Bundesamt für Gesundheit: «Modell Daniel Koch» am Ende?

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Das BAG reorganisiert seine Pandemie-Personalien. Ein Eingeständnis früherer Fehler? Der Ex-BAG-Sprecher, PR-Profi und BDP-Nationalrat Lorenz Hess im Interview.

BDP
BDP-Politiker Lorenz Hess im Interview mit Nau.ch. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Vier Frauen werden neu «Mr. Corona» im BAG, zusätzlich zu ihren bisherigen Aufgaben.
  • Geht das auf oder ist das eine Notlösung mangels einer Figur wie Daniel Koch?
  • BDP-Nationalrat Lorenz Hess begrüsst das Vorgehen, fordert aber eine langfristige Planung.

Im März 2020 wurden Medienkonferenzen mit dem Leiter der Abteilung Übertragbare Krankheiten des BAG alltäglich. Daniel Koch war omnipräsent, sein Chef, BAG-Direktor Pascal Strupler, rückte in den Hintergrund.

Bei Kochs Nachfolger Stefan Kuster läuft es nun anders. Er zieht sich zurück, seine Pandemie-Aufgaben werden auf verschiedene Schultern verteilt. Eine gute Strategie oder ein erneuter Hüftschuss eines pandemie-gestressten Bundesamts? Nau.ch hat mit BDP-Nationalrat Lorenz Hess gesprochen. Der Gesundheitspolitiker und PR-Unternehmer war in jüngeren Jahren selbst Kommunikations-Chef beim BAG.

Bundesamt für Gesundheit EFK
Das 2015 bezogene neue Hauptgebäude des Bundesamts für Gesundheit auf dem Campus Liebefeld in Köniz im Sonnenuntergang. - BAG

Nau.ch: Herr Hess, vor der Pensionierung von Daniel Koch hatten wir eine One-Man-Show. Jetzt scheint das BAG etwas überhastet eine Reorganisation vorgenommen zu haben bei den Aufgaben, die wegen dem Coronavirus angefallen sind. Wie beurteilen Sie diese Neuerungen?

Lorenz Hess: Die fachliche, operative Arbeit auf mehrere Personen zu verteilen, macht Sinn. Die Lasten sind verteilt und man hat auch kein Klumpenrisiko. Denn abgesehen von Covid-19 muss die restliche Arbeit ja genau so weiterlaufen. Man weiss ja nicht wie lange die Krise noch geht.

Demgegenüber wäre es aber gut, wenn man die Kommunikation eher bündeln würde. Mit Herrn Koch hat es sich zufälligerweise getroffen, dass er auch ein Flair für die Medienarbeit hatte. Aber man kann nicht generell darauf hoffen, dass ein Fachmann zufälligerweise alles abdeckt.

Daniel Koch Medien
Daniel Koch, Delegierter des Bundesamt für Gesundheit (BAG) für die Coronavirus-Pandemie, verabschiedet sich von den Medien und wird pensioniert, am Donnerstag, 28. Mai 2020, in Bern. - Keystone

Nau.ch: Hoffen nicht, aber darauf hinarbeiten. Einfordern, schulen – Medienarbeit ist halt heutzutage Teil des Geschäfts.

Lorenz Hess: Ein Amt hat einen Direktor und einen Stellvertreter und eine Kommunikationsabteilung. In Krisen ist es nie schlecht, wenn man eine Identifikationsfigur hat.

Nau.ch: Ist das ein Seitenhieb an den abtretenden BAG-Direktor Pascal Strupler? Er hat wohl die Bühne nur zu gerne seinem Untergebenen Daniel Koch überlassen.

Coronavirus BAG
Pascal Strupler, Direktor BAG, rechts, spricht an der Seite von Daniel Koch, Leiter Abteilung übertragbare Krankheiten, BAG, links, während einer Medienkonferenz über die Situation des neuen Coronavirus. - Keystone

Lorenz Hess: Nein, das ist keine Kritik an Pascal Strupler. Damals hat das gepasst auf die Situation und auf die Typen. Wenn man schon eine solche Konstellation hat, dann soll man diese auch nutzen. Weil es diese Mischung nicht mehr gibt, ist das Modell auch durch.

