Bund muss bei Verkehrsinfrastruktur-Vorhaben Prioritäten setzen
Nach dem Nein zu Autobahn-Ausbauprojekten muss der Bund Prioritäten beim Strassen- und Schienenausbau setzen. Verkehrsminister Rösti veranlasst eine Planung.
Nach dem Nein zu Autobahn-Ausbauten und Mehrkosten für die künftige Bahninfrastruktur muss der Bund Prioritäten setzen beim Ausbau von Strasse und Schiene. Verkehrsminister Albert Rösti veranlasst nun eine Planung über alle Verkehrsträger hinweg. Diese soll zeigen, was jetzt und was erst später gebaut werden soll.
Im November 2024 wurde bekannt, dass der bereits beschlossene Bahn-Ausbauschritt rund 14 Milliarden Franken zusätzlich kostet. Unter anderem wegen zusätzlich nötigen Projekten. Ebenfalls im November sagte das Stimmvolk Nein zu sechs Autobahn-Ausbauvorhaben.
«Dies wollen wir als Chance nutzen für die zukünftige Planung der Infrastruktur.» Dies sagte Verkehrsminister Rösti am Dienstag in Bern vor den Medien. Sein Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) lässt die geplanten Projekte für Strasse und Schiene extern überprüfen.
«Verkehr '45»
Unter Leitung von Ulrich Weidmann, ETH-Professor für Verkehrssysteme am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme, würden die Projekte analysiert und priorisiert. Dabei soll aufgezeigt werden, wie die einzelnen Projekte von Strasse und Schiene zusammenhängen. Auch die Agglomerationsprogramme werden einbezogen.
Die Ergebnisse will der Bundesrat für nächste verkehrspolitische Schritte nutzen. «Ich will wissen, was wir in den nächsten zwanzig Jahren realisieren müssen, um ein resilientes, nachhaltiges und ausreichendes Verkehrssystem bereitstellen zu können», sagte Rösti. Die gesamtheitliche Planung, in der alle Projektprogramme zusammengeführt werden sollen, trägt den Titel «Verkehr '45».
Bei den Bahn-Vorhaben würden zunächst jene rund 180 Projekte geprüft, die das Parlament beschlossen habe. Aber für die noch keine Baubewilligung vorliege, sagte Christa Hostettler, Direktorin des Bundesamtes für Verkehr (BAV). Diese Projekte würden aber weiterhin bearbeitet, um Verzögerungen zu vermeiden.
Dauerhafte Überlastung der Autobahnen: Agglomerationen leiden
Unter der Lupe sind weiter die Ausbauten der Bahnknoten Basel und Luzern, der Strecken Lausanne–Bern, Winterthur–St. Gallen und der Direktverbindung Aarau–Zürich sowie der Bau des Grimseltunnels. Und schliesslich werden auch die achtzig für die Konsolidierung des Angebotskonzepts 2035 erforderlichen Projekte geprüft.
Die im November an der Urne abgelehnten Autobahn-Ausbauvorhaben würden zuhanden kommender Generationen archiviert, sagte Jürg Röthlisberger, Direktor des Bundesamtes für Strassen (Astra). Weitergearbeitet werde indes am Sechs-Spur-Ausbau der A1 zwischen Luterbach und Härkingen im Kanton Solothurn, an der A4 zwischen Kleinandelfingen ZH und Winterthur und der Umfahrung von Le Locle NE.
Unabhängig vom Abstimmungsresultat gelte, dass die Agglomerationen unter der dauerhaften Überlastung der Autobahnen litten, sagte Röthlisberger. Eine effizientere Nutzung der vorhandenen Strassen löse dieses Problem nicht nachhaltig. «Das Rezept lautet nach wie vor, das eine zu tun und das andere nicht zu lassen.»
Priorisierung basiert auf bestehenden Grundlagen
Die Priorisierung soll auf vorhandenen Grundlagen aufbauen. Dazu gehören der Sachplan Verkehr, die Verkehrsperspektiven 2050, die Perspektive Bahn 2050 und das Angebotskonzept 2035 sowie das strategische Nationalstrassen-Entwicklungsprogramm. Eine Begleitgruppe und ein Soundingboard begleiten die Überprüfung.
In der Begleitgruppe vertreten sind die zuständigen Parlamentskommissionen, die Kantone und die SBB. Im Soundingboard mitarbeiten werden Vertreterinnen und Vertreter von Verkehrsverbänden sowie der Städte- und der Gemeindeverband.
Ergebnisse von Prüfung und Priorisierung im Herbst
Der Städteverband verlangte umgehend einen Sitz in der Begleitgruppe. Neue Planungen und Diskussionen dürften nicht an den Städten und Agglomerationen vorbeigeführt werden, schrieb er. Gut drei Viertel der Menschen lebten in urbanen Räumen, und dort würden gut achtzig Prozent der wirtschaftlichen Leistung der Schweiz erbracht.
Ergebnisse der Prüfung und Priorisierung dürften im Herbst vorliegen, wie Rösti sagte. Bis im ersten Quartal 2026 werde eine Vernehmlassung erarbeitet, und bis Ende des nächsten Jahres eine Botschaft vorliegen. Darüber entscheiden könne das Parlament im Idealfall im Jahr 2027.