. Tonja und Hertha konkurrierten inzwischen auch viel um Spielzeug, berichtet Sicks. Sie seien zwar immer noch viel zusammen, aber andauernde Nähe zur Mutter sei inzwischen nicht mehr nötig.
Konkurrenzdenken angesichts der neugeborenen Panda-Zwillinge im Zoo in der City West sieht der Tierpark nicht: «Das ist eine super Ergänzung. Wenn sich Leute die Pandas angucken und sich für das Thema Tier und Natur interessieren, wird auch der Tierpark profitieren», meint Sicks. Es sei klar, dass sich der Trubel um Hertha mit dem Älterwerden normalisiere. Ohnehin wird sie voraussichtlich nächsten Winter oder Anfang des Frühjahrs 2021 an einen anderen Zoo abgegeben - im Rahmen des Europäischen Erhaltungszuchtprogramms. Das stand von Beginn an fest.
Wo Hertha künftig leben wird, sei offen, betont Sicks. Dass es ein deutscher Zoo ist, sei nicht ausgeschlossen. Die Entscheidung werde eher kurzfristig fallen und auch von der Bestandsentwicklung in den Zoos abhängen. «Letztlich ist es das Ziel, für Hertha ein geeignetes Männchen zu finden.» Dabei werde auf genetische und soziale Faktoren geachtet. Im Alter von zwei oder zweieinhalb Jahren trennten sich auch im natürlichen Lebensraum die Wege von Mutter und Jungtier.
Im Tierpark könnte Tonja dann erneut Junge bekommen: «Es liegt natürlich im Interesse des Artenschutzes, dass Tonja bald wieder Nachwuchs zur Welt bringt», sagte Sicks. Womöglich werde dafür Eisbär Wolodja zurückgeholt, Herthas Vater, der derzeit in niederländischen Zoos für Nachwuchs sorgen soll.
Weniger Zukunftsmusik sind die bevorstehenden Geburtstage: Besondere Leckerli und etwas, das den Tieren Freude bereite, solle es geben. Näheres wird nicht verraten. Sicks macht sich keine Illusionen: «Der Bär weiss selbst nicht, dass er Geburtstag hat.»