Gemischte Bilanz zu den Salzburger Festspielen

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Österreich,

Klimawandel, Rechtspopulismus, MeToo: Alles wurde dieses Jahr bei den Salzburger Festspielen verhandelt. Gemessen an den Ansprüchen, fiel die Bilanz eher mager aus. Wäre nicht Anna Netrebko gewesen.

Salzburg
Barrie Kosky verwandelte Jacques Offenbachs «Orpheus in der Unterwelt» in eine überdrehte Travestieshow. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • So politisch wie in diesem Jahr waren die Salzburger Festspiele selten: Vom Klimawandel über den Rechtspopulismus, die MeToo- und Genderdebatte bis zur inszenatorischen Inanspruchnahme allerlei gesellschaftlicher «Nonkonformisten» wurde die Agenda aktueller Politthemen abgehandelt.

Doch eine politisch korrekte Haltung bürgt nicht automatisch für Qualität. Und die fiel sehr gemischt aus, echte Höhepunkte waren rar.  

In seiner Festrede sprach US-Regisseur Peter Sellars wohl erstmals bei dieser kulturellen Megaveranstaltung von den ökologischen Menschheitsproblemen, und im Programmheft zu seiner Eröffnungsinszenierung von Wolfgang Amadeus Mozarts «Idomeneo» kam unter anderem Klimaaktivistin Greta Thunberg zu Wort. Auf der Bühne sah man allerdings nur einen etwas lauen Aufguss von Sellars' umjubeltem «Titus» vor zwei Jahren - ähnliche Ästhetik, ähnliche Sänger, dazu nett designter Meeresmüll.

Hätte nicht Teodor Currentzis am Pult gestanden, wäre man schnell zur Tagesordnung übergegangen. Der in Russland lebende Grieche mit dem Punk-Look begeisterte auch mit Dimitri Schostakowitschs 7. Symphonie, der «Leningrader» - erstmals am Pult des jetzt unter seiner Leitung stehenden SWR-Symphonieorchesters. Und der in Deutschland lebende Russe Kirill Petrenko gab sein frenetisch gefeiertes Salzburger Antrittskonzert als neuer Chef der Berliner Philharmoniker.

Dieses Jahr beschäftigten sich die Festspiele mit antiken Mythen. Einen der bekanntesten, den Medea-Mythos, brachte der australisch-schweizerische Regisseur Simon Stone auf die Bühne. Er machte aus der wenig bekannten Oper «Medée» von Francesco Cilea um eine Mutter, die ihre eigenen Kinder tötet, eine prosaische Beziehungskiste. Und Dirigent Thomas Hengelbrock schlug dazu einen etwas holzschnittartigen Ton an.

Auch Barrie Kosky war wenig an Differenzierung gelegen. Der Intendant der Komischen Oper Berlin verwandelte Jacques Offenbachs Operette «Orphée aux enfers» («Orpheus in der Unterwelt») in eine überdrehte Travestieshow, mit einem brillanten Max Hopp als Toteninselfährmann John Styx. Der Schauspieler hatte sämtliche Sprechrollen übernommen und bereicherte die Szenerie lautmalerisch nach Art des Stummfilms.

Eindeutig auf der Habenseite kann man Achim Freyers Inszenierung von George Enescus Oper «Oedipe» verbuchen. Eine tolle Ausgrabung, hingebungsvoll musiziert von den Wiener Philharmonikern unter Ingo Metzmacher. Und Freyer, dem vom Puppentheater beeinflussten Multikünstler, gelangen starke Bilder. Das heiss ersehnte Verdi-Gustostückerl gab es in Gestalt der Oper «Simon Boccanegra». Stardirigent Waleri Gergijew überraschte mit Durchhörbarkeit und verhaltenem Furor, während Andreas Kriegenburgs puristische Inszenierung im Sichtbetonambiente zumindest nicht störte.  

Am «Jedermann» hatte Regisseur Michael Sturminger noch gefeilt, und Valery Tscheplanowa als neue, burschikos-emanzipierte Buhlschaft enttäuschte nicht. Wenig Gnade bei den Kritikern fand dagegen die einzige grosse Uraufführung in dieser Saison: Theresia Walsers «finstere» Komödie «Die Empörten» über eine Bürgermeisterin im Kampf gegen den Rechtspopulismus war fast ein Fall für den Boulevard. Auch die Auftaktinszenierung von Ödön von Horváths «Jugend ohne Gott» über Anpassungsprobleme eines Lehrers in der Nazizeit kam über ambitionierten Geschichtsunterricht kaum hinaus.

Stärkeren Eindruck hinterliessen Maxim Gorkis «Sommergäste» in einer textnahen Deutung von Einspringer Evgeny Titov: Prädikat bestes Schauspielertheater. An «Liliom» von Ferenc Molnár schieden sich die Geister. Am besten gefiel dem Publikum in dem Stück über einen rücksichtslosen Frauenhelden der Auftritt zweier lebensechter Industrieroboter, die vor den Augen des Publikums die Bühne mit Requisiten ausstatteten.

Zum unvergesslichen Erlebnis wurde Anna Netrebkos Auftritt in einer konzertanten Aufführung von Francesco Cileas «Adriana Lecouvreur». Im sängerischen Duell mit ihrer Bühnenkonkurrentin Anita Rachvelishvili schien sich die Diva allerdings so verausgabt zu haben, dass sie den nächsten Auftritt absagen musste und dann auch gleich noch ihr Debüt als Elsa in Richard Wagners «Lohengrin» bei den Bayreuther Festspielen.

Am Ende suchte MeToo die Festspiele auch in der Realität heim, nachdem Frauen in den USA Vorwürfe sexueller Übergriffe gegen Weltstar Plácido Domingo erhoben hatten. Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler stellte sich vor den betagten Star, der die Vorwürfe zurückgewiesen hat, und hielt an seinem Auftritt in einer konzertanten Aufführung von Giuseppe Verdis «Luisa Miller» fest. Das Publikum feierte Domingo.

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