Coronavirus: Jetzt greift die Armee den Spitälern unter die Arme

Miguel Pereiro
Miguel Pereiro

Bern,

Aufgrund der hohen Auslastung der Spitäler wegen des Coronavirus schaltet der Bundesrat die Armee ein. BAG und Stabschef Raynald Droz informieren live aus Bern.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweizer Spitäler ächzen unter der Patienten-Last wegen der fünften Welle.
  • Der Bundesrat beschliesst deshalb erneut die Unterstützung durch die Armee.
  • Das BAG informiert mit Stabschef Raynald Droz über den geplanten Einsatz.

Die Zahl der Hospitalisationen steigt laufend an, 80 Prozent der Intensiv-Betten sind schweizweit bereits belegt. Insbesondere auf den Intensivstationen spitzt sich die Lage zu. Schon Mitte letzter Woche gaben die Zürcher Spitäler bekannt: Ihre Betten sind vollständig belegt.

Armee Schweiz Coronavirus
Mobilisierung der Schweizer Armee für den Coronavirus-Notfall am Dienstag, 17. März 2020 in Ambri. - Keystone

Doch auch andere Kantone schlagen Alarm. Letzte Woche hatte der Kanton Jura ein Gesuch eingereicht, um Armee-Hilfe zu erhalten, wie Bundespräsident Guy Parmelin bestätigte. Danach forderten auch die Kantone Neuenburg und Wallis Verstärkung für ihre Impfzentren oder mobilen Impfequipen an.

Der Bundesrat reagiert auf die Hilferufe und stimmt einem erneuten Assistenzdienst zu. Am wöchentlichen Point de Presse des BAG informiert Stabschef Raynald Droz über den geplanten Armee-Einsatz.

Dies sind die wichtigsten Punkte:

- Die Unterstützung erfolge mit maximal 2500 Armeeangehörigen, erklärt Stabschef Raynald Droz. Diese sollen die Spitäler bei der Pflege und beim Patiententransport oder die Kantone beim Impfen unterstützen. Der Beschluss gelte bis am 31. März, müsse aber noch von der Bundesversammlung genehmigt werden.

- Für den Einsatz müssten die Kriterien der Subsidiarität erfüllt sein, so Droz. Die Kantone müssten dazu aufzeigen, sämtliche zivile Mittel und Instrumente ausgeschöpft zu haben, namentlich also alle Mittel von Zivilschutz, Zivildienst, und Feuerwehr wie auch aus dem privaten Sektor. Dazu gehöre etwa ein Nachweis, dass auf dem Arbeitsmarkt kein Personal rekrutiert werden könne und keine Studierende, Samariter oder weitere Freiwillige verfügbar seien.

– Laut Rudolft Hauri, Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, sei die Triage nicht mehr weit. «Der Motor glüht mittlerweile, und eine nachhaltige Abkühlung ist nicht in Sicht.»

Insel Intensivstation Coronavirus
Ein Corona-Patient auf der Intensivstation im Berner Inselspital. - Keystone

- Gemäss Urs Karrer, Chefarzt und Vizepräsident der Taskforce, würde bei aktueller Dynamik bereits Mitte Dezember die kritische Schwelle von 400 IPS-Patienten erreicht. Dann finde implizite Triage statt, sagte Karrer. Gewohnte Behandlungsstandards könnten dann nicht mehr gehalten werden. Daten aus dem vergangenen Jahr zeigten, dass in diesem Fall bei Covid-Patienten mit einer erhöhten Sterblichkeit zu rechnen sei.

- Im Moment gibt es 23 Spitäler in der Schweiz, die über keine freien zertifizierten Intensivbetten mehr verfügen, so Andreas Stettbacher vom Koordinierten Sanitätsdienst (KSD). Es gebe zwar noch schweizweit eine Reserve von 167 Betten. Doch bei unter 150 müssten Nicht-IPS-Betten und -Personal einbezogen werden, was zu einer Qualitätseinbusse führe.

- Die Covid-19-Taskforce des Bundes hat «berechtigte Zweifel», dass die seit Montag geltenden Massnahmen nicht ausreichen, um den R-Wert auf 0,8 zu senken. Ob und wann es weitere Massnahmen brauche, werde man neu beurteilen müssen.

Wie sagen Sie zur Mobilisierung der Armee zur Unterstützung der Kantone?

Hier finden Sie das Protokoll der Medienkonferenz:

15.24: Wie viele Kleinkinder mussten wegen einer Covid-Erkrankung auf die Intensivstation? In meiner Region gab es keinen Fall, so Hauri.

15.18: Die Zahlen zu der Auslastung der IPS-Betten vom KSD und vom BAG sind nicht gleich, weshalb? Das Covid-Dashboard basiert auf den Zahlen des KSD, so Stettbacher. Es gebe stündliche Schwankungen, je nach Zeitpunkt der Bestandesaufnahme könnten diese variieren. Doch insgesamt sollten sie etwa gleich sein.

