Coronavirus: Bundesrat war weit von Verschärfungen entfernt
Am 30. Dezember prüfte der Bundesrat, ob die Massnahmen gegen das Coronavirus zu verschärfen sind. Nun ist klar, warum er dies nicht einmal ernsthaft prüfte.
Das Wichtigste in Kürze
- Der Bundesrat beobachtete die Corona-Lage über die Festtage, griff aber nicht ein.
- Nun ist klar, warum: Die Reproduktionszahl hätte für Massnahmen über 1,1 liegen müssen.
- Die Kriterien galten aber nur für den 30. Dezember, nun dürften diese enger ausfallen.
Seit dem 22. Dezember sind Restaurants in der Schweiz grundsätzlich geschlossen, auch Zoos und Fitnesszentren dürfen nicht öffnen. Die Einschränkungen werden wohl bis Ende Februar verlängert. Was genau diese Massnahmen über die Festtage gebracht haben, ist bis heute unklar.
Dennoch wurden vor allem von links bereits in der Altjahrswoche Rufe nach noch drastischeren Massnahmen laut. Diese verhallten in der Landesregierung aber ungehört. Mit einem knappen Communiqué erklärte der Bundesrat am 30. Dezember, dass die Bedingungen für eine Verschärfung nicht gegeben seien.
Worauf sich das Gremium dabei berief, war bis anhin unklar. Nun bringt eine via Twitter öffentlich gemachte Anfrage eines Bürgers Licht ins Dunkel. Dabei wollte jemand vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) wissen, welche Kriterien für den (Nicht-)Entscheid herangezogen wurden.
Die Antwort von Alain Bersets Behörde ist klar und deutlich – und wird vom BAG auf Anfrage von Nau.ch als echt bestätigt. Für weitere Verschärfungen hätte sich die Reproduktionszahl R während drei aufeinander folgenden Tagen über 1,1 befinden müssen. Oder aber die Intensivbetten hätten zu 90 Prozent ausgelastet sein müssen.
Kriterien für Verschärfungen bei weitem nicht erfüllt
Selbst dann wäre das Anziehen der Corona-Schraube bloss «in Betracht gezogen» worden, ein Automatismus war nicht vorgesehen. Von beiden Werten war die Schweiz Ende Jahr aber meilenweit entfernt. Der R-Wert befindet sich seit Wochen unter dem kritischen Wert von 1, die Intensivstationen waren am 5. Januar «nur» zu 71 Prozent ausgelastet.
Die entscheidende Frage lautet: Gelten die nun publik gewordenen Kriterien auch für mögliche weitere Verschärfungs-Runden? Davon ist gemäss der Antwort nicht auszugehen. Der Bundesrat habe für die Beurteilung der Lage am 30. Dezember den Richtwert festgelegt – «und nur dafür», heisst es im Schreiben.
Für die ausserordentliche Bundesratssitzung diese Woche waren die Kriterien offensichtlich wieder enger gefasst. Trotz des R-Werts unter 1 will Berset die Massnahmen bereits um einen Monat bis Ende Februar verlängern.
Coronavirus: Neue Massnahmen am 13. Januar?
Sogar die Vorbereitung von noch schärferen Einschnitten – etwa die Schliessung von Einkaufsläden – möchte der Gesundheitsminister zumindest in die Wege leiten. Ob es dafür eine Mehrheit gibt, ist aktuell unklar.
Entscheidend dürften in den nächsten Tagen aber weiterhin die «üblichen» Kennzahlen sein. Diese sind aufgrund der zurückliegenden Feiertage mit einer gewissen Unsicherheit verbunden. BAG-Vertreterin Virginie Masserey machte am Dienstag aber klar, dass die Werte «verlässlich» seien.
Die Zahlen bleiben zwar weiterhin hoch, noch zeigt die Tendenz aber nach unten. Ob die Familienfeste eine Wirkung in die falsche Richtung zeigen? Oder schlagen sich die Restaurant-Schliessungen erst in den nächsten Tagen in den Zahlen nieder?
Diese Fragen sind aktuell offen. Aber: Die Antwort darauf wird das Leben in der Schweiz über die nächsten Wochen und Monate prägen.