Coronavirus: Was haben Massentests in der Schweiz bisher gebracht?

Alexandra Aregger
Alexandra Aregger

Bern,

Nun doch: Das BAG strebt Massentests auf das Coronavirus in Schulen, Firmen oder Altersheimen an. Diese zeigen sich offen und ziehen eine erste Bilanz.

Coronavirus Flächentest
Menschen stehen an bei Covid-19 Flächentests, aufgenommen im Dezember in Zuoz GR. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Das Bundesamt für Gesundheit BAG strebt Massentests in den Kantonen an.
  • Das Ziel: Regelmässiges Testen in Altersheimen, Schulen und Betrieben.
  • Erste Massentests wurden bereits in Graubünden oder in Altersheimen durchgeführt.

Vor zwei Monaten blickte die Welt noch mit grossen Augen in die Slowakei. Das Land testete als Pionier den Grossteil der Bevölkerung. Ein «absolutes Erfolgsbeispiel» frohlockte etwa Österreichs Kanzler Sebastian Kurz und verordnete kurzerhand selber Massentests.

Doch die Euphorie verblasste schnell: Die Slowakei schlitterte im Dezember zurück in den Lockdown, die Test-Bereitschaft der Österreicher war enttäuschend. Die Schweiz winkte bislang ab – für Massentests fehle es an Personal und Testsets, hiess es noch Ende letzten Jahres.

Doch der Wind hat sich gedreht. Das Bundesamt für Gesundheit BAG will nun doch auf serielle Tests setzen und erhält Rückendeckung der Kantone. Im Fokus liegen dabei Massentests in Altersheimen, Schulen und Unternehmen. Heute dürfte auch der Bundesrat dem Anliegen grünes Licht geben.

Doch was haben Massentests in der Schweiz bisher gebracht?

Neuansteckungen mit Coronavirus nach Flächentests 5 Tage rückläufig

Massentest-Pionier ist der Kanton Graubünden. Dieser hat bereits mehrfach Massentests in der Bevölkerung durchgeführt. Zuletzt, als in St. Moritzer Hotels eine Mutation des Coronavirus ausbrach.

Der Kanton wertete es als Erfolg; durch eine sofortige Quarantäne der Hotels fielen in den 3200 Tests lediglich 53 positiv aus, allesamt beim Hotelpersonal.

Coronavirus Massentest Graubünden
Bündnerinnen und Bündner stehen in Zuoz GR für einen Test auf das Coronavirus an. - keystone

Zuvor führte der Kanton bereits Massentests auf das Coronavirus in Südbünden durch: Unter den 15'000 Getesteten waren 150 positiv. Die Kommunikationsstelle Coronavirus beim Kanton spricht auf Anfrage von positiven Erkenntnissen. «In allen Regionen, in denen Flächentests durchgeführt wurden, war die Zahl der Neuansteckungen für mindestens fünf Tage rückläufig.»

Dank regelmässiger Nachtests in der Region Bernina etwa halte diese Entwicklung bis heute an. «Massentests bieten ein Abbild über die Ausbreitung des Coronavirus», resümieren die Bündner. «Dank wiederholten Tests können auch asymptomatische Personen eruiert und damit Infektionsketten unterbrochen werden.»

Positive Massentest-Bilanz im Altersheim

Ebenfalls einen Erfahrungsschatz mit Massentests konnte das Seniorenzentrum Rosengarten in Laufen BL sammeln. Dieses hat seit November gemäss eigenen Angaben über 1000 PCR-Tests durchgeführt. 600 davon waren im Rahmen von Ausbruchsuntersuchungen; bei den restlichen handelte es sich um regelmässige Screenings, an denen 6 Corona-Fälle entdeckt wurden.

«Die Bereitschaft beim Personal liegt bei 100 Prozent, alle machen bei den Screenings mit», freut sich Zentrumsleiter Michael Rosenberg. «Zum Teil wurden Mitarbeitende bereits zum 8. Mal getestet», bisher immer via Stäbchen in die Nase und Rachenabstrich. Beim nächsten Screening Ende Woche komme erstmals der Spucktest zum Zug.

Bewohnende werden nur beim Neueintritt oder bei einer Rückkehr aus dem Spital getestet. Oder bei Umgebungstestungen, wenn ein positiver Fall gefunden wurde. «Die Akzeptanz ist auch bei den Bewohnenden sehr gut», glaubt Rosenberg.

Wichtig sei die richtige Anwendung durch geschultes Personal.

Coronavirus Massnahmen
Gemäss mehreren Alters- und Pflegeheimen haben die Senioren Verständnis für die bestehenden Corona-Massnahmen. - Keystone

Der Zentrumsleiter hält die Massentests für eine der drei wichtigsten Massnahmen, um Ausbrüche in Altersheimen einzudämmen. Nebst regelmässigem Testen gehöre auch das Impfen der Bewohner dazu, «was momentan sehr gut in allen Kantonen verläuft».

Und – für Rosenberg das derzeit grösste Manko – das Impfen des Gesundheitspersonals. Dieses wird derzeit nur vereinzelt geimpft, nervt sich der Zentrumsleiter.

Hoffnung bei Heimen und Unternehmen auf Massentest-Effekt gross

Wie gross der Effekt von schweizweiten Massentests sein wird, muss sich zeigen. Die Bereitschaft ist jedenfalls hoch. Beim Heimverband Curaviva stösst der Bund mit Massentests auf offene Ohren, wie Direktor Daniel Höchli auf Anfrage deutlich macht. Serielle Tests seien ein «wichtiges weiteres Instrument, welches Alters- und Pflegeheimen zur Verfügung gestellt werden sollte».

Der Verband liebäugelt insbesondere mit Speicheltests, denn: «Ein wichtiger Faktor ist das möglichst unkomplizierte und wenig belastende Testen.» Nicht nur das Pflegepersonal, auch die Bewohner sollen regelmässig getestet werden, fordert Curaviva.

Auch für serielle Tests in Unternehmen erhält der Bund beim Vorhaben Rückendeckung. Der Schweizerische Gewerbeverband begrüsst die neue BAG-Teststrategie, sagt Direktor Hans-Ulrich Bigler. Und erhofft sich insbesondere ein besseres Bild der Hotspots des Coronavirus.

hans-ulrich bigler nationalrat
Hans-Ulrich Bigler, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbands, kandidiert für die SVP für einen Sitz im Zürcher Kantonsrat. - Keystone

«Das BAG weiss ja bis heute nicht, wo sich die Leute mit dem Virus anstecken. Dass auf dieser Grundlage dann Läden geschlossen werden, geht nicht», so Bigler. Wenn nun durch Massentests Ansteckungsketten erkannt und unterbrochen würden, mache das Sinn.

Denkbar seien Tests direkt in den Räumlichkeiten der Unternehmen, finanziert durch Bund und Kantone. Aber, wie Bigler betont: «Sicher nicht während der Arbeitszeit.»

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