Coronavirus: SP-Meyer will Flüchtlinge ins Land holen
Auf Lesbos droht eine humanitäre Katastrophe, sobald das Coronavirus die Flüchtlings-Camps erreicht. Linke und Amnesty International schlagen Alarm.
Das Wichtigste in Kürze
- Gegen 40'000 Flüchtlinge erwarten auf Lesbos ungeschützt auf die Ankunft des Coronavirus.
- Um eine Katastrophe mit tausenden Toten zu verhindern, soll der Bundesrat aktiv werden.
- Mattea Meyer und Amnesty International verlangen, dass die Schweiz mit retten beginnt.
Die Schweizerinnen und Schweizer haben Glück. Der Wohlstand erlaubt eigene Wohnungen und Häuser, um sich vor dem Coronavirus in Sicherheit zu bringen. Zuverlässige Infrastrukturen ermöglichen regelmässiges Händewaschen und für viele das Arbeiten im Homeoffice. Wer dennoch erkrankt, kann sich in einem der 281 Spitäler von einem der fast 40'000 Ärzte pflegen lassen - auf Kosten der allgemeinen Krankenkasse.
Knapp 20'000 Menschen leben allein in Moria, einem Flüchtlingscamp auf der griechischen Insel Lesbos. Insgesamt sind es 37'000 Menschen auf der Ägäisinsel. Die Menschen leben in Zelten, schlafen auf dem Boden. Es gibt praktisch keinen Zugang zu Wasser: eine Wasserstelle für 1300 Personen. Zugang zur Gesundheitsversorgung ist kaum vorhanden. Es gibt nur eingeschränkt Zugang zu Lebensmitteln, keine Müllabfuhr.
Es drohen Tausende von Toten
Bricht die Krankheit aus, droht eine humanitäre Katastrophe, warnen Menschenrechtsorganisationen seit Wochen. Beat Gerber von Amnesty International Schweiz erklärt: «Europa geht offenen Auges in eine humanitäre Katastrophe riesigen Ausmasses.» Die Situation auf Lesbos sei bereits jetzt katastrophal. «Die Lager laufen Gefahr, ohne ärztliche Hilfe in Quarantäne gesetzt zu werden, es drohen Hunderte oder gar Tausende von Toten.»
SP-Nationalrat Fabian Molina bezeichnete gestern die Erklärung des Justizdepartements von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, wonach es derzeit «leider unmöglich» sei, unbegleitete Jugendliche in die Schweiz zu holen, als «Skandal». Nun doppelt Parteikollegin Mattea Meyer nach. «Ich halte das für eine Ausrede», sagt sie.
«Es ist eine Frage des politischen Willens. Das zeigt sich daran, dass der Bund gleichzeitig hunderte von Schweizern aus der ganzen Welt zurückfliegen kann.» Gerber von Amnesty nickt: «Da stellt sich schon die Frage der Prioritäten: Ist es wirklich unmöglich die Jugendlichen zur ihren Familienangehörigen in der Schweiz zu holen oder fehlt es am Willen, respektive an Geld und Ressourcen, die man bereit ist, dafür einzusetzen.»
Dem Versprechen Keller-Sutters seien keine Taten gefolgt. Schlimmer noch: «Die Bemühungen der Schweiz waren schon vor der Corona-Pandemie zu wenig gross», so Meyer. Denn: «Es war bekannt, dass die Lage in den Flüchtlingscamps in Griechenland seit Jahren prekär ist, seit Monaten spitzt sie sich zu.» Die Schweiz müsse jetzt umso mehr nachholen, was sie in all den Jahren gemeinsam mit anderen europäischen Länder verpasst hat.
Geduld geht zu Ende
Die Zeit drängt, das Coronavirus erreicht die Camps bereits. Der Ball, so Mattea Meyer, liege nun klar beim Bundesrat und dem Staatssekretariat für Migration SEM. «Die offizielle Schweiz muss handeln, und zwar nicht erst, wenn eine europäische Lösung pfannenfertig ist. Weite Teile der Zivilgesellschaft, unter anderem auch kirchliche Kreise, wollen nicht länger zuschauen und fordern lautstark, dass der Bund jetzt handelt.»
Konkret: Die Schweiz soll endlich aktiv werden und Geflüchtete auf den griechischen Inseln retten. Das fordert auch Amnesty International, und zwar möglichst viele, fordert Beat Gerber. Zudem sollen vorübergehend keine Flüchtlinge, denen in Griechenland Asyl gewährt wurde, in dieses Land zurückgeführt werden.
Ausserdem soll der Bundesrat Druck auf die griechische Regierung ausüben und Unterstützung anbieten, damit die Menschen von den Inseln evakuiert werden und aufs Festland gebracht und anständig versorgt werden. «Zudem soll sich der Bundesrat entschieden für eine gesamteuropäische Lösung für eine gerechtere Verteilung von Schutzsuchenden unter den EU-Staaten und der Schweiz einsetzen», so Gerber.
«Alle europäischen Staaten müssen Flüchtende von den griechischen Inseln aufnehmen, um diese Lager so schnell wie möglich zu evakuieren und eine Katastrophe zu verhindern.» Denn mit den Dublin-Abkommen und dem EU-Türkei-Deal seien die europäischen Staaten für diese Krise mitverantwortlich. Sie seien völkerrechtlich ohnehin dazu verpflichtet, betont Gerber.
Meyer, schlägt vor, vor allem besonders gefährdete Personen rauszuholen, natürlich in Absprache mit dem UNHCR. «Ich vermisse konkrete Taten und das lässt mich zweifeln, ob der Bundesrat die Situation genügend ernst nimmt.»