Von der Mühe der Museen mit Leihgaben
Kunstschätze sollten möglichst vielen Menschen zugänglich gemacht werden. Doch die Museen tun sich immer schwerer, ihre Wechsel- und Sonderausstellungen zu bestücken. Das hat viele Gründe.
Das Wichtigste in Kürze
- Museumsbesucher erfreuen sich an schön gestalteten Ausstellungen.
Wie viel Arbeit und Geld hinter dem Augenschmaus mit oft zahlreichen Leihgaben stecken, ist dabei kaum jemandem bewusst.
«Das Geschäft wird immer schwieriger», sagt der Präsident des Deutschen Museumsbunds und Chef des badischen Landesmuseums, Eckart Köhne. «Die Vorgaben der Leihgeber sind heute wesentlich komplexer, anspruchsvoller und teurer, als sie es vor zehn bis 20 Jahren waren.»
Davon kann auch Inge Herold, Vizechefin der Mannheimer Kunsthalle, ein Lied singen. Sie ist Projektleiterin einer grossen Matisse-Ausstellung, die von Ende September an zu sehen sein wird. Die Kunsthalle zeigt 125 Leihgaben aus aller Welt. Museumschefin Ulrike Lorenz und ihre Kollegen waren etwa in den USA und in Frankreich, um die Leihgeber persönlich davon zu überzeugen, dass genau ihr Objekt von grösster Bedeutung für die Schau ist. «Man fühlt sich zuweilen wie Bittsteller», erzählt Herold. 80 Leihgeber steuern zur Ausstellung bei - manches Mal mit dem aus Herolds Sicht legitimen Versprechen verbunden, eigene Werke herauszurücken.
Nicht nur die Reisen Jahre vor der Schau, auch Leihgebühren und steigende Versicherungsprämien machen den Museen zu schaffen. Kostentreiber sind überdies die immer schärferen Transportmodalitäten - von Klimakisten über Verglasung von Gemälden bis hin zu Kurieren. Letztere begleiten die Exponate aus den Herkunftsorten etwa nach Mannheim und wachen mit Argusaugen über das Auspacken und Aufhängen sowie über die Beleuchtung. Reisekosten, Spesen und Tagegelder schlagen beim Entleiher zu Buche.
Die zögerliche Herausgabe von Exponaten mag an der veränderten Ausbildung der Restauratoren liegen. Waren sie früher Handwerker wie etwa Schreiner und Goldschmiede, die über Praktika in den Museumsbetrieb wuchsen, sind es heute Absolventen von Fachhochschulen, an denen viel Theorie gelehrt wird. Aus Sicht mancher Museumsleiter mangelt es ihnen am Bezug zum Objekt.
Der Verband der Restauratoren räumt «Reibungspunkte» mit Kuratoren von Ausstellungen ein. «Wir sind dazu da, darauf zu achten, dass die Exponate nicht mehr reisen als ihnen gut tut», erläutert Simone Heuken vom Verband. Jede Bewegung, jeder Transport, jeder Flug und jede Klimaveränderung sei eine Belastung für die Substanz. Und die zu erhalten, sei oberstes Gebot für ihr Metier.
Alfried Wieczorek, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, spricht hingegen von fehlgeleiteter Lehre: «Archive und Bibliotheken würden am liebsten gar nichts mehr rausgeben.» Ruhezeiten etwa für Bilderhandschriften beliefen sich auf zwölf Jahre. «Früher waren es drei Jahre, bis die Dinge wieder gezeigt werden durften.»
Belastungen würden durch immer schärfere Auflagen minimiert, finden die Museumsleiter. Wieczorek etwa verweist auf die marginale Schadensbilanz seines Hauses: In den vergangenen fünf Jahren sei kein einziges Ausstellungsstück beschädigt worden. In den vergangenen zehn Jahren sei nur ein Schadensfall eingetreten - verursacht durch den Entleiher. «Da spreche ich für viele andere Häuser.» Ihm und seinen Kollegen sei es ein Herzensanliegen, die Kostbarkeiten für kommende Generationen zu erhalten.
Dies beanspruchen auch die Restauratoren für sich. Heuken bestreitet, dass das Ausleihen ohne Beschädigungen abgehe. «Das sind Veränderungen im Mikrobereich, die unter Umständen erst Jahre später sichtbar werden und der Laie und auch der Kunsthistoriker nicht bemerken.» Im Zweifel müsse der Kunstliebhaber eben zum Werk kommen - und nicht umgekehrt. Es fordere ja auch niemand, die «Mona Lisa» vom Louvre aus durch die Welt zu schicken.
Um die Hürden bei der Ausleihe zu überwinden, sind gute Kontakte Gold wert. Die Reiss-Engelhorn-Museen etwa schicken ihre Mumien-Schau ins Nationalmuseum der Naturwissenschaften in Tokio. Das Centre Pompidou präsentiert seine Ausstellung zum Fotografen Gaston Paris zuerst in Mannheim, bevor sie in Paris zu sehen ist. «Das ist ein Geben und Nehmen», sagt Direktor Wieczorek.