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Mähzeit: Helfer retten Kitze vor dem Tod

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Deutschland,

In hohen Wiesen versteckt warten zur Mähzeit auch Rehkitze auf ihre Mütter, die auf Nahrungssuche unterwegs sind. Damit sie ihre Kinder unverletzt wiederfinden, nehmen Helfer viele Strapazen auf sich.

Zwei Helferinnen der Rehkitz-Rettung Weinheim suchen in einer Wiese nach Rehkitze. Foto: Uwe Anspach/dpa
Zwei Helferinnen der Rehkitz-Rettung Weinheim suchen in einer Wiese nach Rehkitze. Foto: Uwe Anspach/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn Menschen um ein Uhr nachts aufstehen, um sich schlaftrunken mit Gummistiefeln auf eine nasse Wiese zu begeben, muss das schon sehr gute Gründe haben.

«Alles für die Rehkitze», erzählt Nina in der Dämmerung auf einer Wiese in Weinheim (Baden-Württemberg).

Die 33-jährige gehört zu einer Gruppe von Rehkitzrettern, die dafür sorgt, dass die Tiere nicht von den scharfen Messern der Mähwerke erwischt werden. Denn die Frühjahrsmahd fällt zusammen mit der Kinderstube vieler Wildtiere, die in Wiesen ihren Nachwuchs sicher wähnen. In diesem Jahr haben die Helfer bereits mehr als 120 Kitze vor dem Tode bewahrt.

Die Jungtiere mit dem weissgefleckten Fell und den überdimensionalen Ohren entwickeln erst drei bis vier Wochen nach der Geburt den Impuls, bei Gefahr zu flüchten. Nach Schätzungen der Wildtierstiftung werden 50 000 bis 100 000 Kitze im Jahr getötet. Mit 2,5 Millionen Exemplaren sind Rehe in Deutschland nicht vom Aussterben bedroht.

Die im Gras versteckten Tiere werden mit einer Drohne gesucht. Eine Wärmebildkamera liefert aus 60 Metern Höhe Aufnahmen von zehn Hektar Fläche in zehn Minuten. Jedes Lebewesen wird mit einem hellen Wärmepunkt abgebildet. Die Einsätze beginnen so früh am Morgen, weil im Laufe des Tages der Unterschied zwischen der Körperwärme und der Aussentemperatur immer kleiner wird. «Ab 20 Grad werden auch viele andere aufgeheizte Stellen angezeigt, sei es ein Stein oder ein Sauerampfer», erklärt Michael Ehlers, Gründer der Initiative.

Die Helfer werden vom sogenannten Spotter, der den Bildschirm im Auge hat, per Funk zu den weissen Punkten gelotst. Dort finden sie nicht immer Kitze, sondern auch Füchse, Igel oder Hasen. «Egal wie nass und wie hoch das Gras ist, man läuft immer weiter auf die Wärmepunkte zu, auch wenn sie noch so klein sind», erzählt Nina.

Bis zu 25 Wiesen am Tag durchsuchen die unermüdlichen Helfer. Dabei gibt es auch schlimme Erlebnisse. Steffi, mit Nina und zehn anderen unterwegs, hat 2020 nach der Rettung von vier Kitzen erlebt, wie ein Tier doch noch vom Mähwerk erwischt wurde. Alle vier Beine waren abgetrennt. «Wir haben tränenüberströmt neben dem Zwerg gesessen und gewartet, dass der Jäger kommt, um ihn zu erlösen.»

In der Weinheimer Wiese ist Vorsicht geboten, damit kein auf den Boden geducktes Kitz aufgescheucht oder getreten wird. Ist ein Winzling gefunden, wird er mit Handschuhen und Gras aufgenommen und unter einem Korb am Rand gesichert. «Man soll das Kitz nicht mit blossen Händen berühren, das ist wichtig, damit es von der Mutter wieder angenommen wird», sagt Nina. «Der schönste Moment ist, wenn man es am Brustkorb packt, sein weiches Fell spürt und merkt, wie sein Herz schlägt - das ist wirklich unbeschreiblich und da kommen Muttergefühle auf.» Nach der Mahd wird das Tier wieder freigelassen.

Das Engagement trifft bei den Landwirten auf unterschiedliches Echo. «Am besten wäre es, wenn der Bauer uns 24 bis 48 Stunden vor dem Mähen die Daten seiner Wiese via google maps zukommen, uns dann suchen lässt und gleich darauf mit dem Mähen beginnt», erläutert Ehlers. Das sei die Ausnahme. Dabei seien Landwirte gesetzlich zum Kitzschutz verpflichtet. Vor allem ältere Landwirte hätten teils wenig Verständnis.

Andere seien zwar willig, könnten aber nicht gleich nach dem Sucheinsatz mähen. Deshalb treten die Retter in Aktion, wenn der Landwirt verspricht, noch am Vormittag zu mähen. Die Bauern haben auch ein Interesse daran, dass es auf ihren Wiesen nicht zum Wildunfällen kommt. Kadaver im Futter können Rinder vergiften. «Die Arbeit von ehrenamtlichen Kitzrettern, Landwirten und Jägern ist wichtig und sinnvoll», sagt Agrarminister Peter Hauk (CDU). Die Akteure vor Ort müssten sich zusammenschliessen. Überdies gehöre der Schutz der Kitze vor dem «Vermähen» zur guten fachlichen Praxis.

Der Bauernverband begrüsst den Einsatz. «Jedes Tier, das überlebt, ist positiv zu werten», sagt Vize-Hauptgeschäftsführer Horst Wenk. Der Verband empfiehlt, Grünland von innen nach aussen zu mähen, um den Tieren die Flucht zu ermöglichen. Auch am Vortag installierte Knistertüten, Flatterbänder oder Kofferradios können Wild vertreiben.

Kitzfan Ehlers nähert sich erschöpft, aber glücklich dem Ende der Mission. «Am Saison-Abschluss kriecht man schon auf dem Zahnfleisch, aber wenn man sieht, wie die Mutter ihr Kitz abholt und die beiden im Wald verschwinden - das kann man mit Geld nicht aufwiegen.»

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