Baume-Schneider will Turboverfahren für Asylsuchende aus Nordafrika
Elisabeth Baume-Schneider steht wegen ihrer Handhabung im Migrationsbereich in der Kritik. Jetzt sollen Schnellverfahren rechte Verschärfungsvorschläge kontern.
Das Wichtigste in Kürze
- Das Asylwesen ist am Anschlag – deshalb steht Elisabeth Baume-Schneider in der Kritik.
- Jetzt will die Justizministerin Schnellverfahren für Asylsuchende aus Nordafrika anbahnen.
- In Zürich ist ein Pilotversuch angelaufen: Davon erhofft sich das SEM eine Signalwirkung.
Das Schweizer Asylwesen ist am Anschlag: Alleine im Oktober wurden hierzulande 3515 Asylgesuche registriert – rund 300 mehr als im Oktober 2022. Dabei gehören sichere Staaten wie die Türkei, Algerien oder Marokko zu den wichtigsten Herkunftsländern.
Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider steht deshalb unter Druck: Insbesondere bürgerliche Politiker werfen der Sozialdemokratin vor, in ihrem wichtigsten Dossier sprichwörtlich den Kopf in den Sand zu stecken.
Baume-Schneider will Schnellverfahren einführen
Jetzt sollen Schnellverfahren eingeführt werden, um Kritik und Verschärfungsvorschläge von rechter Seite zu kontern: Gegenüber dem «Tagesanzeiger» bestätigt das Staatssekretariat für Migration (SEM), dass ein entsprechender Pilotversuch letzte Woche in Zürich angelaufen ist.
Das Schnellverfahren zielt darauf ab, Gesuche von Migranten aus Marokko, Algerien, Tunesien und Libyen innerhalb von 24 Stunden zu bearbeiten. Denn Nordafrikaner machen im laufenden Jahr rund 22 Prozent aller Asylgesuche aus. Dies, obwohl weniger als zwei Prozent der Ankömmlinge aus Marokko, Algerien und Tunesien Anrecht auf Asyl haben. In diesem Fall spricht man von Ländern mit einer tiefen Schutzquote.
Obwohl diese Menschen in ihre Herkunftsländer oder einen anderen Dublin-Staat zurückgeschickt werden, sorgen sie in den Kantonen für Unmut: Bis zu ihrer Rückkehr besetzen sie Plätze in Asylunterkünften – Plätze, die derzeit ohnehin Mangelware sind.
Signalwirkung auf Personen ohne Schutzanspruch?
Dass auch Libyen auf der Liste der Staaten für das Schnellverfahren zu finden ist, erklärt das SEM mit Täuschungsversuchen: Da rund 10 Prozent der Asylgesuche aus Libyen angenommen werden, geben viele Menschen aus ganz Nordafrika Libyen als Herkunftsland an.
Deshalb soll künftig auch die tatsächliche Herkunft innerhalb von 24 Stunden geklärt werden – mittels Analysegesprächen. Ohnehin versichert das SEM gegenüber dem «Tagesanzeiger», dass auch das Schnellverfahren rechtsstaatlich korrekt und fair durchgeführt werde.
Die Behörden hoffen, dass das Schnellverfahren dazu führt, dass weniger Nordafrikaner überhaupt ein Asylgesuch in der Schweiz stellen. In diesem Zusammenhang spricht das SEM von einer «Signalwirkung» auf Personen, die nicht auf Schutz angewiesen sind.
Alter Wein in neuen Schläuchen
Schnellverfahren im Asylbereich stellen keineswegs eine Neuheit dar: Bereits seit 2012 wurden Gesuche aus Nordafrika zuerst im 48-Stunden-Verfahren, danach im sogenannten Fast-Track-Verfahren behandelt. Faktisch dauern aber auch diese Verfahren deutlich länger als 48 Stunden – insbesondere die Papierbeschaffung im Herkunftsland beansprucht viel Zeit.
Seit der Asylreform 2019 werden Gesuche von Menschen aus Ländern mit einer niedrigen Schutzquote prioritär behandelt: Im sogenannten «beschleunigten Verfahren» dauert dies durchschnittlich 90 Tage. Gegenüber dem «Tagesanzeiger» erklärt das SEM, dass das 24-Stunden-Verfahren als Weiterentwicklung davon zu verstehen sei.
Ein zahnloser Papiertiger?
Erfahrungsgemäss hielten rasche Asylentscheide Personen aus sicheren Herkunftsstaaten «in vielen Fällen» davon ab, ein Gesuch zu stellen, behauptet das SEM. Beziffern lässt sich diese Behauptung allerdings nicht.
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) zweifelt jedoch an dieser plakatierten Signalwirkung: Hauptfaktoren für die Wahl des Ziellandes seien nicht die Asylverfahren der jeweiligen Länder. Stattdessen seien Faktoren wie Familienangehörige, Gemeinschaften, und sprachliche oder kulturelle Nähe entscheidend.
Entsprechend steht der Dachverband dem Schnellverfahren kritisch gegenüber: Die SFH ist überzeugt, dass die Anträge schon heute schnell genug behandelt würden. Eine Verkürzung der Bearbeitungszeit könne hingegen dazu führen, dass Asylgründe nicht ausreichend abgeklärt werden, wie sie gegenüber dem «Tagesanzeiger» erklärt.