Altersvorsorge im Krisenmodus – Gewerkschaften sehen Gegenteil
Die Oberaufsicht der Pensionskassen spricht von einem grossen Verlust. Doch Gewerkschaften sehen die BVG in so gutem Zustand wie nie zuvor – und jubeln.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Krisenjahr 2022 hat deutliche Spuren bei den Pensionskassen hinterlassen.
- Die Oberaufsicht der Pensionskassen legt ihren Jahresbericht mit einem grossen Minus vor.
- Doch die Gewerkschaft sieht aber die BVG in so gutem Zustand wie nie zuvor.
Bei den Pensionskassen hat das Krisenjahr 2022 deutliche Spuren hinterlassen. Sie wurden von dem Ukraine-Krieg, der Inflation und der unsicheren Wirtschaftslage geprägt. Von rekordhohen 118,5 sank der durchschnittliche Deckungsgrad der Vorsorgeeinrichtungen auf noch 107 Prozent.
Das Fazit von Vera Kupper Staub: «Es macht den Anschein, als ob wir nicht mehr aus dem Krisenmodus herausfinden.» Sie präsidiert die Oberaufsichtskommission Berufliche Vorsorge (OAK BV), die am heutigen Dienstag ihren Jahresbericht präsentierte.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen sieht im gleichen Bericht den Nachweis dafür, dass genau das Gegenteil der Fall sei: «Den Pensionskassen geht es besser als je», schreibt dieser in einer Medienmitteilung.
Der SGB argumentiert, die meisten Pensionskassen verfügten auch nach den negativen Anlageergebnissen über solide Reserven. Gleichzeitig hätten sich die finanziellen Aussichten aufgrund der steigenden Zinsen laufend verbessert. Trotzdem seien zu viele Kassen den «ewig pessimistischen Experten-Meinungen gefolgt und hätten die rentenwirksamen Umwandlungssätze weiter gesenkt».
SGB kritisiert: Teuerung bei Analyse ignoriert
Die Oberaufsicht mache es sich in der Analyse gerade beim gewählten Schwerpunktthema zu einfach, kritisiert der SGB. Beim sogenannten «dritten Beitragszahler» handelt es sich um die Erträge aus dem angesparten Kapital. Zusammen mit den Beiträgen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bilden sie das Alterskapital. Die OAK BV kommt zum Schluss, der gesetzliche Auftrag sei erfüllt oder gar übertroffen.
Der SGB bemängelt, bei der Analyse sei die Bedeutung der Teuerung schlicht ignoriert worden. Eine eigene Analyse habe ausserdem ergeben, dass die Bedeutung des «dritten Beitragszahlers» konstant gesunken sei. Im Jahr 2000 habe dieser noch einen Drittel der Beiträge gezahlt, 2015 nur noch einen Fünftel.
«Pensionskassen geben skandalös tiefe Verzinsung weiter»
Der Bericht zeige klar, dass es den Pensionskassen gut gehe und die Versicherer am meisten von den Kapitalerträgen profitierten: «Trotz steigenden Zinsen geben sie den angeschlossenen Arbeitnehmenden eine skandalös tiefe Verzinsung weiter.»
Die Gewerkschaften verlangen nun höhere Pensionskassenrenten und einen Teuerungsausgleich für Rentnerinnen und Rentner. Doch zuvor gelte es, die vom Parlament verabschiedete BVG-Vorlage mittels Referendum zu verhindern. Mit dieser soll unter anderem der Umwandlungssatz von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden.
Die Aufsichtskommission schreibt in ihrem Bericht dazu: Die Umverteilungsphase zulasten der aktiven Versicherten sei zu ihrem Ende gekommen. Doch dies gelte nicht für die BVG-Minimalkassen – also jene, die nur das gesetzliche Minimum versichern. Diese könnten erst durch die BVG-Reform ein Leistungsniveau ohne Umverteilung finanzieren.