Dicke Post im Bundeshaus: G7 und EU erhöhen Druck auf die Schweiz
In einem Brief üben die Botschafter der G7-Staaten und der EU, Druck auf den Bundesrat aus: Die Schweiz müsse mehr gegen russische Oligarchengelder unternehmen.
Das Wichtigste in Kürze
- In einem Brief an den Bundesrat erheben mehrere Botschafter schwere Vorwürfe.
- Die Schweiz würde die Sanktionen gegen russische Oligarchen nur ungenügend umsetzen.
- Die Bundesverwaltung weist die «Anklage» in allen Punkten entschieden zurück.
Der «Tages-Anzeiger» berichtet von «dicker Post» – ein Brief an den Bundesrat sorgt für reichlich Aufsehen in Bern. In dem Schreiben erheben die G7-Staaten und die Europäische Union schwere Vorwürfe: Die Schweiz würde die Sanktionen gegen russische Oligarchen ungenügend umsetzen.
Der Brief trägt die Unterschriften der Botschafter von Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Italien, Japan, Kanada, der EU und der USA. Eine illustre Runde – in der «Gruppe der Sieben» koordinieren die bedeutendsten Industriestaaten der westlichen Welt ihre gemeinsame Russlandpolitik.
Lange Liste von Anschuldigungen
Während die ersten Absätze des Schreibens noch äusserst höflich und positiv formuliert sind, folgen danach zahlreiche Anschuldigungen, Verdächtigungen und Andeutungen. Unterhaltungen mit Anwaltsorganisationen und Strafverfolgungsbehörden hätten Besorgniserregendes zutage gefördert: Demnach könnten die eidgenössischen Datenschutzbestimmungen auch dazu verwendet werden, um die Spuren von «geparkten Vermögenswerten» zu verwischen.
Ferner seien die G7-Staaten besorgt, dass die Strafverfolgungsbehörden durch den Schutz der Privatsphäre daran gehindert würden, «illegale Finanzstrukturen» zu untersuchen. Danach folgt eine klare Forderung von «weiterführenden Schritten» an die Schweizer Regierung: Namentlich, um zwischen dem «Schutz der Privatsphäre bei Rechtsangelegenheiten» und dem Missbrauch derselben zum «Schutz von wirtschaftlichen Eigentümern» zu unterscheiden.
Zu wenige Oligarchengelder blockiert
In einem zweiten Schritt beschuldigen die Botschafter die Eidgenossenschaft, zu wenig russische Gelder blockiert zu haben. «Unabhängige Quellen» schätzten den Gesamtwert der russischen Vermögen auf Schweizer Bankkonten deutlich über den bisher eingefrorenen 7,5 Milliarden Franken.
Beamte des Staatssekretariats für Wirtschaft hätten festgehalten, dass sie keine Möglichkeiten hätten, Vermögenswerte von Doppelbürgern und Wohnsitzberechtigten einzufrieren. Gleiches gelte für Personen mit rechtlichen Verbindungen zu Schweizer Unternehmen und für jene, die Vermögenswerte indirekt über Firmenkonstrukte kontrollierten. Die Botschafter teilten die Besorgnis, dass «diese Schlupflöcher den Ruf der Schweiz gefährden.»
Aufforderung «Repo-Taskforce» beizutreten
Anschliessend folgt eine ganze Reihe von konkreten Handlungsoptionen, welche die Schweiz nun prüfen solle: Einerseits die aktive Untersuchung verdächtiger Finanzstrukturen und bessere Koordination unter den zuständigen Behörden. Andererseits solle die Schweiz die Ermittlungsressourcen aufstocken und weitere «Leitlinien für die Einhaltung der Vorschriften» in Betracht ziehen.
Schliesslich folgt eine direkte Aufforderung an die Schweiz, der sogenannten «Repo-Taskforce» beizutreten: «Es ist bedauerlich, dass sich die Schweiz bisher gegen eine volle Beteiligung an der Taskforce entscheiden habe», so der Brief. Die Taskforce ermögliche den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedern. Sie würde auch die Schweiz besser positionieren, um Vermögenswerte von sanktionierten Russen zu identifizieren, einzufrieren und gegebenenfalls zu enteignen.
«Repo» steht für «Russische Eliten, Stellvertreter und Oligarchen» – die Organisation wurde im März 2022 gegründet. Neben den G7-Staaten gehören auch die EU-Staaten und Australien der «Repo-Taskforce» an.
Bundesverwaltung weist Vorwürfe zurück
Wie die «NZZ» berichtet, hat der Bundesrat den Brief nun zur weiteren Prüfung an das Staatssekretariat für Wirtschaft übergeben. Wie die Landesregierung auf das Schreiben reagieren wird, ist derzeit unklar. Bereits am Dienstag hatte die Staatssekretärin für Wirtschaft ähnliche Vorwürfe vonseiten des US-amerikanischen Botschafters entschieden zurückgewiesen.
Überdies hätten die involvierten Stellen der Bundesverwaltung dem Brief in allen Punkten widersprochen, wie der «Tages-Anzeiger» weiter berichtet. Sämtliche geäusserten Vorwürfe seien nicht zutreffend. Man werde alle acht Botschafter zu einer klärenden Aussprache einladen. Schliesslich wird Bundespräsident Alain Berset das Thema im Rahmen seines Deutschland-Besuches wohl mit Bundeskanzler Olaf Scholz ansprechen.