The Who kehren kraftstrotzend zurück

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Grossbritannien,

Sie wollten lieber tot sein, als alt zu werden. 54 Jahre ist das her. Roger Daltrey und Pete Townshend von den einstigen Rock-Rebellen The Who sind nun weit über 70. Was sie aber nicht daran hindert, eine grandiose Platte zu machen - ja, ein Alterswerk.

Sie haben es immer noch drauf: Roger Daltrey (l) und Pete Townshend. Foto: Universal Music/dpa
Sie haben es immer noch drauf: Roger Daltrey (l) und Pete Townshend. Foto: Universal Music/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Aufsässige haben die Herren auch im fortgeschrittenen Alter nicht ganz abgelegt, die Frontmänner der legendären britischen Rockband The Who.

«I Don't Wanna Get Wise» heisst einer der Songs auf ihrem neuen - und um es gleich vorwegzunehmen: tollen - Comeback-Album «WHO».

Gitarrist Pete Townshend (74) und Sänger Roger Daltrey (75) wollen «nicht vernünftig werden», sondern auch mal einen draufmachen, saufen, kiffen, Mist bauen.

Kein Problem, wenn dabei eine solche Platte herauskommt - über 50 Jahre, nachdem The Who ihre berühmteste aufsässige Textzeile gesungen hatten, zu einer Zeit, als die Rockmusik wirklich noch jung und rebellisch war: «I hope I die before I get old» («Ich hoffe, ich sterbe, bevor ich alt werde») aus dem Song «My Generation» (1965).

Alt sind sie nun zwar doch geworden. Aber auf ihren neuen Liedern hören sich Daltrey und Townshend nicht so an. Vor allem in der kraftstrotzenden ersten Albumhälfte - ehe sie es später etwas ruhiger angehen lassen, ohne dabei lahm oder peinlich zu klingen.

«WHO» (zu Recht ein selbstbewusster Grossbuchstaben-Titel) ist das erste Werk seit 2006, das diese neben Beatles und Rolling Stones berühmteste britische Band der 60er nun vorlegt. Erst ein Dutzend Studioplatten haben Townshend, der Gitarrist mit dem ikonischen «Windmühlen»-Saitengedresche, und Rock-Röhre Daltrey bisher zusammen gemacht. Oft gab es Streit, Soloprojekte, lange Pausen - und dann stets eine Rückkehr, die den guten Ruf von The Who nicht beschädigte.

Diesmal legte Daltrey die Messlatte vor der Veröffentlichung besonders hoch: Das kommende Album sei das beste seit dem Klassiker «Quadrophenia» von 1973. Zwar haben The Who seit ihren bahnbrechenden Konzeptalben «Tommy» (1969) und «Quadrophenia» (1973) keine Meisterstücke mehr produziert, dennoch klang die Ansage des Sängers zu Jahresbeginn schon fast beängstigend grossmäulig.

Jetzt also: Entwarnung. Der Opener «All This Music Must Fade», die wütende Guantanamo-Anklage «Ball And Chain» oder die schon erwähnte Spass-Selbstermächtigung «I Don't Wanna Get Wise» enthalten keine gänzlich neuen Ideen - wie kaum anders zu erwarten bei einer Band, die ihren Trademark-Sound über so viele Jahre entwickelt hat. Doch die Lieder haben starke Melodien, das Album ist wunderbar wuchtig produziert (bestes Beispiel: «Hero Ground Zero», das mit Orchester-Begleitung direkt an die «Rockopern» von The Who anknüpft).

Die dienstälteste Band neben den Stones zeigt sich auf der Höhe ihrer Leistungsfähigkeit. «Wir haben nicht mehr das gute Aussehen. Wir haben nicht mehr den Glamour», sagte Daltrey zur Album-Ankündigung. «Was uns bleibt, ist die Musik, und wir werden sie so frisch und kraftvoll wie immer präsentieren.» Das zielt wohl auch auf künftige Live-Auftritte - bei The Who immer ein besonderes Ereignis.

Und warum hat es, bei der auf «WHO» spürbaren guten Chemie zwischen den beiden Frontmännern, dann seit «Endless Wire» (2006) doch wieder so lang gedauert bis zum Comeback? «Ich glaube, das lag daran, dass wir in letzter Zeit so viel auf Tournee waren», sagt Townshend im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. «Ich würde sagen, wir sind auch immer besser geworden. Aber ich hatte das Gefühl, wenn ich weitermache, muss mir bewusst sein, dass ich mich eher als Songwriter und Autor sehe.» Daher der Kreativschub für neue Lieder.

Allerdings stiess Townshend bei seinem alten Kumpel zunächst auf überraschend wenig Gegenliebe. «Ich dachte mir, dann schreibe ich einfach Songs, die Roger vielleicht nicht unbedingt liebt, aber die ihn herausfordern und ihm irgendwie liegen.» Doch Daltrey reagierte reserviert - das seien doch keine Band-, sondern Solo-Stücke. «Und ich habe gesagt, dass ich tatsächlich 40 Solo-Songs in der Tasche habe: 'Diese Songs habe ich für dich geschrieben, Roger.'»

Daltrey habe «viel Zeit gebraucht, so vier oder fünf Monate», um die ihm auf den Leib geschriebenen Lieder zu mögen - dann aber funkte es wohl so richtig. «In jedem einzelnen Fall hat er grossartig gesungen», lobt Townshend im dpa-Gespräch den Partner. «Er hält die Who-Flagge sehr viel höher als ich.»

Die Platte wurde vom Gitarristen selbst und dem US-Amerikaner Dave Sardy produziert, an den Aufnahmen waren Studio-Profis wie Pino Palladino (Bass), Benmont Tench (Keyboards), Joey Waronker und Ringo Starrs Sohn Zak Starkey (beide Schlagzeug) beteiligt. Bis zum vorletzten Stück «Rockin' The Rage» halten The Who das Energie-Level hoch, ehe sie mit dem milden «She Rocked My World» (eine Ballade mit Flamenco-Gitarre und jazzigem Klavier!) Goodbye sagen. Weitere 13 Jahre sollte die Pause jetzt aber nicht mehr dauern.

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