Jetzt soll Infantino bei Schweizer Zoll-Verhandlungen helfen
Keller-Sutter telefoniert, Trump pausiert: Doch was soll der Bundesrat in den nächsten 90 Tagen tun? Den besten Schweizer Trump-Flüsterer ins Boot holen.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Strafzölle der USA sind für 90 Tage ausgesetzt.
- Daran soll auch Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter Anteil haben.
- Mit Fifa-Präsident Gianni Infantino hätte die Schweiz einen Top-Draht zu Donald Trump.
Ihretwegen kann US-Präsident Donald Trump diese Woche nun 25 Minuten weniger lang Golf spielen: So lange dauerte das Telefonat mit Bundespräsidentin Karin Keller-Sutter.
Wir sind wohl wichtig, zeigt auch die im Rosengarten des Weissen Hauses präsentierte Zollliste: die Schweiz unter den Top Ten, noch vor Grossbritannien oder der Viertelmilliarde Menschen aus Indonesien.

Über den genauen Inhalt des Gesprächs sind keine Details bekannt. Gemäss «Washington Post» soll es aber dazu beigetragen haben, dass die Strafzölle nun während 90 Tagen pausiert sind.
Keller-Sutter: Abgehärtet in Sankt Gallen
Dass Keller-Sutter dank genialer Verhandlungstaktik der (Wirtschafts-)Welt eine Verschnaufpause bescherte, hält zwar SP-Co-Präsident Cédric Wermuth für eine «steile These».
FDP-Präsident Thierry Burkart betont dagegen: Es sei «von enormer Bedeutung für unser Land», innert Wochenfrist einen direkten Kanal zu Trump zu öffnen.

Eine Erklärung parat hätte dagegen der Mit-Sankt-Galler und SVP-Nationalrat Roland Büchel augenzwinkernd: «Wer jahrelang durch das Stahlbad der Sankt Galler Kantonalpolitik ging, der mag auch einem Donald Trump die Stange halten.»
GLP-Präsident Jürg Grossen attestiert der Bundespräsidentin ein selbstsicheres Auftreten. Auch hilfreich sei, dass die Schweiz nicht mit irgendwelchen Drohungen überborde.

Ernster wird SVPler Büchel bei den Sprachkompetenzen. Normalerweise mache es Sinn, sich in politischen Verhandlungen in der jeweiligen Muttersprache auszudrücken. Hier habe es aber wohl Sinn gemacht, beim Englischen zu bleiben: «Zumal die Bundespräsidentin fast perfekt Englisch spricht» – sie hat selbst eine Ausbildung als Dolmetscherin.
Das sehr gute Englisch sei sicher hilfreich, bestätigt auch Jürg Grossen. Oder hat sich Trump gar von Keller-Sutters Oxford-Akzent beeindrucken lassen? Es wäre ihm jedenfalls zuzutrauen, doch um dies zu beurteilen, müsste er Trump persönlich kennen, gesteht Grossen: «Was ich nicht tue.»
«Team Schweiz» braucht einen Top-Transfer: Gianni Infantino
90 Tage haben die Schweiz und der Rest der Welt nun Zeit, eine ökonomische Katastrophe abzuwenden. Die sprichwörtlichen «aussergewöhnliche Umstände erfordern aussergewöhnliche Massnahmen», findet Roland Büchel.
Der vom Bundesrat eingesetzte Sondergesandte, das «Kernteam» rund um Aussenminister Ignazio Cassis: gut und recht, aber noch nicht gut genug.
Das «Team Schweiz» müsse mit dem weltweit bekanntesten Schweizer ergänzt werden. Nein, nicht Roger Federer, sondern jemand mit Zugang zum Oval Office: Fifa-Präsident Gianni Infantino.
Sportmanager Büchel weiss: «Trump und Infantino werden sich in den nächsten Monaten wegen der Fussball-Klub-WM 2025 und der Fussball-WM 2026 regelmässig treffen.» Immerhin: Gegenüber «originellen Ideen, mit denen wir die Trump-Administration überzeugen können», zeigt sich auch GLP-Chef Grossen offen.

Dank Infantino hat der US-Präsident in seinem Oval Office gar einen WM-Pokal aufgestellt. Die Schweiz wäre also eigentlich schon ganz nah dran an Trump. Englisch spricht der vielsprachige Infantino auch. Trump hat er auch schon als «besonderen Freund» bezeichnet.
Sag's dem Trump: Kleine Schweiz, ganz gross
Und das soll das «Team Schweiz» mit Star-Stürmer Infantino in den USA tun: «Präsident Trump und seinen Leuten die Fakten unter die Nase reiben», sagt SVPler Büchel. Denn die Zahlen sprächen für uns, insbesondere wenn man sie pro Kopf der Bevölkerung rechnet.

«Pro Kopf gerechnet importieren wir zwischen zehn und 15 Mal mehr aus den USA, als wir dorthin exportieren.» Zehn Mal seien es mit den Schweizer Zahlen, rechnet Roland Büchel vor: Die Schweiz importiert für 14,1 Milliarden Franken aus den USA, die USA umgekehrt für 52,7 Milliarden.
Bei neun Millionen Schweizer Bevölkerung gegenüber 340 Millionen Menschen in den USA ergibt sich ein Faktor zehn. Mit den – warum auch immer – leicht anderen Zahlen der US-Behörden gar ein Faktor 15.

Die Vorteile der Schweiz herauszustreichen, dies empfiehlt auch Jürg Grossen. Anders als SVP-Nationalrat Büchel würde er dies in Abstimmung mit der EU tun. Diese sei eine verlässliche Partnerin, «was man von den USA unter Donald Trump derzeit nicht behaupten kann». Dem Trump-Team müsse man erklären, wie stark die USA von Investitionen und Arbeitsplätzen von Schweizer Unternehmen profitierten.
Ähnlich tönt es bei FDP-Präsident Thierry Burkart. Für ihn ist auch der Blick in die Zukunft wichtig: Dass in diesen 90 Tagen aufgezeigt wird, wie die Schweizer Wirtschaft in den kommenden Jahren in den USA investieren wird.
Was es dagegen nicht brauche, seien beispielsweise Gegenzölle, betont Grossen: «Die wären kontraproduktiv und würden nur die Konsumentinnen und Konsumenten in der Schweiz belasten.»
Uneinigkeit bei Gegenmassnahmen – und Infantino
Auch hier Übereinstimmung mit Amtskollege Burkart von der FDP. Dieser warnt auch vor Boykotten von US-Produkten: Vom Rücktritt von abgeschlossenen Kaufverträgen, Stichwort F-35-Kampfjet, müsse im eigenen Schweizer Interesse unbedingt abgesehen werden.

Anders tönt es von links: SP-Co-Chef Wermuth findet zwar wie GLP-Chef-Grossen, eine Koordination mit der EU sei notwendig. Aber er will auch scharfe Gegenmassnahmen geprüft sehen: «Darunter eine scharfe Regulierung der Tech-Branche und den Stopp des F-35.»
Also ziemlich genau das Gegenteil von dem, was der Bundesrat den USA zur Besänftigung vorschwärmte. «Man muss jetzt nicht vor Trump in die Knie, sondern ihm die Stirn bieten», findet Wermuth. Auch punkto Überbringer dieser Forderungen sieht es der SPler anders: «Ich denke das ist eine politische Frage – nichts gegen Infantino.»