Die Schweiz ist das beste Land der Welt

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Ob der 1.-August-Reden der Bundesräte könnte man enttäuscht oder genervt sein. Eine nicht ganz (aber fast) ernst gemeinte Herleitung, warum sie Weltklasse sind.

Was bei 1.-August-Reden herauskommt, ist oft das, was dieses von Bundespräsident Alain Berset getwitterte Symbolbild auch zeigt: Wie ein Wanderweg-Wegweiser, der den Weg zu den Wanderwegen weist. Aber das ist gut so.
Was bei 1.-August-Reden herauskommt, ist oft das, was dieses von Bundespräsident Alain Berset getwitterte Symbolbild auch zeigt: Wie ein Wanderweg-Wegweiser, der den Weg zu den Wanderwegen weist. Aber das ist gut so. - Twitter/alain_berset

Das Wichtigste in Kürze

  • Stolz sind die Gemeinden, die am 1. August einen Bundesrat als Redner organisieren können.
  • Die Inhalte der Reden sind aber meist absehbar und unspektakulär.
  • Die augenzwinkernde Nau-Analyse: Voilà, darum ist die Schweiz das beste Land der Welt.

Wenn Bundesräte zur 1.-August-Feier geladen werden, sind die Erwartungen hoch. Und sie wurden nicht enttäuscht: In den Ansprachen lieferten alle sieben genau das, was man erwarten konnte. Leider. Und das obwohl einer gar keine Ansprache gehalten hat. Wir fassen zusammen.

Ignazio Cassis stellte seine Rede in Rorschach unter den Titel: «Die Italianità hat ihre Wurzeln in Rorschach». Die Rede ist launig, mit Anekdoten und Detailwissen gespickt, oder hätten Sie gewusst, dass die Raketen-Glacé aus Rorschach stamm? Tatsächlich kamen viele italienische Gastarbeiter nach Rorschach. Der Rest aber ist Blödsinn. Die Italianità ist ein Begriff aus dem 19. Jahrhundert, der zwischenzeitlich von Nationalisten und Faschisten gekapert wurde. In Italien. Nicht in Rorschach. Aber absehbarerweise hat der Tessiner unter den Bundesräten wieder klargestellt, dass er der Tessiner unter den Bundesräten ist.

Guy Parmelin, einziger landesanwesender SVP-Bundesrat, stellt ebenso absehbarerweise klar, dass die Welt von heute sich mit der Schweizer Geschichte von gestern erklären lässt. Schon fast genial und nahe dem Niveau antiker Philosophen ist seine metaphysische Kontemplation, worin denn eine wirklich gute 1.-August-Rede bestehe – dafür braucht er rund einen Drittel seiner wirklich guten 1.-August-Rede. Die dann aber unter dem Titel «Armbrust und Hellebarde» daherkommt. Wir schreiben immer noch 1291.

Alain Berset, diesjähriger Bundespräsident, streift auf dem Rütli tatsächlich ebenfalls das Jahr 1291 – uns wäre fast die Bratwurst (mit Senf) im Hals stecken geblieben, gehört der Tell doch bekannterweise Christoph Blocher und sicher nicht der SP. Zum Glück geht es dann sofort weiter mit Gesundheitswesen, Altersvorsorge und ein bisschen EU. Der Sozialminister in seinem Element. Mit dem grossen Sozialministerthema. Um weiterhin durchzuhalten, brauchen wir jetzt aber einen Kafi. Fertig!

Simonetta Sommaruga sagt im Nau-Interview: «Am 1. August politisiert man eigentlich nicht.» Recht hat sie, wir wollen ja auch nicht dauernd nur von Migrantenströmen hören. Sie hat gut reden, denn politisiert hat sie bereits am Vortag, an der Bundesfeier in Muttenz. Und dabei praktisch ausschliesslich über Flüchtlinge, Heimatlose und das Bundesasylzentrum in Muttenz referiert. Hat man sie deshalb eingeladen gehabt?

Johann Schneider-Ammann, der diesjährige Reden-Rekordhalter, hat es, entgegen seiner üblichen rhetorischen Abschweifungen, in Luzern, der Leuchtenstadt – beliebt in Asien, man sieht das, Japan, Indien, auch China ist sehr im Kommen, China ist ja ein wichtiger wirtschaftlicher Player in der Internationaliät, in Luzern also, hat er es auf den Punkt gebracht: «Wir können nie genug Touristen gehabt haben». Bravo! Aber leider falsch: Gerade Luzern befürchtet, über kurz oder lang vom Tourismus überrollt zu werden.

Doris Leuthard spricht in Villmergen AG über Verantwortung, gemeinsame Lösungssuche und darum eben auch: Das Pariser Klima-Abkommen. Voll ihr Thema. Doch dann, obacht: EU (nicht ihr Ressort), AHV (nicht ihr Departement), Steuervorlage 17 (auch nicht), Gesundheitskosten (nein) und Digitalisierung (ihr Steckenpferd). Leuthard ist ein alter Hase, die Amtsälteste, sie weiss, wie eine gute Rede geht. Deshalb muss sie ja auch zurücktreten.

Ueli Maurer – Moment, Ueli Maurer? Fast hätten wir ihn gar nicht vermisst. Er ist nämlich nicht da. Sondern weilt in einem dieser zweit- und drittbesten Länder der Welt, in Skandinavien. Ueli Maurer sagt dieses Jahr: Nichts. Auch das war absehbar, denn auch das kennen wir ja von Maurer: Er deklariert ja jeweils ganz offen, wenn er «kä Luscht» hat.

Fazit: Unsere Landesväter und -mütter halten 1.-August-Reden, die meist absehbar, nie aufregend, manchmal lustig und selten relevant sind. Anders geht das in der Schweiz nicht: Wir wollen Mittelmass und bitte keine Überraschungen. Sonst: Bratwurst, s. oben.

Denn wirklich grosse Probleme haben wir nicht. Wir gleiten dahin auf den Wellen des Kompromisses und der gemeinsamen Lösungssuche, auf dass es jeder Sturmbö verleidet ob diesen nachhaltig gleichgültigen Eidgenossen, die ihre Regierung wider besseren Wissens auch nächstes Jahr wieder für eine Rede zum Nationalfeiertag anfragen werden.

Wir sind das beste Land der Welt.

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