Pearl Jam machen mit «Gigaton» Mut

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USA,

In der Corona-Krise leidet eine sensible Band wie Pearl Jam mit ihren Fans. Die empathischen Rocksongs des neuen Albums kommen da als Mutmacher gerade recht. Pearl-Jam-Konzerte, stets riesige positive Gemeinschaftserlebnisse, fallen allerdings zunächst aus.

Pearl Jam
Für eine Band wie Pearl Jam, die mehr als drei Dekaden im Geschäft ist, hat man sich mit dem zwölften Album als immer noch relevant erwiesen. Foto: Danny Clinch/Universal Music/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Pearl Jam sind wohl nicht die wichtigste Band jener wilden, wütenden Rockmusik, die vor 30 Jahren zu «Grunge» wurde - das waren Nirvana um den depressiven Menschenfischer Kurt Cobain.

Doch PJ-Frontmann Eddie Vedder und seine Kumpels gelten als sympathischste, beständigste und auch erfolgreichste Formation dieser Stilrichtung. «Gigaton» ist bereits die elfte Studioplatte des 1990 gegründeten Quintetts neben einer riesigen Zahl von Live-Dokumenten.

Es sollte der von Millionen Verehrern mit Spannung erwartete kreative Neustart nach sieben Jahren Albumpause sein - und wird nun sehr von der Corona-Krise überschattet, die auch Veröffentlichungen von Superstars wie Pearl Jam zur Randnotiz degradiert.

Immerhin: Die wie Nirvana einst in Seattle gestartete Band bringt ihr Werk trotz aller aktuellen Nachteile zu dem lange geplanten Termin heraus - während andere Musiker wegen der auch kommerziell negativen Auswirkungen des globalen Virus schon auf später vertröstet haben.

Tatsächlich können Fans in aller Welt eine neue Platte dieser so sensiblen wie klugen Band derzeit gut gebrauchen. «Gigaton» ist ein Manifest des Durchhaltewillens. Pearl Jams gewohnt wuchtiger Gitarrenrock wird mit einigen interessanten Stil- und Soundelementen angereichert, insgesamt scheint hinter den zwölf Songs eine Philosophie der Ermutigung zu stehen.

«Diese Platte zu machen - das war eine lange Reise», sagt Gitarrist Mike McCready ein wenig pathetisch, wie man es von dieser Band durchaus kennt. «Sie war zeitweise emotional düster und verwirrend, aber es gab auch eine aufregende und experimentelle Strassenkarte zur musikalischen Erlösung. Mit meinen Bandfreunden für 'Gigaton' zusammenzuarbeiten, schenkte mir grössere Liebe, Bewusstsein und Erkenntnis, wie wichtig menschliche Nähe in diesen Zeiten ist.»

Diese Stellungnahme formulierte McCready noch vor der Corona-Katastrophe - womöglich war gerade der letzte Satz eher auf die politische Spaltung der USA gemünzt, deren Urheber Donald Trump auch Pearl Jam verabscheuen. Gleichwohl: Balladen wie «Alright» oder «Retrograde», epische Midtempo-Stücke wie «Seven O'Clock» und «Buckle Up» haben etwas Beruhigendes, auch Hymnisches für triste Zeiten.

Die Innovationen halten sich nach drei Jahrzehnten Bandgeschichte zwar in Grenzen - das unterscheidet Pearl Jam nicht von anderen Rockmusikern mit langem Atem, etwa Vedder-Vorbild Neil Young. Dennoch ist ein Song wie die Albumauskoppelung «Dance Of The Clairvoyants» bemerkenswert - da steckt richtig viel Groove drin, eine Art Funkrock, der an die australische Mega-Band INXS in den 1980ern erinnert. Konservativere Pearl-Jam-Fans werden sich daran gewöhnen müssen, erste Reaktionen waren nicht durchweg positiv.

Aber es gibt ja immer noch genug klassischen PJ-Stoff auf «Gigaton», dessen Albumcover einen schmelzenden Gletscher in Norwegen zeigt. Der Opener «Who Ever Said» etwa mit einem fast atemlosen Eddie Vedder - grandios gesungen. Oder «Superblood Wolfmoon»: variabler, keineswegs stumpfer Gitarrenrock mit La-La-La-Refrain. «Quick Escape» ist ebenfalls tanzbar mit einer sehr präsenten Bluesrock-Gitarre. Und «Never Destination» liegt mit seiner Punkrock-Attitüde irgendwo zwischen den von Vedder vergötterten The Who und Stooges.

Nach dem nicht durchweg überzeugenden «Lightning Bolt» (2013) ist den Grammy-Gewinnern und Millionsellern Pearl Jam ein sehr vitales Album geglückt, das die immer noch besondere Chemie in dieser mit vier Gründungsmitgliedern besetzten Band unter Beweis stellt. Umso trauriger, dass sie ihre neuen (und viele alte) Lieder wegen der Corona-Krise nun vorerst nicht live präsentieren kann.

«Als Bewohner der Stadt Seattle sind wir sehr betroffen und haben es aus erster Hand erlebt, wie schnell diese desaströse Lage eskalieren kann», schrieb die Band kürzlich auf Instagram. «Es war schon brutal, und es wird noch schlimmer, ehe es wieder besser wird.» Aber grössere Versammlungen wie Rockkonzerte seien nunmal «ganz oben auf der Liste von Dingen, die es zu vermeiden gilt, da diese globale Gesundheitskrise jetzt unser aller Leben in Mitleidenschaft zieht».

Die Instagram-Nachricht zur Tournee-Verschiebung in Nordamerika endet mit warmen Worten - diese Band war schon immer sehr einfühlsam: «Es tut uns so leid... Wenn jemand da draussen das Gleiche fühlt - wir teilen diese Emotionen mit Euch. Ed & Pearl Jam.»

Man denkt zurück an Vedders Tränen vor fast genau 20 Jahren, nachdem beim Roskilde-Festival in Dänemark während des Pearl-Jam-Auftritts ein unfassbares Unglück passiert war: Im Gedränge vor der Bühne kamen neun junge Menschen ums Leben. Wenn Künstler ihre Fans derzeit nicht in Gefahr bringen wollen - bei Pearl Jam ist dies besonders glaubwürdig, es kommt aus tiefstem Herzen.

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