Coronavirus: Drei Wochen nach Notlage flacht Kurve noch nicht ab
Drei Wochen Teil-Lockdown wegen dem Coronavirus. Die Infektions-Kurve müsste langsam beginnen abzuflachen. Zahlen zeigen, dass sie das nur bedingt tut.
Das Wichtigste in Kürze
- Eine Auswertung der Schweizer Corona-Zahlen ist schwierig.
- Die Kurve flacht auch nach drei Wochen Teil-Lockdown nicht ab.
- Aber die Anzahl Corona-Fälle lässt sich nur bedingt mit der Testkapazität erklären.
Seit Beginn der Coronakrise haben Zahlen und Statistiken Hochkonjunktur. Wie viele Menschen sind weltweit infiziert, wie viele in der Schweiz? Wie steil steigt die Kurve der Neuinfektionen an, oder wie stark flacht sie schon wieder ab? Kann man daran die Wirksamkeit der Massnahmen des Bundesrates ablesen, der die Schweiz heute vor drei Wochen in den Teil-Lockdown schickte?
Warnung vor voreiligen Schlüssen
Daniel Koch, Sonderdelegierter des BAG für das Coronavirus, warnt ebenfalls seit Wochen davor, dass man voreilige Schlüsse ziehe. Es sei noch deutlich zu früh, an den Zahlen einen Trend festzumachen. Doch die Experten sind sich nicht ganz einig, in der gestrigen Ausgabe von SRF-«Puls» sprach Huldrych Günthard vom Universitätsspital Zürich, beispielsweise, von der Abflachung der Kurve.
Die Öffentlichkeit hat aber ein Bedürfnis nach klarer Information, man will wissen, wie bald die Rückkehr zur Normalität wieder möglich ist. Arbeitnehmer wollen wissen, wann sie wieder arbeiten können, Laden- und Restaurantbesitzer, wann sie wieder aufmachen können.
Schaut man sich nur den Verlauf der bestätigten Neuinfektionen an, zeigt sich kein eindeutiges Bild. Der bisherige Peak wurde am 23. März, also eine Woche nach dem Teil-Lockdown, erreicht. Seitdem ist die Kurve in ihrer Gesamttendenz abnehmend, stieg zwischenzeitlich aber auch wieder an.
Die Zahlen sind statistisch allerdings quasi wertlos, nicht nur, weil sie einen viel zu kurzen Zeitraum umfassen. Sondern auch, weil die Anzahl Tests nicht gleichbleibend ist. Ein theoretisches Beispiel: Hat die Schweiz pro Tag 500 Neuinfektionen bei 1000 durchgeführten Tests, ist das eine schlechtere Nachricht als 2000 Neuinfektionen bei 7000 Tests. Denn natürlich findet man mehr Infizierte, wenn man auch mehr testet.
Keine klaren Zahlen zum Coronavirus
Das Problem: Das BAG publiziert erst seit dem 26. März die Anzahl Tests pro Tag, für die Zeit zuvor drückt sich das Bundesamt auf An- und Nachfragen stets schwammig aus. Auf Anfrage von Nau.ch schrieb ein Sprecher: «Anfang März wurden bis ca. 1000 Tests pro Tag durchgeführt. Diese Anzahl nahm bis am 19.3. kontinuierlich zu. Maximal wurden bis 9500 an einem Tag durchgeführt. Seither liegen die Anzahl durchgeführter Tests bei ca. 5000 bis 7500 Tests pro Tag.»
Wie stark die Anzahl Tests vor dem 26. März genau pro Tag zunahm bleibt unklar, das Datum des Test-Peaks dürfte am 19. März gewesen sein, was aber ebenfalls nicht sicher ist. Gewisse, mit Vorsicht zu geniessende, Aussagen lassen sich aber trotzdem treffen.
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— BAG – OFSP – UFSP (@BAG_OFSP_UFSP) March 29, 2020
29.03 Aktueller Stand sind 14’336 laborbestätigte Fälle, 1123 mehr als am Vortag. https://t.co/RTWF8jbM2p pic.twitter.com/q4bYtORLa2
Grundsätzlich gilt, was zu erwarten war: An den Tagen, an denen mehr getestet wird, werden auch mehr Fälle gefunden. Dass vorgestern Sonntag und gestern Montag nur 822 respektive 552 Infizierte gemeldet wurden, hat sehr stark damit zu tun, dass, seit das BAG tägliche Testzahlen veröffentlicht, nie weniger getestet wurde (4560 respektive 4500 Tests; der Durchschnitt liegt bei 6541 Tests pro Tag). Das Abflachen der Kurve trügt also, denn heute Dienstag stieg die Kurve wieder leicht an (590 Fälle bei 4929 Tests).
Entspannung bleibt immer noch aus
Das Coronavirus hat eine bis zu zweiwöchige Inkubationszeit. Das heisst, frühestens zwei Wochen nach dem Teil-Lockdown vom 16. März (also am 30. März) müsste sich eine gewisse Entspannung bei den positiven Fällen ausmachen lassen. Das ist aber nicht der Fall.
Denn auch wenn man die Gesamtbilanzen anschaut, zeigt sich noch kein allzu positives Bild. Im Gegenteil. Per 29. März meldete das BAG total 14'336 Fälle bei 111'000 Tests; bei 12,9 Prozent gab es demnach einen positiven Befund.
Seit dem 30. März wurden insgesamt 51'500 Tests auf das Coronavirus durchgeführt, bei denen 7378 Infektionen gefunden wurden. Das entspricht einer Quote von 14,3 Prozent. Es wird im Verhältnis zwar deutlich mehr getestet, aber auch mehr gefunden: pro tausend durchgeführte Tests gibt es derzeit durchschnittlich 143 Infizierte. Vor dem 29. März waren es durchschnittlich 129.
Trotz den Wünschen der Wirtschaft und der Bevölkerung, den Teil-Lockdown möglichst bald zu beenden: alle Zeichen deuten darauf hin, dass die Entspannung tatsächlich noch auf sich warten lassen wird.