«Der Zauberberg»: Ein Jahrhundertroman wird 100

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Prättigau,

«Der Zauberberg» ist international das bekannteste Werk von Literaturnobelpreisträger Thomas Mann. Der Roman setzt Davos ein literarisches Denkmal.

Thomas Mann
Thomas Mann arbeitet in der Bibliothek seines Hauses in Pacific Palisades, Santa Monica, Kalifornien. - KEYSTONE/AP-Photo

In den kommenden Monaten geht es in Davos auf der Führung durch das einstige Sanatorium Schatzalp. Im luxuriösen Jugendstilgebäude kurierten einst Wohlhabende dort ihre Tuberkulose aus – oder sie starben daran. Wer den Rundgang durch das heutige Hotel bucht, begibt sich auf die Spuren des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann und seines Romans «Der Zauberberg».

Genau 100 Jahre sind vergangen, seit der Roman am 20. November 1924 erschien. Zwar schrieb Thomas Mann seinen «Zauberberg» an seinem damaligen Wohnort München. Doch die Inspiration dafür fand er in Davos, wo seine Frau Katia 1912 einen Kuraufenthalt verbrachte und er die Welt der dortigen Sanatorien kennenlernte.

Seither wurde der Roman zum Welterfolg, gar zum Jahrhundertroman, der weltweit Fans hat. Bis heute ist er das international meistgelesene Werk Thomas Manns.

Der Zeitroman, der vor dem Ersten Weltkrieg spielt, erzählt die Geschichte des jungen Ingenieurs Hans Castorp, der im Sommer 1907 von Hamburg in die Schweizer Alpen reist, um seinen tuberkulosekranken Vetter Joachim Ziemssen in einem Luxussanatorium bei Davos zu besuchen. Castopr will drei Wochen bleiben. Schliesslich bleibt er sieben Jahre «bei Denen hier oben», wie er selber sagt.

Zwei Intellektuelle wollen den jungen Mann erziehen: der italienische Humanist und Freimaurer Lodovico Settembrini und dessen ideologischer Widerpart, der erzreaktionäre Jesuit Leo Naphta. Mit der geheimnisvollen Russin Clawdia Chauchat verbringt Hans eine Liebesnacht. Er erlebt, wie sein Vetter Joachim und andere kranke Hausbewohner sterben. In einem Schneesturm hat er ein Nahtoderlebnis, er halluziniert; nur mit Mühe findet er zum Sanatorium zurück.

Eingehüllt in Wolldecken verbringen die Bergbewohner die Tage mit Liegekuren auf den Balkonen zwischen täglich fünf Mahlzeiten im Speisesaal mit seinen sieben Tischen. Die Zeit verrinnt, aus Tagen werden Monate, aus Monaten Jahre, bis 1914 «Der Donnerschlag» ertönt, der Ausbruch des Ersten Weltkriegs. Jeder zieht seines Weges, Hans Castorps Spur verliert sich auf den Schlachtfeldern Flanderns.

Zeitlos macht den Roman «Der Zauberberg» seine Motivik: Krankheit und Tod, Erotik, Persönlichkeit, das Wesen der Zeit, die geistigen Grundlagen Europas, der Widerstreit zwischen der offenen Gesellschaft und ihren Feinden.

Thomas Mann emigrierte 1933 in die Schweiz

Ein Zeitroman ist der «Zauberberg» übrigens in zweifacher Hinsicht. Zum einen bietet er als Epochenroman ein Panorama der untergehenden Vorkriegsgesellschaft. Zum anderen ist er ein Roman über das individuelle Erleben der Zeit.

In dem Zwischenreich des Berghofs verlieren Castorp und Co. das Zeitgefühl. Auch die Erzählstruktur des Romans spielt mit dem Faktor Zeit, die Handlung beschleunigt sich, je weiter man liest. Während die erste Hälfte der fast tausend Seiten nur die sieben Monate seit Castorps Ankunft behandelt, verdichten sich in der zweiten Hälfte gut sechs Jahre.

Thomas Mann hatte sich mit dem Buch viel Zeit gelassen. Er fing 1913 an und wollte eigentlich nur eine Novelle als heiteres Gegenstück zum «Tod in Venedig» schreiben. Nach Kriegsbeginn unterbrach er die Arbeit und nahm sie erst 1919 wieder auf.

Auch nach seinem inspirierenden Besuch in Davos sollte die Schweiz wichtig bleiben für Thomas Mann. Im Zuge der Machtergreifung Hitlers emigrierte er 1933 in die Schweiz, wo er bis 1938 in Küsnacht am Zürichsee lebte. Danach ging er in die USA, wo er auch die Staatsbürgerschaft erhielt und kehrte schliesslich 1952 an den Zürichsee zurück, nach Kilchberg. 1955 starb er mit 80 Jahren in Zürich.

Obwohl «Der Zauberberg» 1924 in zwei dicken Bänden erschien, hatte er schnellen Erfolg. Vier Jahre später erreichte er bereits seine 100. Auflage. «Der Zauberberg» begründet den Weltruhm des Autors. Den Literaturnobelpreis im Jahr 1929 erhielt er allerdings für seinen Roman «Buddenbrocks». «Der Zauberberg» verhalf indes auch dem Schauplatz Davos zu internationaler Bekanntheit.

Generationen von Schriftstellern und Schriftstellerinnen hat der Roman geprägt, weit über den deutschen Sprachraum hinaus. Etwa die polnische Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk, die mit ihrem Roman «Empusion» (2023) eine feministische Antwort auf «Der Zauberberg» lieferte.

Im nächsten Jahr steht für den deutschen Schriftsteller schon wieder ein Jubiläum an. Geboren wurde er am 6. Juni 1875 im norddeutschen Lübeck; es jährt sich also sein Geburtstag zum 150. Mal. Auch in Davos ziehen sich die Feierlichkeiten und Veranstaltungsreihen zu Thomas Mann ins Folgejahr weiter, um den Schriftsteller zu würdigen.

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