15.16: Macht es Sinn, dass die Nationalräte keine Maskenpflicht haben? Aktuell sei man bei vielen Aktivitäten in Innenräumen der Ansicht, dass eine konstante Maskenpflicht Sinn mache, so die ausweichende Antwort von Karrer.

15.13: Erste Verlegungen zwischen den Grossregionen mussten bereits getätigt werden, so Stettbacher. «Zwischen sechs und acht in der letzten Woche.»

15.11: Eine mögliche Impfpflicht hänge von der aktuellen Entwicklung und vom aktuellen Verhalten ab. Man hoffe, dass diese nicht nötig sein werde. Aber die Diskussionen darüber liefen natürlich, so Masserey.

15.09: Wie wollen Bund und Kantone noch mehr Leute zum Impfen bringen? In der Schweiz sei das Angebot nach wie vor gross, die Bemühungen des Bundes liefen weiter, so Masserey. Eine Offensive von privater Seite – in Deutschland rufen viele Grossfirmen zum Impfen auf – sei natürlich willkommen.

15.05: Bei einem Engpass bei den Corona-Tests würden Personen mit Symptomen vorgezogen, so Hauri. Das könne dazu führen, das asymptomatische Personen länger auf die Ergebnisse warten müssten. Bei der aktuell hohen Anzahl Tests sei dies nicht immer zu verhindern.

15.00: Es brauche nicht selten fünf bis sechs Personen, um etwa einen Covid-Patienten auf den Bauch zu drehen, so Karrer. Wenn dort die Ressourcen, also das Personal, reduziert werden müssen, dann sinke unweigerlich die Qualität der Behandlung.

Coronavirus
Der Point de Presse am 7. Dezember 2021. - keystone

14.58: «Wir haben wissenschaftlich gesehen berechtigte Zweifel, dass die Massnahmen, die gestern inkraft getreten sind, reichen, um den R-Wert auf den gewünschten Wert von 0,8 zu senken», so Karrer. In Österreich seien deutlich stärkere Massnahmen nötig gewesen. Man wisse jedoch nicht, wie sich die Bevölkerung verhalten werde. Dies sei jedoch ausschlaggebend.

14.55: Die Ausbildung soll offen bleiben, eine Ferienverlängerung begrüsse man nicht, so Karrer. Doch die Weihnachtsferien sollen dazu genutzt werden, um die Schutzmassnahmen in den Schulen zu verbessern.

Weshalb Genf seit Tagen keine Hospitalisationen melde, wisse man nicht, so Masserey. Dies kome ab und zu vor, so Stettbacher.

14.53: Die Inzidenz sei bei den Kinder tatsächlich hoch, so Masserey. Ob Omicron für Kinder gefährlicher sei als andere Varianten, könne man derzeit nicht beurteilen.

14.51: Kann die aktuelle Impfquote, wie von der Taskforce vorgerechnet, verdoppelt werden? Und muss dazu das Personal aus dem Gesundheitswesen abgezogen werden?

Nein, das Personal werde nicht abgezogen, so Droz. Und ja, man könne die Impfgeschwindigkeit so weit erhöhen. Auf dem Höhepunkt der Impfkampagne hätte man auch 150'000 Impfungen pro Tag verabreichen können, so Hauri.

14.48: Sind die Kriterien strenger als in der ersten Welle? In der ersten Welle seien die Kriterien für einen Einsatz der Armee zu locker gewesen, so Droz. Man habe aber daraus gelernt und diese für den zweiten Einsatz angepasst. Nun würden die gleichen Subsidiaritätskriterien wie bei der zweiten Welle angewandt.

Coronavirus
Ein Bildschirm fotografiert vor Raynald Droz, Andreas Stettbacher, Rudolf Hauri und Virginie Masserey, von links nach rechts. - keystone

14.47: Haben sich die Kantone nicht richtig vorbereitet? Doch, aber es hat alles Grenzen, auch beim Personal, so Hauri.

14.45: Bisher seien drei Gesuche für einen Armee-Einsatz eingegangen der Kantone Jura, Wallis und Neuenburg, so Droz.

14.44: Die Fragerunde beginnt. Zirkuliert die Omikron-Variante nun bereits in der Schweiz? Das sei gut möglich, so Masserey. Doch derzeit könne dies noch nicht mit Sicherheit gesagt werden.

14.37: Brigadier Raynald Droz, Stabschef Kommando Operationen, übernimmt das Wort. Die Kantone könnten bald an ihre Grenzen stossen. Deshalb habe der Bundesrat beschlossen, die Armee einzuschalten.

Bei dieser dritten Operation sollen maximal 1200 Armeeangehörige zum Einsatz kommen. Diese würden in Spitaleinrichtungen aushelfen, sowohl bei der Behandlung wie auch beim Patiententransport. Ausserdem können sie auch beim Impfen unterstützen.

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Brigadier Raynald Droz, Stabschef des Kommandos Operationen, bei der Point de Presse zum Stand der Massnahmen gegen das Coronavirus in Bern. - Keystone

Für den Einsatz müssten die Kriterien der Subsidiarität erfüllt sein. Das heisse, die Kantone müssten sämtliche zivilen Mittel ausgeschöpft haben. Dazu gehöre laut Droz auch, dass alle nicht notwendigen Operationen verschoben wurden.