Nau.ch: Im neuen Modell sind je nach Betrachtungsweise drei bis fünf Personen zuständig. Wenn man die Kommunikation also bündeln wollte, wie Sie dies fordern, soll dann einfach der Mediensprecher hinstehen?

Lorenz Hess: Wenn Sie an eine Medienkonferenz gehen, wollen Sie die Fachfrau fragen können, nicht die Kommunikationsabteilung. Man kommt nicht darum herum, dass jemand Auftritte nicht gerade kategorisch ablehnt.

Stefan Kuster BAG
Stefan Kuster, Leiter Abteilung Übertragbare Krankheiten im BAG, spricht während einer Medienkonferenz des Bundesrates zur aktuellen Lage im Zusammenhang mit dem Coronavirus, am Freitag, 11. September 2020 in Bern. - Keystone

Nau.ch: Mit der Verteilung der Aufgaben haben jetzt diverse Leute zusätzlich zu ihren bereits anspruchsvollen Aufgaben zusätzlich eine Corona-Aufgabe am Hals. Das kann ja aber auch nicht die Lösung sein.

Lorenz Hess: Die Aufgabe muss jetzt sein, dass man sich mit der Umstrukturierung darauf einstellt, dass sie auf längere Sicht so durchgezogen werden kann. Das gibt vielleicht Stellenveränderungen, Änderungen im Pflichtenheft und so weiter. Aber man muss sich darauf einstellen, dass es länger dauert.

Coronavirus Schweiz
Die aktuellsten Zahlen in der Schweiz vom 25. September: 6’831 aktive Coronavirus Fälle, 372 Neuinfizierte. - worldometers.info

Nau.ch: Ob kürzer oder länger: Es war ja absehbar, dass eine Krise personelle Ressourcen brauchen wird. Ob das nun eine Pandemie, eine Strommangellage oder eine Naturkatastrophe ist. Gegenwärtig wirkt im BAG vieles etwas improvisiert. Brauchen die betroffenen Bundesämter nicht schon im Voraus einen Plan für organisatorische Massnahmen in Notlagen?

Lorenz Hess: Das ist sicher möglich und eventuell ja auch schon angedacht. Zwei, drei Personen per sofort aus dem Tagesgeschäft zu reissen, das geht sicher nicht. Das liegt auf der Hand, dass Überlegungen in diese Richtung gehen müssen.

Ich gehe aber davon aus, dass solche Szenarien bereits bestehen. Die Krisenstäbe sind jedenfalls da, die arbeiten auch bereichsübergreifend. Die Durchhaltefähigkeit ist dann halt das Problem.

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Virginie Masserey, Andrea Arz de Falco, Anne Lévy und Christine Kopp (von links) kontrollieren künftig die Schlüsselpositionen im Bundesamt für Gesundheit. - Keystone

Nau.ch: Nach dem Abgang der Herren Koch und Kuster gab es die Forderung, es könne durchaus auch mal eine Frau sein. Jetzt übernehmen die Frauen tatsächlich das Zepter. Mit der neuen Amtsdirektorin Anne Lévy, den beiden bereits jetzt im BAG tätigen Virginie Masserey und Andrea Arz de Falco sowie dem Neuzugang Christine Kopp wird Corona Frauensache. Gemäss einer internationalen Studie sollen Frauen besser agiert haben bei der Pandemie-Bewältigung…

Lorenz Hess: Bei allem Verständnis für die Genderfragen: Hier habe ich jetzt schon sehr das Gefühl, dass dies in den Hintergrund rücken muss. Wenn einmal das Fachliche vor dem Geschlechtlichen kommen sollte, dann hier. Ich glaube, gerade beim Bund ist man sensibel genug, auf den Frauenanteil zu achten. Insofern ist überhaupt nichts Besonderes daran, dass jetzt primär Frauen am Drücker sind.

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