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Kessler-Zwillinge versteigern Kostüme für Flutopfer

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Deutschland,

Sie entführen in eine andere Zeit und in die Welt der grossen Revuen: die Kostüme, die die Kessler-Zwillinge im Laufe ihrer langen Karriere getragen haben. Dutzende kommen nun unter den Hammer.

Die Kessler-Zwillinge, Alice (l.) und Ellen mit zwei Mini-Neckholderkleidern aus der Zeit um 1976.
Die Kessler-Zwillinge, Alice (l.) und Ellen mit zwei Mini-Neckholderkleidern aus der Zeit um 1976. - Lennart Preiss/dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Haltung aufrecht, die Bewegungen grazil, das Lächeln charmant: Auch mit 86 Jahren strahlen Alice und Ellen Kessler eine Eleganz aus, die sich in den glitzernden Kostümen um sie herum widerspiegelt.

Die glamourösen Kleidungsstücke sind Wegbegleiter aus mehreren Jahrzehnten, in denen die beiden als Kessler-Zwillinge auf den ganz grossen Show-Bühnen der Welt standen. Dort verzückten sie nicht nur Elvis Presley, Frank Sinatra und Harry Belafonte als absolut synchrone Tänzerinnen, als Sängerinnen und Schauspielerinnen. Nun haben sich die beiden von einem Teil ihrer Vergangenheit getrennt: Sie lassen mehr als 50 Kostüme zugunsten der Flutopfer im Ahrtal im Westen Deutschlands versteigern.

Als sie die schockierenden Bildern im Sommer vergangenen Jahres gesehen habe, habe sie zu ihrer Schwester gesagt: «Wir treten nicht mehr auf, wir können die Kostüme nicht mehr nutzen, sie hängen bei uns unnötig herum - spenden wir sie doch», erinnerte sich Ellen Kessler bei der Auftaktveranstaltung der Benefiz-Auktion am Mittwoch in München. Die Kostüme können nun bis zum 30. Oktober online über das Auktionshaus Neumeister ersteigert werden.

Ein Nixenkostüm von 1956

Obwohl die beiden Damen noch immer gertenschlank sind und zumindest in einen Teil der Kostüme in der XS-Grösse 34 noch hineinpassen, machte das fortgeschrittene Alter die Entscheidung leichter, sich endgültig von den Einzelstücken zu trennen. «Sie sind zu ausgeschnitten, und das tragen wir nicht mehr. Man sollte seinem Alter gerecht werden», betonte Ellen Kessler mit Blick auf die tiefen Dekolletees und freizügigen Schnitte, die die langen Beine der eineiigen Zwillinge perfekt zur Geltung brachten.

Da wäre zum Beispiel ein Nixenkostüm. «Das haben wir im Lido getragen, 1956 - da waren wir gerade einmal 20», erinnerte sich Ellen Kessler. «Das habe ich geliebt.» Das handgenähte Stück begeisterte auch Sabine Resch, Professorin für Modejournalismus. «Ein legendäres Stück», betonte sie mit Blick auf die Nähte in Muschelform, den fliessenden Farbverlauf und die Schleppe aus Chiffon. «Das wäre heute wirklich unbezahlbar.»

Oder eine Art Hosenanzug aus dem Jahr 1966, den die Zwillinge für eine Fernsehshow in Las Vegas anfertigen liessen. Die Farbe wählten sie eigens für Gastgeber Frank Sinatra aus. Orange war dessen Lieblingsfarbe. Der Clou bei diesem Unikat: «Jeder wollte unsere Beine sehen. Also haben wir alle Kostüme, die wir mit Hose hatten, zum Ausziehen gemacht mit einem Mini-Oberteil, damit man die Beine sehen kann», erinnerte sich Ellen Kessler an die zweifache Verwendungsmöglichkeit.

Freizügig auch ein Mini-Neckholder-Kleid in knalligem Pink mit diagonal angenähten Fransen, die noch bei der kleinsten Bewegung in Schwung geraten. Der Rücken offenbart tiefe Einblicke: Der Länge nach geschlitzt, ist der Stoff erst über dem Po wieder zusammengenäht.

Modexpertin Resch zeigte sich von den in Rom, Paris und München geschneiderten Kostümen, die jeweils die modischen Einflüsse der Zeit aufgriffen, beeindruckt. «Sie sind alle fantastisch erhalten. Das sind wahre Schätze, die hier hängen.»

Auch wenn die Kessler-Zwillinge bis heute unzertrennbar scheinen und ihr ganzes Leben miteinander verbracht haben - bei den Kostümen hörte die Einheit dann doch auf. «Was mir gehörte, gehörte mir. Wir haben ein A oder E reingestickt, wenn's identisch war, damit ich immer mein Kleid tragen konnte», betonte Ellen.

Dass sie einmal Weltstars sein würden, damit hätten sie nicht gerechnet, erzählte ihre Schwester Alice. «Wir wollten nur arbeiten, unser Geld verdienen, wir sind langsam in diese Sache hineingewachsen.» Gegenseitig hätten sie sich hart kritisiert, um ihre Aufgabe bestmöglich zu machen. Kritik dritter, sie zeigten keine Seele, sondern nur Perfektion, wies Ellen zurück: «Als Zwilling muss man das haben, sonst wären wir nicht synchron gewesen, und das war ja unser Markenzeichen.»

Die Einheit mit der Zwillingsschwester habe auch im machistisch geprägten Showbiz geholfen. «Wir hatten nie ein «Me too»-Problem. Nein!», betonte Ellen. Wahrscheinlich habe sich das einfach niemand getraut, «wir waren ja immer zusammen». Auch hätten sie wohl eine «Rühr-mich-nicht-an»-Ausstrahlung gehabt.

Gänzlich unwillkommen war männliche Bewunderung aber nicht. Befragt nach ihrer schönsten Erinnerung an 70 Jahre Bühnenkarriere erinnerte sich Ellen Kessler an den italienischen Schauspieler Marcello Mastroianni. Der habe sein Erscheinen in einer Fernsehshow davon abhängig gemacht, dass er dort mit den beiden Schönheiten tanzen dürfe. Eine Woche lang habe er die Schritte geübt, dann erfüllte sich sein Traum. «Er war überglücklich und hat uns 100 rote Rosen geschickt als Dank, dass er mit uns tanzen durfte.»

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