Daniel Jositsch: Viel Kritik und wenig Lob an Bundesrats-Kandidatur
Das Wichtigste in Kürze
- Daniel Jositsch kandidiert für den Bundesrat, obwohl er die Vorgabe «Frau» nicht erfüllt.
- Seine Provokation führt zu Kritik links wie rechts.
- Jositsch wird fehlendes Verständnis für Gleichstellung vorgeworfen.
Der Rücktritt von SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga war für ihre Partei überraschend. Der Entscheid, ein reines Frauenticket aufzustellen, erfolgte trotzdem quasi sofort. Nebst Alain Berset einen zweiten Mann in den Bundesrat zu hieven, kam für die Parteileitung nicht infrage.
Überraschend kommt auch die Ankündigung von SP-Ständerat Daniel Jositsch, trotzdem zu kandidieren, auch wenn ihm Bundesrats-Ambitionen seit langem nachgesagt werden. «Es geht mir um das Prinzip», sagt der Strafrechts-Professor – und löst damit viel Kritik aus.
Linke Entrüstung über Daniel Jositsch
Die SP-Führung will sich nicht zum Vorpreschen von Daniel Jositsch äussern. Dies halte man grundsätzlich so bei allen Kandidaturen. Überdies habe man den Vorschlag für ein reines Frauenticket nun mal gemacht. Die Fraktion entscheide dann Mitte November über die genauen Kriterien, die die Kandidaturen erfüllen müssten.
Kritik kommt aber aus der SP-Basis und von anderen linken Stimmen. Jositsch löst breites Unverständnis aus. Seine Argumentation töne wie aus dem bürgerlichen Lager, die «sinnvolle Gleichstellung» solle wohl primär ihm selbst dienen.
Befürworten Sie eine reine Frauenkandidatur für den SP-Bundesratssitz?
Der Grüne Winterthurer Gemeinderat Christian Griesser empfiehlt der SP, Jositsch ins Leere laufen zu lassen: Kandidatur zulassen, dann nicht nominieren. Anne-Claude Hensch von der Alternativen Liste Zürich glaubt dagegen, Jositsch schade auch sich und seinen Wiederwahl-Chancen mit seiner Provokation.
Bürgerliche sehen Fehler bei SP
Als gewichtige Zürcher Stimme äussert sich Ständerat Ruedi Noser (FDP). Er kennt Daniel Jositsch auch gut aus gemeinsamen Wahlkampf-Auftritten. Den geschätzten Kollegen mag Noser denn auch nicht kritisieren.
Er sieht die Ursache für die Kontroverse bei der SP-Führung: Jositsch demaskiere lediglich deren kommunikativen Supergau, so Noser. Mitte-Ständerätin Andrea Gmür stimmt voll und ganz zu: Die SP liege falsch, nicht Jositsch. In die ähnliche Richtung zielt auch Mitte-Nationalrat Nicolo Paganini. «Mal schauen, ob die SP-Fraktion ihre (zu) schnell schiessende Rennleitung desavouieren wird» twittert er.
Paganini verweist damit auf einen entscheidenden Punkt: Die SP-Führung hat formell keinen Entscheid gefällt, aber trotzdem das Frauenticket proklamiert. Der Entscheid liegt bei der Fraktion – und diese könnte, so hofft zumindest Jositsch, anders entscheiden. Den Image-Schaden würde so weniger Jositsch als die SP und deren Parteileitung davontragen.