Amüsantes aus der Session: Antike Methoden schlagen Technik
Auch ausserhalb des Bundeshauses scheitern National- und Ständerat manchmal schlicht an sich selbst. Rückblick auf ein paar Schmankerl der ersten Sessionswoche.
Das Wichtigste in Kürze
- Die erste Woche der regulären, aber extern stattfindenden Session bot auch Amüsantes.
- Ein Ordnungsantrag scheiterte beinahe daran, dass er technisch in London steckenblieb.
- Meist konnten die Parlamentarier auch über sich selbst lachen.
Es war eine Herkulesarbeit: Innert weniger Wochen mussten die Hallen der Bernexpo in ein Parlament umgemodelt werden. Inklusive Licht, Ton, Schalldämpfung, Blumenarrangements, Liveübetragung, Zugangskontrollen, Catering, Medienarbeitsplätzen, Desinfektions-Heldinnen und Abstimmungsanlage.
Letztere wurde nach der Sondersession im Mai auch noch aufgerüstet und kann nun das Abstimmungsverhalten auch visualisieren. Nur die Parlamentarier sind immer noch die gleichen geblieben. Sie scheitern weiterhin an sich selbst und können auch über sich selbst lachen. Oder sie scheitern an der Technik und entdecken deshalb antike Methoden wieder neu: Das Schreiben von Hand.
Ordnungsantrag, zuletzt in London gesichtet
So geschehen im Ständerat am Mittwochmorgen, als Ständeratspräsident Hans Stöckli die Debatte zum Geschäft Nummer 20.3023 zu eröffnen versuchte. Es gebe scheint’s einen Ordnungsantrag, wo denn der sei? «Er ist jetzt in London? Aber er wird kommen?»
Nein, er kam nicht, denn SP-Ständerat Carlo Sommaruga hatte die technischen Probleme mit seinem Laptop immer noch nicht gelöst. Obwohl von der gleichen Partei bleibt Stöckli überkorrekt: Er brauche ein Papier in der Hand. Dem irritierten Ständerat Daniel Jositsch, ebenfalls SP, untersagt er, zum Ordnungsantrag Stellung zu nehmen: «Wir haben das so abgemacht!»
«Carlo! Von Hand!»
Jositsch, immerhin Professor der Rechtswissenschaften, ist aufgeschmissen, denn Geschäft Nummer 20.3023 ist seine Motion und er will zum Ordnungsantrag sprechen. Als Jurist weiss er aber auch: Es muss nicht aus dem Laserdrucker kommen, um legal zu sein. Rechtsanwalt Stöckli lässt Gnade walten, worauf Strafrechtsprofessor Jositsch dem Kollegen Sommaruga zuruft: «Carlo, à main!»
Dieser gibt zu, obwohl ebenfalls Anwalt, soeben Neuland betreten zu haben und reicht seinen Antrag… handschriftlich ein. Innert weniger Sekunden ist das minutenlange Chaos und Kopfzerbrechen gelöst. Fortsetzung der Debatte, sowohl Ordnungsantrag wie Motion werden abgelehnt – es wäre um die «Einführung obligatorischer Videoüberwachungen in Schlachtbetrieben» gegangen. Die von den drei SP-Juristen dargebotene Real-Satire hingegen, die geht ja auf keine Kuhhaut.
Sturzbetrunken oder vollgekifft?
Für Schmunzler sorgte in der Debatte um die Cannabis-Pilotversuche auch GLP-Nationalrat Jörg Mäder. Mit seinen zum Rossschwanz gebundenen langen Haaren entspricht er noch am ehesten dem Klischee des Freunds bewusstseinserweiternder Substanzen.
Doch redete er zunächst einmal Klartext: Alkohol trinkt er keinen, schlicht weil er ihn grusig findet. Vom Kiffen hält er auch nicht gerade viel. Doch vor die Wahl gestellt, neben einem Sturzbetrunken oder einem Vollbekifften zu sitzen, hat er eine wohlbegründete Präferenz (siehe Video).
Die eigene Partei vergessen
Gerade noch retten konnte sich SP-Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel. Voller Verve im Einsatz zugunsten der Pandemiebetroffenen, war sie in Gedanken wohl schon beim nächsten Argument. Beziehungsweise der nächsten Kritik – und flugs hatte sie die falsche Partei auf den Lippen. Es macht im Video den Anschein, als habe sie gar auf dem Spickzettel nachschauen müssen, in welcher Partei sie nun schon wieder sei.
A propos eingangs erwähnter Abstimmungsanlage: Deren neue Funktionen mussten natürlich zuerst noch getestet werden. Ständeratspräsident Hans Stöckli oblag es, aus dieser banalen Formalie doch noch wieder ein Cabaret zu machen. Nach den Erläuterungen von Ratssekretärin Martina Buol vermasselte er die Testfrage und musste erneut aufgeklärt werden: «Wie? Ah, ich kann nur Ja oder Nein.»
Immerhin: Ursula Schneider Schüttel musste über sich selbst schmunzeln und improvisierte einen eleganten rhetorischen Schlenker. Jörg Mäder ist trotz seiner körperlichen Abneigung gegenüber legalen Drogen für die Änderung im Betäubungsmittelgesetz. Und Hans Stöckli ist hocherfreut: «Ah, wunderbar, der Zeitbalken… der Präsident kann auch mitstimmen… sie haben diese Fantasieabstimmung erfolgreich bestanden!»