Die Schweiz tue viel zu wenig bei der Blockierung von Vermögen russischer Oligarchen, klagt die G7. Zeichen der Frustration? Ein Kommentar.
G7 und EU
G7 und EU - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die G7-Staaten haben dem Bundesrat einen undiplomatischen Brief geschrieben.
  • Darin wird die Schweiz aufgefordert, mehr in Sachen Sperrung von Oligarchengeldern zu tun.
  • Das ist für die Schweiz sowohl blamabel wie auch ehrenvoll. Ein Kommentar.
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Es ist nicht mehr sehr diplomatisch, was die Botschafter der G7-Staaten und der EU dem Bundesrat schriftlich mitteilen. Es sei zu vermuten, dass die Schweiz längst nicht alle Vermögen russischer Oligarchen eingefroren habe – trotz der 7,5 Milliarden Franken, die bereits auf Schweizer Banken auf Eis liegen. Ausserdem sei die Schweiz jetzt nicht gerade eben kooperativ bei der Suche weiterer Vermögen. Welche es eben sehr wahrscheinlich gebe.

Einmal mehr Schweiz-Bashing

Mit der kleinen Schweiz kann man das ja machen. Die G7 plus EU vertreten rund die Hälfte der Weltwirtschaft, abgesehen von drei Atommächten und drei Nachbarländern. Angeblich machen wir ja immer alles falsch, oder zumindest nicht so, wie die westlichen Staaten es gerne hätten. Immer diese Schweizer mit ihrer Neutralität, Bankgeheimnis und anderen Extrawürsten.

Ausschnitt Brief G7
Ein Ausschnitt aus dem Brief an den Bundesrat.
Ausschnitt Brief G7
Ein Ausschnitt aus dem Brief an den Bundesrat.
Ausschnitt Brief G7
Ein Ausschnitt aus dem Brief an den Bundesrat.

Wenn man am längeren Hebel sitzt, kann man bequem mit einem Bashing eines notorischen Kleinstaats von den eigenen Unzulänglichkeiten ablenken. Immerhin hat die viel grössere EU nur etwa dreimal so viele Milliarden russischer Oligarchengelder gesperrt. Grossbritannien, wo halb London russischen «Investoren» gehört, ein wenig mehr. Genau deshalb hat der Brief der G7 aber Gewicht – und die Schweiz sollte sich geehrt fühlen.

Wie sagt man Gpfrtmi auf Englisch?

Denn die G7 fordern die Schweiz zum wiederholten Male auf, in ihrer «Repo-Taskforce» mitzutun. Diese soll die Suche nach Oligarchen-Geldern koordinieren. Ausser den G7-Staaten ist lediglich Australien Mitglied, die Schweiz hätte also plötzlich einen direkten Draht zu den Wirtschaftsmächten. Es wäre ein Kontrapunkt zu den Image-Schäden durch Credit Suisse und dem Slalomkurs bei den Waffenlieferungen.

Scott Miller Botschafter USA
Scott Miller, der Botschafter der USA in der Schweiz, während seinem Statement an der Ukraine Recovery Conference, am 5. Juli 2022 in Lugano TI. - Keystone

Dass es in der Schweiz schlecht ankommt, wenn man ihr implizit vorschreibt, was zu tun ist, sollen die Botschafter der G7-Länder hingegen auch wissen. Vor allem aber der mitunterzeichnende Botschafter der EU. Dass man es trotzdem tut, zeugt schon fast von Hilflosigkeit: «Was müssen wir denn noch machen, bis ihr mal in die Gänge kommt?»

Bleibt die Schweiz ungeniert, ist der Ruf ruiniert

Warum sollte die Schweiz aber mehr tun als andere? Man könnte auch umgekehrt fragen: Warum sollte die Schweiz sich auf Paragrafenreiterei versteifen und trotzig ihr eigenes Süppchen kochen? Klar: Russland parkiert offenbar seine Milliarden am liebsten in Zypern, den Britischen Jungferninseln und in den Niederlanden. Aber: Die Schweiz ist der grösste Vermögensverwalter der Welt.

Briefkastenfirmen
Anschriften von Briefkastenfirmen an der Gersauerstrasse 78 in Brunnen, Kanton Schwyz - Keystone

Die Schätzungen russischer Vermögen in der Schweiz – nicht notwendigerweise von sanktionierten Oligarchen – gehen von 50 bis 200 Milliarden. So gesehen wäre zu vermuten, dass halt doch noch ein paar Milliarden Oligarchenfranken mehr ihrer Entdeckung harren. Gilt das auch für die USA, Singapur oder die Cayman Islands? Wahrscheinlich schon. Aber man müsste halt mal suchen, statt darauf zu setzen, dass es die Banken und Treuhänder tun.

Das soll, wohlgemerkt, kein Vorwurf an die Schweizer Finanzinstitute sein. Doch wenn die russischen Vermögen tatsächlich via ganze Serien von Strohmännern, Briefkastenfirmen und verschachtelten Firmenkonstrukten versteckt werden, muss man international miteinander reden. Statt Gesprächen haben wir jetzt einen Aufschrei und ein Reputationsrisiko für den Finanzplatz. Einmal mehr.

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