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Bundesrat kupfert Ausstiegs-Plan bei Economiesuisse ab

Stolz präsentierte der Bundesrat seinen Ausstiegsplan aus der Pandemie. Die Kopplung an den Impf-Fortschritt und die «Phasen» stammen aber aus anderer Feder.

Economiesuisse Bundesrat Coronavirus Phasenmodell
Der Ausstiegsplan des Bundesrats soll in «Phasen» vonstatten gehen – Economiesuisse hat diese Idee bereits im Februar präsentiert. - Keystone/Screenshot SRF/Economiesuisse

Das Wichtigste in Kürze

  • Den 3-Phasen-Plan für Lockerungsmassnahmen hat der Bundesrat Mitte April präsentiert.
  • Nur: Dieser sieht dem viel älteren Vorschlag von Economiesuisse zum Verwechseln ähnlich.
  • Chefökonom Rudolf Minsch bestätigt, man sei glücklich, dass der Bund «auch so weit» sei.

«Isch mini Idee gsii!» Das sagt sonst eigentlich nur Radio-Pionier R. S. aus Z. Ein Bündner wie der Chefökonom des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, Rudolf Minsch, formuliert das viel subtiler.

Aber dafür hat er auch etwas mehr als das Lokalradio «erfunden»: Minsch lässt in der SRF-Sendung «Club» durchblicken, dem Bundesrat den 3-Phasen-Plan eingeflüstert zu haben.

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Rudolf Minsch, Chefökonom bei Economiesuisse, spricht über die Rolle seines Verbands bei der Erarbeitung des Ausstiegs-Plans. - SRF

Mit anderen Worten: Zwar hat die Schweiz gespannt auf die Enthüllung der Öffnungsstrategie des Bundes gewartet. Aber der Plan soll schon seit Monaten auf dem Tisch gelegen haben – für alle sichtbar.

Wirtschaftslobby setzt Corona-Strategie durch

«Wir haben Vorarbeiten gemacht, wie so ein 3-Phasen-Modell überhaupt aussehen könnte», meint Minsch auf eine Frage von Moderatorin Barbara Lüthi. Vorarbeiten sind auch eine viel positivere Formulierung als «unter Druck setzen».

Tatsächlich hatten Economiesuisse und Arbeitgeberverband Mitte Februar, am Namenstag von Arbeitgeber-Präsident Valentin Vogt, ihre Forderungen präsentiert. Einen Paradigmenwechsel brauche es, mehr Eigenverantwortung, mehr Menschen, die immun gegen das Coronavirus sind.

Restaurant Terrasse Luzern
Das Personal des Café und Restaurant Mill'Feuille am Mühlenplatz in der Altstadt von Luzern rüstet sich am Sonntag 18. April 2021 für die Wiedereröffnung der Restaurant Terrassen am Montag. - sda - KEYSTONE/URS FLUEELER

«Wir haben Mitte Februar diese Überlegungen gemacht, Mitte April war man auch beim Bundesrat so weit und hat es verabschiedet.» Ob Economiesuisse also den jetzt gültigen Plan erfunden habe, lässt Minsch unbeantwortet. Aber: «Wir sind natürlich sehr happy über den Entscheid.»

3 oder 4 Phasen, das ist die Frage

In den sozialen Medien sorgen die Äusserungen für heftige Diskussionen. Vor allem Befürworter eines längerdauernden Lockdowns werfen dem Bundesrat vor, er habe sich instrumentalisieren lassen. Minsch selbst betont auf Anfrage von Nau.ch, dass der Bundesrat mit den verbindlichen Schritten ein Mindestmass an Planungssicherheit schaffe. «Wenn er sich dabei in wesentlichen Punkten an unseren Vorarbeiten orientiert hat, freut uns das natürlich sehr.

