Aktionsplan gegen Wohnungsknappheit – Lob und Tadel für Bundesrat
Bundesrat Guy Parmelin stellt den Aktionsplan gegen die Wohnungsnot vor: Im Zentrum steht eine Steigerung der Bautätigkeit – das sorgt für Lob und Kritik.
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesrat Guy Parmelin hat einen Aktionsplan gegen die Wohnungsknappheit präsentiert.
- Mieterverbandspräsident Carlo Sommaruga (SP) hält die Massnahmen für «unambitioniert».
- Hauseigentümer hingegen begrüssen die geplante Verschlankung der Bewilligungsverfahren.
In der Schweiz herrscht Wohnungsnot – seit Jahren verringert sich der Bestand freier Wohnungen beinahe im ganzen Land: Im Mittel stehen per Ende 2023 nur 1,15 Prozent aller Wohnungen frei.
In gewissen Gemeinden präsentiert sich die Lage besonders düster – in Zürich beträgt die sogenannte Leerwohnungsziffer beispielsweise nur 0,06 Prozent. Ähnlich verhält es sich in Thun: Hier stehen per Ende 2023 lediglich 0,09 Prozent der Wohnungen frei.
Entsprechend überrascht es kaum, dass die Politik händeringend nach Lösungen sucht: Bereits im Mai 2023 hatte Wirtschaftsminister Guy Parmelin die wichtigsten Akteure an einen runden Tisch gebeten.
Heute ist in Bundesbern die zweite Gesprächsrunde geplant – im Rahmen einer Medienkonferenz sollen im Anschluss die Ergebnisse präsentiert werden: Vorgeschlagen werden 35 unterschiedliche Massnahmen, um gegen die prekäre Situation am Wohnungsmarkt vorzugehen.
Im Zentrum des «Aktionsplans Wohnungsknappheit» stehen eine Steigerung der Bautätigkeit, eine Beschleunigung der Baubewilligungsverfahren und eine Verdichtung der Bauweise. Gleichzeitig betont der Bund, dass er die sich abzeichnende Wohnungsknappheit nicht alleine lösen könne: Vorgeschlagen wird eine Mixtur aus Massnahmen, die von allen Akteuren und Verwaltungsebenen getragen werden.
Mieterverband kritisiert Aktionsplan
Doch längst nicht alle sind mit dem vorgeschlagenen Aktionsplan einverstanden. Der Mieterinnen- und Mieterverband (MV) führt eine ganze Reihe von Kritikpunkten ins Feld, wie Verbandspräsident und SP-Ständerat Carlo Sommaruga erklärt: «Der Plan von Bundesrat Parmelin blendet die unmittelbare und dringliche Situation der Mieterinnen und Mieter in unserem Land völlig aus!»
«Herr und Frau Schweizer leiden unter zu hohen Mietpreisen. Am Ursprung derselben stehen mangelnde Kontrolle über die Mieten und zu hohe Renditenansprüche auf der Seite der Vermieter. Diese Problematik wird mit keinem Wort erwähnt», erklärt der Genfer gegenüber Nau.ch.
Kaum griffige Massnahmen
Ferner enthalte der «Aktionsplan Wohnungsknappheit» keinerlei griffige Massnahmen, so Sommaruga. «Der Bund hätte die Kompetenz, um in einer Krisensituation dringliche Massnahmen zu erlassen.» Dabei verweist der Genfer beispielsweise auf den «Energie-Mantelerlass» – als schnelle Massnahmen zur Sicherung der Stromversorgung mit Erneuerbaren erlassen wurden.
Stattdessen komme der vorliegende Plan eher als unambitionierte «To-do-Liste» daher, erklärt Sommaruga. Als mögliche Lösung schlägt der SP-Ständerat daher ein unmittelbares Vorkaufsrecht für Gemeinden vor, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Daneben müsse eine Mietzinskontrolle missbräuchliche Renditen der Vermieter verhindern. Schliesslich müssten Vermieter gezwungen werden, den Vormietzins zu veröffentlichen, so Sommaruga.
Die vom Bund vorgeschlagenen Massnahmen würden Mietern nämlich frühestens in 10 bis 15 Jahren eine Linderung bescheren. Für den Mieterinnen- und Mieterverband sei das zu spät.
Hauseigentümerverband begrüsst Stossrichtung
Etwas andere Töne stimmt derweil der Hauseigentümerverband an: «Der Aktionsplan beinhaltet geeignete und weniger geeignete Massnahmen», erklärt Adrian Spiess auf Anfrage von Nau.ch.
Insbesondere eine Verschlankung von Planungs- und Bewilligungsverfahren sei sehr begrüssenswert. «Effizientere Behörden und Verfahren sind für die Steigerung der Wohnraumproduktion zentral. Vorschriften schaffen keine Wohnungen!»
Gleiches gelte für die Durchlässigkeit und Durchmischung von Arbeits- und Wohnzonen, und die Verdichtung der Bauweise, so Spiess. Was im Aktionsplan fehle, sei eine effektive Flexibilisierung der Lärmschutzverordnung und Lockerungen beim Heimat- und Denkmalschutz.
Allgemein befürworte der Hauseigentümerverband eine «Stimulierung der Baubranche anhand ökonomischer und marktpolitischer Kriterien. Es braucht mehr Anreize und weniger Verbote und Vorschriften.»
Weitere Eingriffe ins Mietrecht lösten das Problem der Kostensteigerungen und des knappen Wohnungsangebotes nicht. Sowohl Mieter als auch Eigentümer seien heute von steigenden Wohnkosten betroffen.
Wohnungsknappheit kein schweizweites Problem
Spiess ist überzeugt: «Die Wohnungsknappheit ist keineswegs ein schweizweites Problem.» Betroffen seien hauptsächlich beliebte Hotspots. Neben Zürich beispielsweise auch Zug mit einer Leerwohnungsziffer von 0,33 oder Genf mit einer Leerwohnungsziffer von 0,52.
In gewissen Kantonen bestehe hingegen keine Wohnungsknappheit, so der Vertreter des Hauseigentümerverbands: «Die Zuwanderung und die Wohnraumproduktion sind punktuell aus dem Gleichgewicht geraten. Um die Balance wiederherzustellen, muss entweder mehr gebaut werden oder die Zuwanderung reduziert werden.»
Auch vor dem vom Mieterverband vorgeschlagenen Vorkaufsrecht für Gemeinden warnen die Hauseigentümer: «Bereits heute steht Gemeinden und Kantonen die Möglichkeit offen, Eigentum zu marktüblichen Preisen zu erwerben. Ein Vorkaufsrecht würde eine krasse Beschneidung des freien Verfügungsrechtes bedeuten und eine unerhörte Geringschätzung der Institution ‹Privateigentum› zum Ausdruck bringen.»