Bundesrat Ignazio Cassis rechtfertigt Impfung des Bundesrates
Mitte Januar liessen sich einige Bundesräte ohne Wissen der Öffentlichkeit gegen das Coronavirus Impfen. Bundesrat Ignazio Cassis nimmt Stellung.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Nachricht der Corona-Impfung einiger Bundesräte sorgte Mitte Januar für Wirbel.
- Bundesrat und ehemaliger Tessiner Kantonsarzt Ignazio Cassis rechtfertigt die Impfungen.
- Demnach sei die Aktion eine Massnahme zur Sicherung der Krisenführung der Schweiz gewesen.
Bei der Corona-Impfung des Bundesrates ist es laut Bundesrat Ignazio Cassis darum gegangen, die Krisenführung der Schweiz zu sichern. Der Bundesrat habe dabei bewusst auf eine mediale Aktion verzichtet, betonte Cassis in einem Interview mit den CH-Media-Zeitungen.
Ab Mitte Januar hatten erste Bundesräte, ohne dass darüber zuvor informiert worden war, eine Covid-Impfung erhalten. Kritik in der Öffentlichkeit wurde insbesondere laut, weil keiner der Bundesräte über 75 Jahre alt ist.
«Wir haben nur sieben Minister, nicht 21 wie andere Länder», verteidigte Cassis die Impfung des Bundesrates. «Würden plötzlich vier Bundesräte krank und zwei davon wären nicht arbeitsfähig, wäre nicht einmal ihre Vertretung gesichert.» Es sei enorm wichtig, dass die Führung des Landes in solchen Zeiten garantiert sei. Man habe zudem zugewartet bis der zweite Impfstoff zugelassen gewesen sei.
Der ehemalige Tessiner Kantonsarzt betonte, dass er die Diskussion um die Indikatoren in den Bundesrat eingebracht habe. Gemeint ist der R-Wert und die epidemiologische Kurve. Er kenne sich aufgrund seines beruflichen Hintergrunds da «wahrscheinlich ein bisschen besser aus» als seine Kolleginnen und Kollegen.
Bundesrat Ignazio Cassis: Schweizer Weg nicht gescheitert
Die Schweizer Coronapolitik sei nicht gescheitert. Aber in einer Krise dieses Ausmasses komme die Eigenverantwortung an ihre Grenze. «Der Liberalismus hingegen wird meines Erachtens sogar gestärkt», so Cassis.
Bis zur Krise hätten viele geglaubt, es sei normal ins Ausland zu reisen oder zuhause zu machen, was man wolle. Inzwischen habe man gelernt, dass das so nicht stimme und man immer für die Freiheit kämpfen müsse, erklärt der Bundesrat.
Jetzt, da die Virusmutationen für grosse Unsicherheit sorgten, sei es aber nicht mehr möglich, gleichzeitig Freiheit und Leben zu schützen. Es bestehe die Gefahr einer dritten Welle. In dieser Situation habe man den Schutz des Lebens allem voranstellen müssen.
Bundesrat Ignazio Cassis wurde auch auf die im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hohe Zahl an Todesopfern in der zweiten Welle angesprochen. Er erklärte, dass man darauf nicht stolz sein könne. «Die Situation verlangt grosse Demut und Flexibilität im Krisenmanagement», so Bundesrat Ignazio Cassis.
Die Gesamtmortalität sei der vielleicht solideste und wichtigste Indikator für den Verlauf einer Epidemie. Man werde aber erst am Ende der Krise bewerten können, ob die Massnahmen erfolgreich gewesen seien oder nicht. Es sei gut möglich, dass andere Staaten später eine höhere Übersterblichkeit haben würden als die Schweiz derzeit. Die Medizingeschichte zeige, dass wohl erst in drei bis fünf Jahren gesicherte und analysierte Zahlen zur Verfügung stünden.