Parmelin Economiesuisse Phasen Tweets
Bundespräsident Guy Parmelin blickt aus dem Fenster an einem Point de Presse über die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Zürcher Wirtschaft, den Flughafen und den Tourismus, am 15. April 2021 auf dem Flughafen in Zürich. Twitter-User kritisieren derweil die Ähnlichkeit der Bundesrats-Pläne mit dem Phasen-Modell von Economiesuisse. - Keystone / Screenshot Twitter

Nur: Hat der Bundesrat tatsächlich das Konzept der Wirtschaftsverbände übernommen? Dagegen spricht zunächst, dass dieses vier Phasen beschreibt, der Bundesrat aber lediglich mit deren drei arbeitet.

Bei näherer Betrachtung sind die Unterschiede aber rein kosmetisch, das Resultat am Ende faktisch dasselbe. Die Phasenverschiebung rührt hauptsächlich daher, dass die Wirtschafts-Mustervorlage bereits Anfang März ansetzt, der Bundesrat anderthalb Monate später.

Niederwangen Bauhaus Schlange
Rund 60 Personen warten vor der Bauhaus-Filiale in Niederwangen BE auf Einlass. - sda - Christian Zingg

In der «Schutzphase» genannten ersten Phase des Bundes öffnet Economiesuisse die Restaurant-Terrassen (erfüllt) und Läden (erfüllt). Die 5er-Regel fällt (erfüllt) und die Testkapazitäten werden hochgefahren (erfüllt). Diese Phase dauert, bis die Risikogruppen geimpft sind (Übereinstimmung).

In der «Stabilisierungsphase» werden Restaurants geöffnet (in beiden Plänen) sowie Massnahmen bei Sport und Freizeit gelockert (beide). Die Fallzahlen dürfen auch höher steigen, sagt der Bundesrat. Denn die Menschen würden dann eigenverantwortlich ihre Aktivitäten einschränken, glaubt auch Economiesuisse. Diese Phase dauert, bis alle Impfwilligen geimpft sind, ist man sich wiederum einig.

CORONA-IMPFUNG IMPFZENTRUM Montreux
Eine Pflegende impft eine Person mit dem Moderna-Impfstoff gegen das Coronavirus, im Impfzentrum im Montreux Music & Convention Centre (2M2C) in Montreux VD. - Keystone

In der «Normalisierungsphase» fallen alle Einschränkungen dahin, fordert Economiesuisse – und plant der Bundesrat. Allerdings nur für solche, die immun sind, weshalb es einen Impfausweis brauche, fordert Economiesuisse. Weshalb der Bund das Covid-Zertifikat erarbeitet, das Genesene, Getestete und Geimpfte erfasst.

Wer hats erfunden?

Hat der Bundesrat, beziehungsweise die wirtschaftsorientiere Mehrheit der Landesregierung, schlicht bei den Wirtschaftsverbänden abgeschrieben? Die Antwort ist wohl ein «Jein». Einerseits ist der Bundesrat sicher den Anliegen der Wirtschaft entgegengekommen und andere Herangehensweisen wären durchaus denkbar gewesen. Andererseits ist in der Kaskade der Kriterien und Lockerungen nur bedingt Spielraum, um stark vom gewählten Vorgehen abzuweichen.

Fallzahlen Schweiz Coronavirus
Die Fallzahlen mit Coronavirus für die Schweiz und Liechtenstein, vom 15. Februar bis zum 28. April. - covid19.admin.ch

Economiesuisse und der Arbeitgeberverband haben diese ungefähre Abfolge erarbeitet, vorgespurt und zwei Monate vor dem Bundesrat veröffentlicht. Der Bundesrat hätte anders, aber auch früher entscheiden können – nur hat er damals noch nicht auf die Wirtschafts-Lobby gehört.

Was umgekehrt auch sein Gutes hat, denn auch Rudolf Minsch und seine Mitstreiter sind keine Propheten. So steht in ihrem Forderungskatalog vom 14. Februar: «Die epidemiologische Lage hat sich in den vergangenen Wochen stark verbessert.» Eine Einschätzung, die schon wenige Tage später keinen Bestand mehr hatte.

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