Japans Zeichentrick-Genie Hayao Miyazaki wird 80
Seine Zeichentrickfilme bezaubern Menschen in aller Welt mit mythischen Naturwesen und magischen Geistern. Und auch mit 80 Jahren setzt Japans international gefeierter Star-Regisseur Hayao Miyazaki sein Schaffen fort. Ein Genie, das scheinbar niemals aufhört.
Das Wichtigste in Kürze
- Es sind fabelhafte Werke voller Heldinnen und Waldwesen, magischer Naturkräfte und Geister aus Japans mythischer Shinto-Welt.
Mit seinen abendfüllenden Zeichentrickfilmen wie «Prinzessin Mononoke», «Mein Nachbar Totoro» oder seinem Oscar-prämierten Werk «Chihiros Reise ins Zauberland» hat Hayao Miyazaki Menschen in aller Welt verzaubert und wurde zur Ikone der zeitgenössischen japanischen Anime-Kunst. Am 5. Januar wird das Genie 80.
Doch nicht umsonst wurde der Alt-Meister in seiner Heimat einmal als «Owaranai Hito» - ein Mensch, der niemals endet - porträtiert. Denn der Regisseur des legendären Studios Ghibli ist noch einmal aus dem Ruhestand zurückgekehrt, arbeitet an einem weiteren grossen Film.
Dabei hatte Miyazaki eigentlich vor sieben Jahren nach der Veröffentlichung seines Films «Wie der Wind sich hebt» über den Entwickler der Mitsubishi Zero - Japans einst gefürchtetes Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg - verkündet, keine abendfüllenden Spielfilme mehr machen zu wollen. Doch Miyazaki hatte schon in der Vergangenheit wiederholt seinen Rücktritt erklärt. Und dann doch weitergemacht. So auch diesmal: 2017 kündigte er einen neuen Animationsfilm an. Als Inspiration für das neue Werk dient Miyazaki das im Jahr 1937 erschienene Kinderbuch «Kimitachi Wa Do Ikiruka» (etwa: «Wie werdet ihr leben?») von Yoshino Genzaburo.
Zunächst hatten die weltberühmten Trickfilmstudios Ghibli die Produktionszeit auf drei bis vier Jahre angesetzt. Doch die äusserst aufwendigen Arbeiten an dem neuen Werk gestalten sich langwieriger. Früher habe er pro Monat zehn Minuten Animation produziert, jetzt sei es nur noch eine Minute pro Monat, sagte Miyazaki Ende 2019 in einem Interview. «Wir zeichnen immer noch alles per Hand. Aber es nimmt mehr Zeit in Anspruch, einen Film fertigzustellen, weil wir mehr Einzelbilder zeichnen», erklärte Produzent und Ghibli-Mitgründer Toshio Suzuki dazu vergangenes Jahr. 60 Animatoren arbeiteten an Miyazakis neuem Werk. Nach drei Jahren seien 36 Minuten produziert. Man hoffe, den Film in den nächsten drei Jahren fertigzustellen.
Es heisst, dass viele von Miyazakis früheren Mitarbeitern bei Ghibli an dem neuen Projekt mitwirken. Miyazaki hatte das weltberühmte Studio 1985 neben Suzuki auch mit dem inzwischen verstorbenen Isao Takahata gegründet, der selbst zu den berühmtesten Regisseuren und Produzenten von Animefilmen zählt und der in Europa unter anderem für die Fernsehserie «Heidi» bekannt ist. An der Schöpfung der in den 1970er Jahren entstandenen TV-Kultserie war auch Miyazaki beteiligt.
In Miyazakis Filmen geht es immer wieder um die Konfrontation zwischen Natur und der technisierten Welt der Menschen, um Umweltzerstörung und die Frage, ob Mensch und Natur koexistieren können. So wie in seinem Meisterwerk «Prinzessin Mononoke», in dem die Wesen der Natur den Menschen, die einen heiligen Urwald abholzen wollen, erbitterten Widerstand leisten. Das in der Zeit des japanischen Mittelalters angesiedelte Melodram versteht sich als Aufruf an die heutige Industriegesellschaft, die Natur zu achten. Miyazakis Heldinnen bedienen dabei stets die gesamte Bandbreite menschlicher Persönlichkeit. Ein simples Gut-Böse-Schema meidet er.
Für eine politische Kontroverse in seiner Heimat sorgte der friedliebende Miyazaki 2013 mit seinem Film «Wie der Wind sich hebt». Damit wollte er das «aussergewöhnliche Genie» von Jiro Horikoshi, dem Entwickler des einst gefürchteten Jagdflugzeugs Zero aus dem Zweiten Weltkrieg, ehren. Die Ultrarechten hätten den Zero für ihren «Patriotismus» und zur Kompensierung ihres «Minderwertigkeitskomplexes» missbraucht, erklärte Miyazaki. Mit seinem Film wolle er Horikoshi aus den Händen dieser Leute reissen.
Das Werk erschien zu einer Zeit erhöhter politischer Spannungen in Asien, in der Japans damaliger rechtskonservativer Ministerpräsident Shinzo Abe eine Revision der pazifistischen Nachkriegsverfassung anstrebte, um Japans Militär zu stärken. In Japans «beschämender Geschichte» des Zweiten Weltkriegs sei das Flugzeug Zero «eines der wenigen Dinge, auf die wir Japaner stolz sein können», meinte Miyazaki damals in einem Interview. Japans Ultrarechte zogen mit Hasstiraden über den Film her. Miyazaki sei «anti-japanisch» und ein «Verräter», schrieben sie damals auf einschlägigen Internetseiten.
Sein neuestes - und möglicherweise letztes - grosses Werk soll dem Vernehmen nach ein «Action-Adventure-Fantasy»-Film werden. Miyazaki, der mit einer Animatorin verheiratet ist und zwei Söhne hat, schaffe ihn vor allem für seinen Enkel, wie sein Weggefährte Toshio Suzuki wissen liess. Es sei seine Art zu sagen: «Opa zieht bald in die nächste Welt, aber er lässt diesen Film zurück, weil er dich liebt.«