Ishiguro: Roboter Klara und die Frage nach dem Menschsein

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Deutschland,

Eine Roboterfreundin, ein krankes Mädchen, ein Deal mit der Sonne. Es geht um Beziehungen und Zuneigung in der Zukunft. Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro wirft einen Blick auf eine Gesellschaft, die frösteln lässt.

Der japanische Schriftsteller Kazuo Ishiguro während einer Pressekonferenz in seinem Garten. Foto: John Stillwell/PA Wire/dpa
Der japanische Schriftsteller Kazuo Ishiguro während einer Pressekonferenz in seinem Garten. Foto: John Stillwell/PA Wire/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Klara will einen Pakt mit der Sonne schliessen, um ein Leben zu retten.

Sie ist eine KF, eine Künstliche Freundin, ein Roboter der schon älteren Generation. Sie ist geschaffen, um Kindern aus gehobenen Kreisen Gesellschaft zu leisten - irgendwo in den USA und irgendwann in der näheren Zukunft.

So weit, so seltsam. Vor allem aber ist die künstliche Kreatur eine sensible Beobachterin, voller zarter Gefühle, aufopfernd, treu ergeben. Sie ist die Ich-Erzählerin im neuen Roman «Klara und die Sonne» von Nobelpreisträger Kazuo Ishiguro.

Die Story lässt durchaus ein wenig frösteln. Im Hintergrund deutet sich ein schauriger Plan an, der die Grenzen zwischen natürlichem und künstlichen Leben aufheben würde. Die Frage kommt auf: Kann man einen Menschen «fortsetzen»? Und was macht den Menschen überhaupt aus? Dass Ishiguro den Roboter Klara dabei oft menschlicher wirken lässt als viele Menschen um sie herum, ist sicher kein Zufall.

Es beginnt damit, dass Klara auf einen Käufer wartet. Auf ein Kind, das sie mit nach Hause nimmt, damit Klara sie beim Aufwachsen betreut und begleitet. In einem Laden harrt sie zusammen mit anderen KF-Robotern aus, die aber attraktiver sind, weil technisch auf neuerem Stand.

Wann immer Klara vorne im Schaufenster positioniert wird, tankt sie - nach ihrer eigenen Wortwahl - «die besondere Nahrung» der Sonne. Sie scheint also ein solarbetriebenes Modell zu sein. Was sie als Szenerie vor dem Geschäft beobachtet, ist ihr begrenzter Kosmos. Sie verfolgt fasziniert jede Bewegung, die sich vor ihr abspielt, saugt auf, lernt, speichert. Wie Klara selbst aussieht, wie alt sie ist, bleibt offen. Man erfährt später, dass sie auch als humanoider Roboter nur eine begrenzte «Lebens»-Dauer hat.

Ein Mädchen mit schwacher Gesundheit - Josie - entdeckt Klara, will sie unbedingt kaufen, lässt bei der skeptischen Mutter nicht locker. Josie ist krank, schmal, zerbrechlich. Ihre Mutter wirkt hart, kühl, ehrgeizig - lässt sich aber überreden.

Der britische Schriftsteller Ishiguro (66) war 2017 für seine «Romane von starker emotionaler Kraft» mit dem Nobelpreis ausgezeichnet worden. Er habe verstanden, dass er Geschichten anhand von Beziehungen erzählen müsse, hatte er in seiner Nobel-Rede gesagt. Das trifft auch für die fein gesponnene Science-Fiction-Story von Klara und Josie zu. Um die beiden herum lässt Ishiguro aber vieles im Dunklen. Man schaudert. Es zeichnet sich ab, dass mit dieser zukünftigen Gesellschaft ganz gravierend etwas nicht stimmt.

Im Kontrast dazu schildert die Künstliche Freundin in zunächst naiver, unbekümmerter Sicht die Ereignisse in ihrer neuen Umgebung. Darin kommt eine «Speisenmischfrau» (Küchenhilfe) vor oder ein «Rechteck» (Laptop). Josies einziger Freund Rick ist ein Aussenseiter, kein «Gehobener», stellt Klara fest. Nach und nach offenbart sich: Um zu den intellektuell «Gehobenen» zu gehören, bedarf es eines nicht-natürlichen Manipulierens. Irritierend auch: An die Stelle zwangloser Kontakte unter jungen Leuten treten organisierte Interaktionsmeetings.

Klara wirkt zunehmend lebensklug, wird immer mehr Vermittlerin zwischen Josie und ihrem Umfeld. Josies abweisende Mutter vertraut sich der KF schliesslich mit einem Geheimnis an. Am Rande tritt Josies Vater auf, der sich für ein Leben ausserhalb der gängigen Norm entschieden, eigenen Kopf und Kompass bewahrt hat.

Ishiguro - in Japan geboren, seit dem fünften Lebensjahr in Grossbritannien aufgewachsen - ist ein vielseitiger Autor. Seine Werke sind in gut 50 Sprachen übersetzt worden. «Was vom Tage übrig blieb» (1989) und «Alles, was wir geben mussten» (2005) wurden verfilmt. Auch in seinem neuesten Roman geht es um ethische Fragen, um Mensch und Maschine, ohne simples Gut-Böse-Schema. Und am Ende wird die Roboterfreundin zur tragischen Heldin.

- Kazuo Ishiguro: Klara und die Sonne, Blessing Verlag, München, 352 Seiten, 15,99 Euro, ISBN 987-3-89667-693-1.

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