Berset: Wenn Contact Tracing versagt, drohen regionale Lockdowns
Das Wichtigste in Kürze
- Bundesrat Alain Berset warnt vor regionalen Lockdowns.
- Es sei unabdinglich, dass beim Contact Tracing korrekte Angaben gemacht würden.
- Versage das Tracing, müssten Kantone «eine Schliessung im breiten Sinn entscheiden».
Die Fallkurve zieht an: Erstmals meldet das BAG wieder über 500 positive Fälle mit Coronavirus. Gleichzeitig verschärft der Bundesrat auch die Quarantäne-Vorschriften: Neu sind mit Frankreich und Österreich auch Nachbarländer betroffen. Allerdings differenziert der Bundesrat auch, denn Grenzregionen erhalten quasi einen Sonderstatus. So sind das Tirol oder das Elsass nicht auf der Quarantäne-Liste, Wien und Paris aber schon.
Anreiz für Falschangaben?
Eine flächendeckende Kontrolle, wer aus welcher Region in die Schweiz einreist, sei schlicht nicht machbar, gibt Gesundheitsminister Alain Berset zu. Man ist auf korrekte Angaben der Reisenden angewiesen. Einige Schlaumeier, die sich vor der Quarantäne drücken wollen, könnten allenfalls im Nachhinein wegen dem Contact Tracing auffliegen. Umgekehrt hätte dies eventuell zur Folge, dass Betroffene auch beim Contact Tracing falsche Angaben machen.
Solche Erwägungen hört Berset überhaupt nicht gerne. In der heutigen Medienkonferenz darauf angesprochen, steigert er sich in eine energische landesväterliche Ermahnung. Bis hin zur Feststellung: Wenn das Contact Tracing nicht mehr funktioniert, dann haben wir dann wirklich ein Problem. Und zwar für alle, nicht für wenige.
Eigenverantwortung ist auch Solidarität
Berset appelliert an das Pflichtgefühl. Korrekte Angaben bei der Einreise zu machen sei eine Pflicht, genauso wie gegenüber dem Contact-Tracer. «Wir müssen alle Daten angeben, damit wir wirklich das im Griff haben können.»
«Die Alternative zum Tracing ist bekannt, oder?», fragt Berset rhetorisch. Dann seien wir wieder am gleichen Punkt wie im März, «und das wollen wir nicht mehr erleben». So gesehen habe die Eigenverantwortung, üblicherweise ein Schlagwort bürgerlicher Politiker, eine Verbindung zur Solidarität, dem Lieblingskonzept der Linken.
Regionale Lockdowns
Das März-Szenario müsse dabei nicht zwingend für die gesamte Schweiz eintreten. Was wie eine Relativierung tönt, ist eigentlich das Gegenteil: Die Drohung von regionalen Lockdowns. «Ein Kanton, der heute das Contact Tracing verlieren würde, sollte dann auf kantonaler Ebene eine Schliessung im breiten Sinn entscheiden. Und niemand will das.»
Die Menschen sollten sich wirklich «mal an die Regeln halten», betont ein leicht gereizter Gesundheitsminister. Mit der jetzigen Situation könne man leben: «Die Kinos sind offen, wir können im Restaurant essen. Es gibt einigermassen eine Entwicklung die gut und die möglich ist. Wir wollen, dass es so weitergeht, aber dafür ist es nötig, dass die Leute auch mitmachen.»
Juristische Konsequenzen
Für die Frage, ob es strafrechtlich relevant sei, wenn sich jemand um korrekte Angaben drückt, verweist Berset an den Experten. Michael Gerber, stellvertretender Leiter der Abteilung Recht im BAG, bestätigt, was Berset antönt.
Gemäss Epidemiengesetz bestehe eine Mitwirkungspflicht, auch für Personen, die nur schon potentiell ansteckungsverdächtig sind, so Gerber. Eine Vernachlässigung der Pflicht oder eine fehlende Meldung sind grundsätzlich strafbar und können eine Busse zur Folge haben.
Bundesrat Berset hofft indes, dass möglichst wenige Personen überhaupt in ein solch seelisches Dilemma geraten. Dass nämlich idealerweise sich gar niemand überlegen muss, ob er jetzt ehrlich oder bequem sein soll. In Bersets Worten: «Die Quarantänepflicht wird auch die Lust, in diese Regionen in die Ferien zu gehen, reduzieren. Das ist – auch – das Ziel.»