Coronavirus: Epidemiologen kritisieren BAG für Reise-Schikanen
Die neue Quarantäneliste des BAG sorgt für rote Köpfe. Während Deutsche und Franzosen zu tausenden in die Schweiz strömen, werden andere Staaten schikaniert.
Das Wichtigste in Kürze
- Das BAG knallt zahlreiche Länder wegen eines Omikron-Falls auf eine Quarantäne-Liste.
- Die Reise-Beschränkungen stossen selbst bei Epidemiologen auf wenig Verständnis.
Omikron: Ein griechischer Buchstabe lässt derzeit die ganze Welt den Atem anhalten. Die in Südafrika entdeckte Mutation des Coronavirus soll gemäss ersten Erkenntnissen ansteckender sein als die vorherrschende Delta-Variante.
Zahlreiche Staaten reagierten umgehend und knallhart auf die Entdeckung – so auch die Schweiz. Übers Wochenende knallte das Bundesamt für Gesundheit Länder mit einem entdeckten Fall auf eine Quarantäneliste.
Deutsche dürfen rein, Belgier und Dänen nicht
Selbst geimpfte Schweizer und Touristen, welche aus dem Vereinigten Königreich, Tschechien oder Belgien einreisen, müssen sich selbst zehn Tage lang einsperren. Gesundheitsminister Alain Berset erklärte am Sonntag stolz: «Wir haben sofort reagiert.»
Mit den Reise-Beschränkungen soll die Ausbreitung der Mutation in der Schweiz verlangsamt werden. Wie gut das klappt, wenn täglich zehntausende Personen die Schweizer Grenzen zu Italien, Frankreich, Österreich und Deutschland überqueren, muss indes hinterfragt werden. Schliesslich ist Omikron wohl längst in der Schweiz angekommen, ganz sicher aber in Deutschland.
Taskforce-Mitglied kritisiert Quarantänelisten
Kritik am rigorosen Durchgreifen der Behörden kommt denn auch aus ungewohnten Kreisen. Richard Neher, Mitglied der wissenschaftlichen Taskforce findet etwa: «Diese Beschränkungen bringen das Leben von Menschen durcheinander und schaden der Wirtschaft.»
Der Viren-Sequenzierer der Universität Basel schreibt weiter, dass die Beschränkungen kurzfristig sinnvoll sein könnten, um die Ausbreitung zu verlangsamen.
Sie würden die Mutante aber nicht für immer fernhalten können «und bestrafen Länder mit guter Überwachung und transparenter Berichterstattung.»
Tatsächlich stammt die Variante womöglich gar nicht aus Südafrika. Wenig überraschend äusserte sich der südafrikanische Gesundheitsminister in eine ähnliche Richtung. Die Einreisesperren für seine Landsleute seien «unberechtigt», hielt Joe Phaala bereits am Freitagabend fest.
Epidemiologin: Reise-Beschränkungen «extrem schädlich»
Selbst die Epidemiologin Emma Hodcroft, die kaum je als Gegnerin von scharfen Massnahmen aufgefallen ist, kritisiert die Reise-Schikanen heftig. Sie seien «extrem schädlich und könnten Länder davon abhalten, ihre Daten zu teilen», twittert sie.
In der Vergangenheit seien solche Quarantänelisten länger bestehen geblieben, als sie nützlich waren. Es gelte, Massnahmen zu ergreifen, die funktionieren, statt reaktionär zu handeln, so die Forscherin der Universität Bern.
Das Bundesamt für Gesundheit reagierte bis anhin nicht auf entsprechende Fragen zu Sinn und Unsinn der neusten Massnahmen.