Bund verzeichnet erstmals seit 2005 ein strukturelles Defizit
Für 2022 fehlen in der Bundeskasse 4,3 Milliarden Franken. Der Bundesrat will deswegen unter anderem den Rotstift beim Personal ansetzen.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bund verzeichnet erstmals seit fast 20 Jahren ein strukturelles Defizit.
- Deshalb will der Bundesrat den Rotstift ansetzen und unter anderem Personalkosten senken.
- Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg führten zu hohen ausserordentlichen Ausgaben.
Weniger eingenommen und wegen Corona mehr ausgegeben: Der Bundeshaushalt schliesst 2022 mit einem Finanzierungsdefizit von 4,3 Milliarden Franken. Damit hat er das vergangene Jahr auch mit einem höheren Defizit abgeschlossen, als konjunkturell zulässig wäre. «Die Bundesfinanzen sind in Schieflage», fasst Finanzministerin Karin Keller-Sutter an der Medienkonferenz zusammen.
Der Fehlbetrag beläuft sich auf 1,6 Milliarden Franken. Weil die Aussichten düster bleiben, muss gespart werden – laut dem Bundesrat in allen Bereichen.
Neben den höher als budgetierten ausserordentlichen Ausgaben aufgrund der Corona-Pandemie (3,3 Milliarden Franken) und des Ukraine-Kriegs (0,7 Milliarden Franken) war das Minus 2022 auch im ordentlichen Haushalt viel höher als veranschlagt. Ein Grund waren deutlich tiefere Einnahmen aus der Verrechnungssteuer, wie der Bundesrat am Mittwoch mitteilte.
Das strukturelle Defizit belastet das sogenannte Ausgleichskonto. Da dieses aber einen positiven Stand aufweist, kommt die Sanktionsregel der Schuldenbremse nicht zum Tragen, wonach ein Fehlbetrag in den Folgejahren mit Ausgabekürzungen kompensiert werden muss.
Milliardendefizite drohen auch in den kommenden Jahren
Für 2024 und die Folgejahre drohen dem Bund weitere Milliardendefizite. Deshalb sollen einerseits die schwach gebundenen Ausgaben um 2 Prozent gekürzt werden. Das entspricht rund 500 Millionen Franken. Laut Bundesrat sind davon neben den Personalkosten Bereiche wie die internationale Zusammenarbeit, Kultur, Landwirtschaft und Umwelt betroffen.
Im stark gebundenen Bereich (soziale Wohlfahrt, Finanzen und Steuern, Verkehr) hat sich der Bundesrat zum Ziel gesetzt, die Finanzpläne ab 2025 um 600 Millionen bis einer Milliarde Franken pro Jahr zu entlasten. Bis Ende März sollen konkrete Massnahmen geprüft werden.
Bundesrat will gut gefüllte Fonds anzapfen
So soll ein Teil des Vermögens der Arbeitslosenversicherung zugunsten des Bundes genutzt werden. Diese Massnahme sei ohne Leistungsabbau möglich, so Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Auch die Einlage des Bundes in den Bahninfrastrukturfonds könnte gekürzt werden, ohne den Ausbau oder Betrieb der Bahninfrastruktur zu gefährden, da die Reserve des Fonds sehr hoch ist.
Weiter soll geprüft werden, die vom Parlament erarbeitete Vorlage zur Subventionierung der familienexternen Kinderbetreuung teilweise mit einer Kürzung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer gegenzufinanzieren.
Die grösste Bundesausgabe bildet die AHV. Darum sollen laut dem Bundesrat auch in diesem Bereich Massnahmen geprüft werden. Im Vordergrund stehen hier Anpassungen bei der heutigen Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern, die nach einem Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshof ohnehin beseitigt werden muss.
«Die Bereinigung wird kein Spaziergang», so Bundesrätin Keller-Sutter an der Medienkonferenz. Sie appelliert auch an das Parlament, in der Ausgabenpolitik Zurückhaltung zu üben, um die Defizite nicht weiter anschwellen zu lassen. Es sei «weiterhin grosse ausgabenpolitische Disziplin angezeigt».
Keller-Sutter betont die Wichtigkeit der Schuldenbremse, etwa um Krisen wie die Corona-Pandemie zu überstehen. «Wir haben hier einen Trumpf in der Hand – und der Bundesrat wird diesen Trumpf verteidigen», kommentiert die Finanzministerin Bestrebungen aus dem Parlament, die Schuldenbremse aufzuweichen.