Damon Albarn: Für die Gorillaz schreibe ich gern Briefe
Was 1998 als einmalige Sache begann, ist ein langlebiges und stets originelles Projekt geworden: die virtuelle Pop-Band Gorillaz von Blur-Mastermind Damon Albarn. Die dpa hat ihn zum neuen Album des Cartoon-Quartetts befragt.
Das Wichtigste in Kürze
- Damon Albarn hatte ursprünglich gar nicht erwartet, dass aus seinem Cartoon-Pop-Projekt Gorillaz mit Jamie Hewlett («Tank Girl») eine so langlebige Sache wird.
Nun ist die virtuelle Band tatsächlich schon 22 Jahre unterwegs.
Die Deutsche Presse-Agentur hat mit Albarn (52) per Zoom über das neue Album «Song Machine: Season One - Strange Timez» (Warner Music), über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Gorillaz gesprochen.
Frage: Hallo Mr. Albarn, wo treffe ich Sie an in diesen seltsamen Corona-Zeiten?
Antwort: «In London, zuhause bei der Familie.»
Frage: Es gibt also jetzt ein weiteres Gorillaz-Album. Mal ehrlich: Als Sie dieses virtuelle Bandprojekt vor über 20 Jahren gestartet haben - dachten Sie je daran, dass es so lang bestehen würde?
Antwort: «Ich habe ja nicht einmal angenommen, dass ich selbst so lange im Musikgeschäft dabei bin, 32 Jahre jetzt (lacht). Also nein, gerade mit den Gorillaz hatte ich das nicht erwartet. Es war ja eigentlich eine kurzfristige, ein One-off-Idee. Eine Abweichung von meinem Alltagsjob mit Blur, etwas mit mehr Synthesizern. Aber wir haben dann ziemlich schnell gemerkt, dass es mehr ist als nur ein Seitenprojekt.»
Frage: Was ist nun das Besondere am neuen Album «Song Machine»?
Antwort: «Die Stücke fügen sich zusammen in einem gemeinsamen Spirit. Wir wussten am Anfang dabei nicht, wie es enden würde. Zunächst hatten wir nur einen einzigen Song, doch es kam bis Juni wirklich jeden Monat ein neuer hinzu. Ein zusammenhängendes Album war überhaupt nicht geplant, aber dann entwarf mein Freund Stuart Lowbridge eine Reihenfolge, und wir hatten eine gute Platte.»
Frage: Manche Gorillaz-Alben sind randvoll mit berühmten Gastmusikern. Wie laden Sie all diese Promis ein - haben Sie dafür ein riesengrosses Telefonnummernbuch?
Antwort: «Ach, ich arbeite ja praktisch gar nicht mit dem Telefon. Darin bin ich nicht so toll. Aber ich schreibe anderen Leuten gern Briefe. Und ich bin dann auch nicht sauer, wenn mal einer Nein sagt.»
Frage: Wie funktioniert der Aufnahmeprozess bei so vielen Gästen aus aller Welt? Kann man sich das wie ein Mosaik oder ein Puzzle vorstellen?
Antwort: «Ja, an solche Puzzles habe ich mich irgendwie gewöhnt mittlerweile. Vor allem mag ich ja das Puzzlen ohne Bildvorlage. Man weiss dann vorher gar nicht, was dabei herauskommt.»
Frage: «Song Machine» entstand mitten in einer Pandemie. Ist es also eine Art Lockdown-Platte, ein für 2020 typisches Album?
Antwort: «Ja, offensichtlich. Es war das erste Mal in meinem Leben, dass man das Regelbuch wegwerfen musste, um mit all diesen Restriktionen zurechtzukommen. Ich fühle mich nun unglaublich glücklich, und irgendwie ist es auch ein Wunder, dass ich mit den anderen Leuten dennoch so viel hinkriegen konnte in diesem Jahr.»
Frage: Ihr Gorillaz-Song mit dem Bassisten Peter Hook klingt wie eine Hommage an dessen frühere Band New Order. Wie kam es denn dazu?
Antwort: «Ich hatte die Basslinie geschrieben. Dann dachte ich, das kann ich mir nicht ans Revers heften, ich muss Peter dazu bringen, sie selbst zu spielen. Und er tat es. Ganz klar, das klang nach einer Peter-Hook-Basslinie.»
Frage: Das Album heisst ja vermutlich nicht ohne Grund «Song Machine: Season One - Strange Timez». Also wird irgendwann eine «Season Two» herauskommen?
Antwort: «Ja, es wird eine zweite Staffel geben. Lassen Sie uns mal hoffen, dass wir sie dann nicht 'Stranger Timez' nennen müssen. 'Better Timez' wäre mir lieber. Das wäre schön.»
Frage: Der letzte Track der Deluxe-Edition heisst «How Far?», im Mittelpunkt steht der im April gestorbene grosse Afrobeat-Drummer Tony Allen, Ihr langjähriger Musikerfreund. Ist das eine seiner letzten Aufnahmen?
Antwort: «Das Stück nahmen wir kurz vor dem Lockdown auf. Es war ein fürchterlicher Schock, als ich die Nachricht von seinem plötzlichen Tod bekam. Kürzlich war ich in Paris und habe mich an sein Grab gesetzt, mit ein paar anderen Leute, die ihn kannten. Wir tranken Whisky auf ihn und spielten etwas Musik für ihn. Tony wird mich nie verlassen, er ist ein sehr wichtiger Mensch in meinem Leben. Ich glaube, 'How Far?' ist seine allerletzte Aufnahme. Unsere gemeinsame Band-Geschichte mit The Good The Bad & The Queen wird mit Tonys Tod wohl enden. Ich hasse es, das sagen zu müssen.»
Frage: Zu einer anderen Ihrer Bands, zu Blur. Wird es nach «The Magic Whip» von 2015 ein weiteres Comeback geben?
Antwort: «Es gibt eine Menge Material. Ich denke, es liegt nun an mir, das zu Ende zu bringen.»
Frage: Eine allerletzte Frage, die ich Ihnen immer schon mal stellen wollte: Wenn Sie mit Jamie Hewlett zusammenarbeiten - was ist zuerst da, Ihre Songs oder seine Cartoons?
Antwort: «Als es damals losging und wir beschlossen, eine Band zu gründen, da marschierten wir beide in unsere jeweiligen Studios - mit Musik und Zeichnungen waren wir da gleichzeitig unterwegs. Aber seitdem sind immer die Songs vor den Animationen da.»
- Das Album «Song Machine: Season One - Strange Timez» von den Gorillaz gibt es in verschiedenen Variationen: digital, CD, Vinyl, Kassette und als 17-Track Deluxe- bzw. Super-Deluxe-Boxset. Ausserdem erscheint ein 210-seitiges «Gorillaz-Jahrbuch».