Der Bund kritisiert Umwelt-Zahlen der SVP
Die SVP Zürich kürt das Klima zum Wahlkampfthema Nummer eins. Die Zuwanderung sei schlecht für die Umwelt, sagt sie. Doch stimmen die verwendeten Zahlen?
Das Wichtigste in Kürze
- Die SVP sieht hinter der «Klimahysterie» den «Umverteilungsteufel» der Linken.
- Die wahre Bedrohung für die Umwelt sei die masslose Zuwanderung.
- Der Bund hat die Angaben auf den SVP-Inseraten unter die Lupe genommen.
Hinter dem Klimahype stecken gar nicht Warnungen von Wissenschaftlern und die Sorge um das Ökosystem Erde. Nein, hinter der «Klimahysterie» steckt der Teufel – der «Umverteilungsteufel» der Sozialisten.
Das behauptet zumindest die Zürcher SVP . Und: Sie weiss auch, was wirklich schlimm ist für die Umwelt. Es sind die eine Million zugewanderten Menschen in unserem Land.
Darum hat die SVP Kanton Zürich um Roger Köppel und Patrick Walder diese These flugs zum Wahlkampfthema gemacht. Mit fünf Inseraten versucht die SVP, das Heft in der Klimadebatte an sich zu reissen. Doch stimmen die Zahlen?
Die Rechnung mit dem Strom
Seit 2005 sind eine Million Menschen zugewandert, was zu zwei Milliarden Kilowattstunden mehr Stromverbrauch geführt habe, rechnet die SVP. 7'459'128 Einwohner im Jahr 2005, 8'542'323 im Jahr 2018: macht ein Plus von 1'083'195 Personen.
Der Stromverbrauch lag 2005 bei 57,33 Milliarden kWh, bestätigt Marianne Zünd vom Bundesamt für Energie BFE. Bei einer Zunahme von zwei Milliarden müsste der Wert 2018 also bei 59,33 Milliarden kWh liegen. «Tatsächlich lag der Stromendverbrauch Ende 2018 bei 57,647 Milliarden kWh, das sind 1,683 Milliarden kWh weniger als behauptet», erklärt Zünd.
Der Stromendverbrauch sei in Realität nur um 317 Millionen kWh gestiegen. Das Bundesamt liefert zur Verdeutlichung eine Grafik. Während die SVP behauptet, dass der Stromverbrauch zunehme, zeigt die Gesamtenergiestatistik das Gegenteil.
Möglich ist, dass die SVP davon ausgeht, dass der Energieverbrauch ohne die Zuwanderung noch mehr gesunken wäre. Dafür gibt es jedoch weder bei der SVP noch beim BFE Belege. Fakt ist: Der Pro-Kopf-Verbrauch sinkt. Zünd: «Die aktuellen Auswertungen zeigen, dass der Energieverbrauch pro Kopf von 2000 bis 2017 bereits um 15,7% gesunken ist.»
Die Rechnung mit der Raumnutzung
Tatsächlich beansprucht jeder Schweizer und Schweizerin 407 Quadratmeter durchschnittlich. Das umfasst alles, wie Klaus von Muralt vom Bundesamt für Statistik erklärt. «In den Siedlungsflächen sind nicht nur überbaute Flächen für Gebäude, Strassen und andere Infrastrukturen eingeschlossen, sondern auch Umschwung von Gebäuden und Verkehrsinfrastrukturen, öffentliche Freiflächen, Sport- und Parkanlagen.»
Der Pro-Kopf-Bedarf an Boden hat seit den 1980er-Jahren zugenommen. Die Zuwanderung ist also nicht alleine schuld. «In Gebieten mit starken Urbanisierungs- und Verdichtungstendenzen ist aber seit 1997 ein Rückgang feststellbar.» Die SVP lehnte die Zersiedelungsinitiative 2019 klar ab.
Die Rechnung mit den Strassenkilometern
Korrekt gerechnet hat die SVP gemäss BFS auch bezüglich Mobilität. Pro Million Einwohner gab es in der Schweiz 543'000 Autos mit durchschnittlich 5925 zurückgelegten Kilometern. «Da pro Auto durchschnittlich 1,56 Personen unterwegs sind, entsprach dies rund 9284 Millionen zurückgelegten Personenkilometern.» Pikant: 2017 lehnte die SVP das Energiegesetz ab, das sie als «Anti-Autofahrer-Gesetz» bezeichnete.