Bundesrat will mit erneuerbaren Energien drohende Lücke schliessen
Das Wichtigste in Kürze
- Mit der Botschaft zum Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien packt Umweltministerin Simonetta Sommaruga das nächste heisse Eisen an.
Nach dem überraschenden Nein zum CO2-Gesetz vom vergangenen Sonntag dürfte es für den Bundesrat und das Parlament wichtiger denn je sein, eine Vorlage zu zimmern, die auch vor dem Volk bestehen könnte.
Den Auftrag zur Energiewende hatte die Schweizer Stimmbevölkerung der Politik im Jahr 2017 erteilt. Sie entschied damals, mit der Energiestrategie 2050 den Ausbau der erneuerbaren Energien zu stärken. Doch die Unterstützungsinstrumente für die erneuerbare Stromproduktion laufen Ende 2022 und 2030 aus.
Mit der Revision des Energiegesetzes (EnG) schlägt der Bundesrat deshalb vor, die inländischen Fördermassnahmen zu verlängern und sie «marktnäher» auszugestalten. Die Revision trage auch dazu bei, die langfristige Klimastrategie der Schweiz zu erreichen, schreibt der Bundesrat in seiner Mitteilung vom Freitag.
Diese Vorschläge - vor allem die Unterstützung der Fotovoltaik durch wettbewerbliche Ausschreibungen und die Steigerung der inländischen Winterproduktion - waren in der Vernehmlassung positiv aufgenommen worden. Hingegen hatten verschiedene Vernehmlassungsteilnehmer betont, dass das EnG und das Stromversorgungsgesetzes (StromVG) zusammengehörten und gleichzeitig zuhanden des Parlaments verabschiedet werden sollten.
Diesem Wunsch kommt der Bundesrat nun nach. Ansonsten hielt der Bundesrat an den wesentlichen Inhalten der Vernehmlassungsvorlage fest. Dazu gehörten der Ausbau der inländischen Stromproduktion aus erneuerbaren Energie inklusive Wasserkraft und die Beibehaltung des Deckels für den Netzzuschlag von 2,3 Rappen pro Kilowattstunden für die Förderung der erneuerbaren Energien.
Die finanzielle Unterstützung durch Investitionsbeiträge soll bis 2035 verlängert werden. Das Einspeisevergütungssystem soll durch Investitionsbeiträge ersetzt werden. Für grosse Wasserkraftanlagen sollen mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Nach der Vernehmlassung wurden die bisherigen Richtwerte für den Ausbau der erneuerbaren Energien, der Wasserkraft und des Energie- und Stromverbrauchs in «verbindliche Ziele bis ins Jahr 2050» umgewandelt. Die Zielwerte zum Ausbau der Stromproduktion aus erneuerbaren Energien wurden dabei auf 17 Terawattstunden (TWh) erhöht. Für 2050 beträgt das Ziel neu 39 TWh. Die Stromproduktion aus Wasserkraft hat im Jahr 2035 mindestens 37,4 TWh und im Jahr 2050 mindestens 38,6 TWh zu betragen.
Der durchschnittliche Energieverbrauch pro Kopf soll bis 2035 gegenüber dem Jahr 2000 um 43 Prozent sinken. Bis 2050 soll er um 53 Prozent zurückgehen. Der durchschnittliche Elektrizitätsverbrauch soll im Vergleich zum Jahr 2000 bis 2035 um 13 Prozent sinken, zwischen 2035 und 2050 jedoch nur noch um 5 Prozent.
Weil durch den Abbruch der Verhandlungen für ein institutionelles Abkommen mit der EU auch das geplante Stromabkommen nicht in nützlicher Frist zustande kommen dürfte, will der Bundesrat die Versorgungssicherheit anderweitig gewährleisten. Dazu braucht es zusätzlich zum angestrebten Zubau der erneuerbaren Stromproduktion bereits bis 2040 auch noch den Zubau von 2 TWh klimaneutraler Stromproduktion, die im Winter sicher abrufbar ist.
Der Bundesrat will deshalb solche Anlagen, prioritär grosse Speicherkraftwerke, mit einem «Winterzuschlag» finanzieren. Dieser ist im Stromversorgungsgesetz bereits heute zur Vorbeugung gegen mögliche Versorgungssicherheitsdefizite enthalten. Bei den Stromkonsumentinnen und -konsumenten werden dafür maximal 0.2 Rappen pro Kilowattstunde erhoben.
Zudem soll eine strategische Energiereserve etabliert werden. Sie soll zusätzlich zu den Mechanismen im Strommarkt dafür sorgen, dass auch gegen Ende des Winters genügend Energie verfügbar ist.
Bei der Revision des Stromversorgungsgesetzes bleibt der Bundesrat bei seinem Entscheid einer vollständigen Strommarktöffnung. Damit könnten sowohl Haushalte als auch kleine Betriebe in den freien Markt wechseln und auch wieder in die Grundversorgung zurückkehren können. Der Bundesrat erhoffe sich davon eine bessere Integration der erneuerbaren Energien in den Strommarkt.
Weil die parlamentarische Behandlung des Geschäfts länger dauern könnte, will der Nationalrat vorsorgen. Er hat diese Woche eine Übergangslösung beschlossen. Demnach sollen neue Windenergie-, Kleinwasserkraft-, Biogas-, Geothermie- und Fotovoltaikanlagen ab 2023 mit einmaligen Investitionsbeiträgen gefördert werden. Die grosse Kammer möchte verhindern, dass eine Lücke bei den Förderinstrumenten entsteht.