Propaganda - Wie man Lügen verkauft
Das Wichtigste in Kürze
- Berlin (dpa) - Gelogen wird täglich und überall.
Nicht jede Lüge ist gleich Propaganda, aber in der Propaganda ist die Lüge nie weit. Und die Grenzen sind fliessend. Larry Weinstein hat sich intensiv damit beschäftigt.
Der bereits mit drei Emmys ausgezeichnete Regisseur aus Toronto hat eine gewisse Faszination für das Thema - nicht weil ihm Propaganda so sympathisch wäre, es ist eher ein fasziniertes Schaudern. Weinstein hat deshalb den sehenswerten und vielschichtigen Dokumentarfilm «Propaganda - Wie man Lügen verkauft» gemacht.
Den Anstoss gab der US-Präsident: «Trump war meine Muse für diesen Film», erzählte der Regisseur bei der Europa-Premiere in Berlin. Eines Morgens habe er dessen Tweets gelesen und sich furchtbar darüber aufgeregt. «Der Ärger ist der Treibstoff für meinen Film.» Weinstein widmet sich ganz unterschiedlichen Fragen, von der Geschichte der Propaganda bis zu ihren Wirkungsmechanismen. «Der Film ist selbst Propaganda - gegen Propaganda», sagte Weinstein. Arte zeigt ihn am Dienstag (10. September) um 20.15 Uhr.
Propaganda ist keine Erfindung unserer Zeit. Immer schon haben Menschen versucht, andere zu manipulieren, ihre Meinungen zu beeinflussen, ohne dass diese es überhaupt merken. Gute Propaganda sei wie eine gut erzählte Geschichte, sagt der Medienwissenschaftler Prof. Paolo Granata. Und: Die beste Propaganda erkenne man nicht als solche. Der Archäologe Alistair Pike, den Weinstein ausführlich zu Wort kommen lässt, ist überzeugt, dass es sie schon in der Steinzeit gegeben hat: Er deutet die Handabdrücke an den Wänden der El-Castillo-Höhle in Spanien so: «Ein Ort, wo die Schamanen ihre Macht demonstrierten», sagt Pike, «das ist Propaganda.»
Wenn man den Begriff weit fasst, kann vieles Propaganda sein: die publizistische Offensive Luthers und seiner Anhänger mit Hilfe des Buchdrucks gegen die katholische Kirche im 16. Jahrhundert führt Weinstein an. Aber auch die Kunst des Barock: Manipulation der Sinne.
Im Ersten Weltkrieg nutzten Regierungen Propaganda, um die Bevölkerung auf den gewünschten Patriotismus einzuschwören oder auf den Fronteinsatz. Der Begriff Propaganda hatte danach in Ländern wie den USA und Grossbritannien einen negativen Klang - anders als in Italien, Russland oder Deutschland. Für Joseph Goebbels war Propaganda die schärfste Waffe, die den Nazis zur Eroberung des Staates zur Verfügung stand. Aus dem Reichspropagandaleiter wurde danach der Propagandaminister.
Aber Propaganda ist kein Instrument, das von einer bestimmten politischen Seite genutzt wird: Jim Kirkpatrick hat das berühmte Che-Guevara-Poster geschaffen, das den Revolutionär mit stolzem, unbeirrbaren Blick zeigt und zur Ikone machte, zehntausendfach vervielfältigt. Kirkpatrick verzichtete bewusst aufs Copyright. «Es sollte Propaganda sein», sagt er im Film.
Street-Art-Künstler Shepard Fairey, Erfinder des Wahlplakates mit der Botschaft «Hope», wollte damit Menschen für Barack Obama einnehmen. Street-Artist Sabo ist überzeugter Trump-Fan und möchte mit seiner Kunst ein Statement gegen das demokratische Establishment setzen. Ai Weiwei dagegen sieht Kunst als Anti-Propaganda, als ein Mittel der Freiheit. Die Propaganda ist jedenfalls nicht am Ende.
Im Gegenteil, die Manipulation der Wahrheit ist so ausdifferenziert wie nie. Nazi-Gruppierungen nutzen das Internet für ihre Propaganda, genau wie die Terrormiliz Islamischer Staat, die ihre Hinrichtungsvideos in der Ästhetik von Videogames auf die Bedürfnisse von Online-Nutzern ausrichtet - in der Hoffnung, mit ihrer Propaganda im Netz grösstmögliche Reichweite zu erzielen.
Larry Weinstein stellt sich viele Fragen. Nicht alle kann er beantworten. Aber so viel ist sicher: Mit Propaganda leben wir schon lange, nichts deutet darauf hin, dass das bald anders wird.