14.27: Urs Karrer, Vizepräsident, National COVID-19 Science Task Force, warnt, dass die Zahlen umgehend gebremst werden müssten. Sonst werde dies spürbare Folgen für alle haben. Nur dank der Impfung und dem hohen Einsatz des Gesundheitspersonals sei ein Spitalkollaps bisher abgewendet worden.

Urs Karrer Chefarzt Infektiologie
Urs Karrer, Chefarzt Infektiologie am Kantonsspital Winterthur. - Keystone

Karrer verdeutlicht an einem Beispiel eines 50-Jährigen mit Übergewicht, der nicht geimpft ist, was eine Behandlung auf der Intensivstation bedeute. Die Behandlung sei so intensiv, dass nur 100 Personen gleichzeitig so in der Schweiz behandelt werden könnten.

«Dieser Patient beansprucht also alleine 1 Prozent der Kapazitäten. Das ist ein enormer medizinischer Fussabdruck», so Karrer.

«Angesichts der immensen Infektionsgeschwindigekeit und der zu hohen Anzahl nicht immuner Menschen, besteht die Gefahr, dass die Spitalkapazitäten noch in diesem Jahr erschöpft werden», so Karrer. Die kritische Schwelle von 400 IPS-Patienten werde ohne eine Trendumkehr noch Mitte Dezember erreicht. Dies führe zu einer Triage bei Spitaleinweisungen, also auch zur Verschiebung von notwendigen Operationen.

Karrer plädiert auch für stärkere Schutzmassnahmen für Kinder und Jugendliche.

14.18: Andreas Stettbacher, Delegierter des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst, gibt einen Überblick über die Lage in den Intensivstationen.

Der Anteil der Covid-Patienten auf der IPS betrage 39 Prozent. Verdoppelt habe sich die Zahl innerhalb der letzten 23 Tage.

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Zahlen zu den Akut-Stationen der Spitäler. - BAG

Derzeit sei die Region Lémanique am stärksten betroffen. Dahinter folgt die Region Zürich.

Auslastung Intensivstationen nach Region. - BAG

Die Zahl der Intensivbetten, die wegen Personalmangels nicht betrieben werden können, habe seit August stark zugenommen. Heute morgen seien 167 Reserve-Intensivbetten nicht belegt gewesen. Unter der Grenze von 150 müssten Ad-Hoc-Betten eingerichtet werden, was mit einer Verminderung der Qualität der Behandlung einhergehe.

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Intensiv-Kapazitäten im Verlauf. - BAG

14.11: Der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri ist über die neuste Entwicklung alles andere als zufrieden. «Die hohen Fallzahlen und die Dynamik bleiben.»

Die Positivitätsrate bei den repetitiven Tests in den Schulen sei so hoch, wie nie zuvor. Doch es zeige sich eine Stabilisierung. «Vielleicht ist das ein Lichtblick.»

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Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri. - BAG

«Die Lage in den Spitälern hat sich zugespitzt, die Entwicklung scheint ungebrochen», so Hauri. Dies sei nicht unerwartet, doch das Ausmass kritisch. Zugang zu Spitalleistungen könnten nicht mehr für alle gewährleistet sein. Die Triage-Medizin scheine nicht mehr allzu weit zu sein.

14.00: Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle, eröffnet den Point de Presse mit den neuesten Corona-Kennzahlen. Weiterhin sei die Zentralschweiz am stärksten vom Coronavirus betroffen.

Insbesondere die Zahl der Hospitalisationen und der Patienten in den Spitälern steige an. Inzwischen sehe man den Anstieg auch deutlich bei den Todeszahlen. Diese seien jedoch auf tieferem Niveau, als noch im letzten Winter.

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Die aktuellen Corona-Zahlen am 7. Dezember 2021. - BAG

Seit der nationalen Impfwoche sei die Zahl der Erstimpfungen erneut gesunken. «Das ist schade, denn die Impfung ist der beste Schutz vor einer Spitaleinweisung», so Masserey. Die Statistik zeige, dass hauptsächlich ungeimpfte Personen einen schweren Verlauf hätten und im Spital eingewiesen würden.

Zusätzlich zu den Impfungen brauche es jedoch weitere Massnahmen: Kontakte reduzieren, Arbeiten im Homeoffice, Maske tragen, Abstand halten und regelmässiges Lüften sei weiterhin wichtig. Das BAG lanciere eine neue Kampagne, um die bewährten Massnahmen in Erinnerung zu rufen.

Folgende Fachleute nahmen teil:

- Virginie Masserey, Leiterin Sektion Infektionskontrolle, Bundesamt für Gesundheit BAG

- Andreas Stettbacher, Delegierter des Bundesrates für den Koordinierten Sanitätsdienst KSD

- Rudolf Hauri, Kantonsarzt Zug, Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und Kantonsärzte VKS

- Urs Karrer, Vizepräsident, National COVID-19 Science Task Force

- Raynald Droz, Brigadier, Stabschef Kommando Operationen, Armee

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