Darum plant die Luftwaffe Kampfjet-Starts auf der A1
Im Juni soll während 36 Stunden ein Autobahn-Abschnitt zum Militärflugplatz umfunktioniert werden. Eine Übung mit ganz bestimmtem Hintergrund.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Luftwaffe plant Kampfjet-Starts und -Landungen auf der Autobahn A1.
- Solches hat sie seit drei Jahrzehnten nicht mehr gemacht.
- Was steckt dahinter und was für Bedingungen müssen erfüllt sein?
Anfang Juni plant die Luftwaffe der Schweizer Armee eine Übung auf der Autobahn A1. Der Bundesrat hat die dafür nötige Sperrung während 36 Stunden gestern bewilligt. Hier die fünf wichtigsten Fragen und Antworten zu diesem aussergewöhnlichen Vorhaben.
Klingt cool, aber warum genau macht das die Luftwaffe?
Während andere Truppenteile mobil sind und dezentral operieren können, sitzt die Luftwaffe auf ihren drei Flugplätzen Payerne, Emmen und Meiringen. Hinzu kämen theoretisch noch die Lufttransport-Standorte in Dübendorf, Alpnach und Locarno.
Geeignet wären auch ehemalige, mittlerweile zivil genutzte Militärflugplätze – oder eben Autobahnabschnitte als Ausweich-Standorte. Daran wurde beim Bau bereits gedacht: Einige Streckenteile sind extra so gebaut, dass sie als Not-Piste für Kampfjets genutzt werden können.
Was für Bedingungen muss denn eine Autobahn erfüllen, damit Starts und Landungen möglich sind?
Die betreffende Strecke muss rund einen Kilometer gerade verlaufen und frei von Hindernissen sein. Sind allfällige Brücken genügend hoch (auch das wurde bei der Planung berücksichtigt), können die Kampfjets hingegen auch darunter durchfahren.
Die Leitplanken beim Mittelstreifen müssen leicht entfernt werden können. Mittelstreifenbepflanzung ist ungünstig, weil dann nur mit baulichen Massnahmen eine Nutzung als Piste möglich wäre.
Das Verkehrsaufkommen sollte eher klein und Umfahrungsmöglichkeiten vorhanden sein. Ganz unabhängig von all dem ist ein sauberer Belag wichtig, denn die Flugzeug-Triebwerke saugen sonst den Staub ein.
Warum wurde gerade dieses Teilstück der A1 ausgesucht?
Im Fall des aktuell ausgesuchten Streckenabschnitts zwischen Payerne und Avenches profitiert die Luftwaffenlogistik vom nahen Flugplatz Payerne. Das ist zwar keine zwingende Voraussetzung. Doch im unwahrscheinlichen Fall eines Vorkommnisses wäre es so möglich, die Autobahn rasch wieder freizugeben, heisst es bei der Armee.
Das Teilstück wurde bereits beim Bau 1995 für den Einsatz von Kampfflugzeugen vorgesehen und vorbereitet: Die Leitplanken sind schnell montier- und demontierbar, der Deckbelag wurde vor 10 Jahren erneuert. Werktags verkehren rund 23'500 Fahrzeuge, was im Vergleich für die A1 eher wenig ist.
Was hat die Übung mit der aktuellen Bedrohungslage in Europa zu tun?
Anhand des Ukraine-Kriegs hat man gesehen, wie wichtig es für die Luftwaffe ist, Ausweichmöglichkeiten zu haben. Zwei, drei Bombenkrater, und schon ist der ganze schöne Flugplatz vorübergehend unbrauchbar und die Kampfjets bleiben am Boden. Weil, wie eingangs erwähnt, die Luftwaffe auf einige wenige Standorte konzentriert ist, macht sie dies für weitreichende Waffensysteme verwundbar.
Ukrainian Su-27 and MiG-29 fighter jets using road as a runway. pic.twitter.com/TJXlvZ0HOl
— Clash Report (@clashreport) April 10, 2023
Gerade in der Ukraine hat man aber auch gesehen, dass eine entsprechende Vorbereitung elementar ist. Wie in der Schweiz wurden dort schon zu sowjetischen Zeiten Autobahnen als Ersatz-Pisten angedacht. Nicht immer sind die Manöver glimpflich verlaufen, wie in online kursierenden Videos zu sehen ist. So ist in einem Fall ein Strassenschild gerade eben noch an der Triebwerksverkleidung einer Su-27 hängengeblieben.
Ukrainian Air Force exercise almost ends in disaster. https://t.co/RlnYYUBaWd pic.twitter.com/0gWBpsKlS9
— Defence Blog (@Defence_blog) August 28, 2020
Nun habe sich die Sicherheitslage in Europa in den letzten Jahren weiter verschlechtert. So wie in den 70er- und 80er-Jahren, zu Zeiten des Kalten Kriegs: Die Luftwaffe will diese Not-Szenarien nun auch aktiv trainieren.
Welche Flugzeugtypen werden beübt – und kann man zuschauen?
Die Luftwaffe kündigt an, dass die Übung «Alpha Uno» Starts und Landungen mit Kampfflugzeugen des Typs F/A-18 beinhalte. Daraus lässt sich zweierlei herauslesen: Erstens dürfte ein grosser Teil der Übung nicht aus Kampfjet-Starts bestehen, sondern aus deren Vorbereitung mit allem Personal und Material.
Zweitens werden weder das Auslaufmodell Tiger F5 noch die noch gar nicht beschafften neuen F-35 Teil der Übung sein. Was Sinn macht, weil, siehe oben, der effektive Start wohl nur das Tüpfelchen aufs «i» des ganzen Manövers sein dürfte.
Für Aviatik-Fans wird es schwierig, etwas davon zu sehen, heisst es auf Anfrage. Getestet werde nämlich im Rahmen eines WKs: «Aufgrund der Platzverhältnisse ist es nicht möglich, den Test aus der Nähe zu beobachten.»