Bundesratskandidat Gerhard Andrey ist ein «Moitié-Moitié-Produkt»
Die Grünen treten definitiv mit Nationalrat Gerhard Andrey zur Bundesratswahl an. Warum tut er sich diese hoffnungslose Unterfangen bloss an?
Das Wichtigste in Kürze
- Die Grünen es offiziell: Sie wollen mit Nationalrat Gerhard Andrey in den Bundesrat.
- Dieser gilt als chancenlos. Was also soll die ganze Übung?
- Im Interview erklärt Andrey, warum er sich dies antut.
Er hat keine Chance, aber tritt trotzdem an: Gerhard Andrey, Nationalrat der Grünen, will Bundesrat werden. Seit Freitagnachmittag ist er offiziell nominiert. Aber verstehen will das ausserhalb der Grünen Bundeshausfraktion niemand so richtig: Warum tut er sich das an?
Gerhard Andrey hat keine Chance – also nutzt er sie
Genau diese Frage hat Nau.ch ihm gestellt. Schliesslich können auch die Grünen rechnen, Andrey, als IT-Unternehmer, sowieso. Ist das alles für die Galerie?
Es sei ja immerhin eine Gesamterneuerungs-Wahl, betont der Freiburger: «Dann sollte es tatsächlich eine Wahl sein, und eine Erneuerung.» Nach der Klimawahl 2019 haben die Grünen heuer zwar massiv verloren, aber trotzdem noch das zweitbeste Resultat ihrer Geschichte eingefahren.
Für Gerhard Andrey ist das die Bestätigung, die die anderen Parteien vor vier Jahren noch gefordert hatten. «Wir sind hier, um zu bleiben», macht er klar. Der politische und rechnerische Anspruch auf einen Bundesratssitz ist für ihn gegeben. Am historischen Tiefpunkt sei dagegen die FDP, die mit 14,3 Prozent noch exakt einen Bundesrat zugute hätte.
Kein Klischee-Grüner: «Es ist wirklich herzig»
Doch warum denn gerade Gerhard Andrey? Etwa, weil er als Digital-Experte noch am ehesten die Grünliberalen abholen könnte? Unterstützung erhoffe er sich in der Tat von überall her, proklamiert Andrey.
Schliesslich habe er mit allen Fraktionen intensiv zusammengearbeitet. So kenne man ihn im Parlament auch relativ gut. Der Schritt weg von der althergebrachten und mittlerweile überholten Zauberformel soll so leichter fallen.
Umgekehrt: Wenn schon ein Grüner, dann doch ein «Richtiger». Einer dieser ewigen Studenten, die noch nie im Leben etwas gearbeitet haben – nicht der ex-Schreiner, Holzbetriebsingenieur und Unternehmensgründer.
«Es ist wirklich manchmal herzig, die Klischees, die kursieren», schmunzelt Gerhard Andrey. Die Grüne Fraktion sei wahnsinnig vielfältig, mit verschiedensten Profilen, «mit sehr schönen Kompetenzen». Er bringe hier seine Seite mit hinein, nämlich die Erfahrung als Unternehmer und das Digitalisierungs-Knowhow.
Gerhard Andrey ist ein «Moitié-Moitié-Produkt»
Untypisch ist auch Andreys sprachregionale Herkunft. Denn eigentlich ist er Deutschfreiburger, lebt aber schon so lange ennet des Röstigrabens, dass er auch problemlos als Welscher durchgeht. Wo müsste man ihn dazuzählen, wenn man bestimmen wollte, ob es genügend oder zu viele «Lateiner» im Bundesrat hat?
«Ich bin natürlich gerne beides und nicht ‹weder noch›», was er eher als Vorteil denn als Nachteil sehe. «Ich bin gewissermassen ein Moitié-Moitié-Produkt des Kantons Freiburg.»
Also die Verschmelzung von Greyerzer und Vacherin, den beiden Freiburger Käsespezialitäten für das rezente Fondue. Das gebe ihm eine starke Sensibilität – nicht für die Affinage von in Salzlake gereiften Milchprodukten, sondern für Minderheiten. Denn einerseits kennt er die Minderheit der französischsprachigen Schweiz, andererseits die Minderheit der Deutschsprachigen in einem französischsprachigen Kanton.
So dürfte auch klar sein, warum Gerhard Andrey der Bundesratswahl gelassen entgegenblickt. Wenn die Grünen in der Minderheit bleiben, wird er sich grad wie zu Hause fühlen.