«Habt ihr keine Schweizer gefunden?» Im Berner Oberland hat man nicht auf eine syrische Flüchtlingsfamilie gewartet. Im Gegenteil.
Eine syrische Flüchtlingsfamilie flieht von Damaskus in die Berner Alpen. Der Kulturschock ist gross - auf beiden Seiten.
Eine syrische Flüchtlingsfamilie flieht von Damaskus in die Berner Alpen. Der Kulturschock ist gross - auf beiden Seiten. - Keystone / Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • 2013 floh die Familie Serieh mit vier Kindern von Damaskus (SYR) in die Schweiz.
  • Nau berichtet in einer sechsteilige Serie über das Schicksal der Familie.
  • Teil III: Wohnungssuche, böse Blicke und die Eritreer.
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Berner Oberland, 2014. Seit mehr als einem Jahr ist die Familie Serieh in der Schweiz. Suher und ihr Mann haben einen Deutsch-Intensivkurs belegt. Ihr aktuelles Sprachniveau: B1. Das reicht ganz gut, um sich im Alltag durchzuschlagen.

Doch egal wie gut ein Gespräch beginnt, diese fünf Worte wirken wie ein Fluch: «Wir sind eine syrische Familie». Wie von Zauberhand sind die Wohnungen plötzlich alle schon vergeben.
Nach vielen Absagen werden Seriehs endlich fündig: Drei Zimmer für sechs Menschen – ein Palast. Die Vermieter mögen die syrische Familie. Das Treppenhaus wird zur sicheren Zone.

In Damaskus (SYR) war das Flirren einer herannahenden Bombe Alltag. Im Berner Oberland ist alles ruhig.
In Damaskus (SYR) war das Flirren einer herannahenden Bombe Alltag. Im Berner Oberland ist alles ruhig. - Nau.ch

Das fällt Suher aber erst später auf. In den ersten Tagen nämlich bemerkt sie die Blicke auf der Strasse noch nicht. Dann kreuzt sich ihr Weg mit dem einer Frau aus der Nachbarschaft. Die Frau schaut erst wütend – und dann schnell weg. Es ist der erste von vielen solcher Blicke.

«Man spürt, wenn jemand einen nicht mag», sagt Suher. Doch nicht nur ihre Familie bekommt die Blicke zugeworfen. «Habt ihr keine Schweizer Familie für die Wohnung gefunden?» Immer und immer wieder hört die Vermieterin diese Frage. «Doch», sagt sie, «aber wir wollten die Seriehs.»

Was ist mit den Menschen aus Eritrea?

Weitere zwölf Monate verstreichen. 2015 – der Flüchtlingsstrom erreicht seinen Höhepunkt. Im Dorf aber hat man sich an die Seriehs gewöhnt. «Ich habe so viele nette Leute kennengelernt, die uns lieb aufgenommen haben», schwärmt Suher.

Und die bösen Blicke? «Es gibt überall gute und schlechte Menschen. Menschen die man mag, und solche, die man nicht mag.»

Eine Menschengruppe, die viele Schweizer nicht mögen, sind die Flüchtlinge aus Eritrea. «Wirtschaftsflüchtlinge», murmeln sie. Die Syrier, ja, die hätten es ja schwer. Aber die Eritreer? «Saupack», tönt es am Stammtisch.

Färbt das schlechte Image auf die Syrer ab? Suher zuckt die Schultern. «Ich glaube nicht, dass jemand die Flucht von Zuhause einfach so auf sich nehmen würde», sagt sie dann. Punkt.

So oder so: Suher hat gerade andere Sorgen. Eine davon: Der Ausweis F.

Die ganze Geschichte der syrischen Flüchtlingsfamilie Serieh

1. Von Damaskus in die Berner Alpen – Die Familie Serie flieht aus Syrien
2. «Schmarotzer, ihr wollt doch nur unser Geld» – Beleidigungen auf dem Pausenplatz
3. «Habt ihr keine Schweizer gefunden?» – Wohnungssuche in der Schweiz
4. «Dürft ihr überhaupt arbeiten?» – (K)eine Zukunft mit Ausweis F
5. Muslimischer Patriarch oder Gentleman? – Schweizerisch-Syrische Differenzen
6. Schuldzuweisung und Heimweh – Wer trägt die Verantwortung am Krieg? Und wo ist «daheim»?

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