Humboldt Forum in Berlin digital eröffnet
Nach fast drei Jahrzehnten Auseinandersetzung um Form und Inhalt hat das Humboldt Forum in Berlin als eines der grössten internationalen Kulturprojekte seine Pforten geöffnet. Rein geht es zunächst nur digital.
Das Wichtigste in Kürze
- Mit dem Humboldt Forum hat in Berlin eines der international ambitioniertesten Kulturprojekte eine erste Eröffnungsetappe absolviert.
Eine gestreamte Führung ermöglichte coronabedingt zunächst einen digitalen Einblick.
Generalintendant Hartmut Dorgerloh begrüsste die Online-Besucher im Foyer des neuen Zentrums für Kultur, Kunst und Wissenschaft. Dorgerloh forderte die Zuschauer auf, dem Bau per Stream ein Lichtzeichen zu schicken, mit dem der Kosmograf im Foyer symbolisch in Betrieb genommen wurde - ein gigantischer Medienturm, der wie eine digitale Litfasssäule fungiert.
Bereits zugänglich ist ein virtueller 360-Grad-Rundgang durch einige Teile des Forums. Nach sieben Jahren Bauzeit soll das 677 Millionen Euro teure Projekt hinter der teilweise rekonstruierten Barockfassade des Berliner Stadtschlosses in drei Etappen bis Ende 2021 eröffnet werden.
Das Humboldt Forum nutzen künftig zwei Museen der Stiftung Preussischer Kulturbesitz, das Land Berlin und die Humboldt-Universität. Gezeigt werden sollen Exponate etwa aus Asien, Afrika, Amerika und Ozeanien sowie Objekte zur Geschichte Berlins.
Zur Eröffnung sprachen sich Verantwortliche für eine offensive Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte im Humboldt Forum aus. Kulturstaatsministerin Monika Grütters sieht mit dem Forum «Raum im Herzen der deutschen Hauptstadt» für einen «gleichberechtigten Dialog der Kulturen». Die Namensgeber Wilhelm und Alexander von Humboldt seien «für die Annäherung an das Fremde für uns heute Vorbilder und Vordenker mit ihrer Lust, die Welt anzuschauen, über die Grenzen der eigenen Weltanschauung hinweg, mit ihrer Neugierde dem Fremden zu begegnen, ohne es abzuwehren oder abzuwerten», sagte die CDU-Politikerin.
Dorgerloh sagte, das Humboldt Forum fühle sich verpflichtet, «sich für demokratische Werte, Meinungsfreiheit und Toleranz einzusetzen». Es solle eine internationale Dialogplattform für globale kulturelle Fragen entstehen. Mit Blick auf die noch verschlossenen Türen sagte Dorgerloh, nur mit Öffentlichkeit werde der neue Ort im Zentrum der Stadt lebendig. «Er entfaltet seine Anziehungskraft und Wirksamkeit erst mit Publikum.» Das Humboldt Forum solle «ein Ort des Verstehens, des gemeinsamen Nachdenkens und des gemeinsamen Handelns» werden.
Das rund 40.000 Quadratmeter umfassende Gebäude nach Plänen des italienischen Architekten Franco Stella liegt direkt gegenüber der weltberühmten Museumsinsel. Die rekonstruierte Fassade steht für die Zeit der Hohenzollern, unter deren Herrschaft das Deutsche Reich Kolonialmacht wurde. Im heutigen Namibia wurden Aufstände von Volksgruppen unter deutschem Befehl brutal niedergeschlagen. Historikern zufolge wurden etwa 65.000 der 80.000 Herero und mindestens 10.000 der 20.000 Nama getötet.
Kritik lösten auch Kreuz und Kuppel mit einem weithin sichtbaren Bibelspruch aus, mit dem die Unterwerfung aller Menschen unter das Christentum gefordert wird. Von den Hohenzollern während der Revolution 1848 nachträglich auf den Schlossbau gesetzt, markierten Kreuz und Kuppel den Herrschaftsanspruch der Monarchie.