Dimitri Rougy: «Rudolf Strahm verdient dafür eine gelbe Karte»
Rudolf Strahm warnte vor einem Verlust des Vertrauens in den Sozialstaat, wenn Missbrauch bei der Sozialhilfe nicht überwacht werden darf. Jetzt reagiert Referendums-Initiant Dimitri Rougy. Der ehemalige SP-Nationalrat Strahm habe Unrecht, sagt er.
Das Wichtigste in Kürze
- Dimitri Rougy hat das Referendum gegen das Gesetz zur Überwachung von Sozialhilfebezügern gestartet.
- Für Rudolf Strahm sind solche Überwachungen nötig, um das Vertrauen in den Sozialstaat zu erhalten.
- Rougy wehrt sich gegen Strahms Darstellungen und kritisiert dessen blauäugige Sichtweise.
Wer die Missbrauchsbekämpfung behindere, unterhöhle ungewollt unseren Sozialstaat. Das wirft der ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Strahm dem Referendum in seiner Kolumne vor. Für Dimitri Rougy, Mit-Initiant des Referendums gegen die Sozial-Detektive, vereinfacht Strahm zu stark und ist den Sozial-Detektiven gegenüber zu blauäugig. Im Nau-Interview reagiert er auf die Kolumne von Rudolf Strahm.
Nau: Rudolf Strahm findet Observationen nötig, um den Sozialbetrug bekämpfen zu können. Andernfalls gehe das Vertrauen in den Sozialstaat verloren. Wollen Sie Sozialbetrug ermöglichen, Herr Rougy?
Nein. Nach Art. 148a des Strafgesetzbuches ist Sozialversicherungsbetrug strafbar. Das ist auch richtig so. Die Polizei und die Justiz haben das Fachwissen und die Instrumente, um Missbrauch strafrechtlich zu ahnden und Sanktionen einzuleiten. Dieser Prozess geschieht im rechtsstaatlichen Rahmen. Dieser wiederum sorgt dafür, dass die Kontrolleure auch kontrolliert werden und dass Observationen verhältnismässig und nicht einfach willkürlich und ohne Verdacht durchgeführt werden.
Strahm sagt zudem, dass nur einzelne Verdachtsfälle überwacht werden und es jeweils eine gerichtliche Erlaubnis dafür brauche. Es handle sich also keinesfalls um Stasi-Methoden?
Leider hat Herr Strahm hier Unrecht. Der Einsatz von Versicherungsspionen wird künftig von keinem Richter bewilligt werden müssen. Observationen werden von den Versicherungen - das heisst Krankenkasse, AHV, IV, EL, Unfallversicherungen und weitere - nach Gutdünken eingeleitet werden können. Die Versicherungen dürfen mit diesem Gesetz also mehr, als der Nachrichtendienst oder die Polizei, bei der Fahndung von Terroristen. Und das ganz ohne Kontrolle.
Schlussendlich würden Sie sich mit dem Referendum ein Eigentor schiessen, denn Sie erreichen genau das Gegenteil: Wer die Missbrauchsbekämpfung behindere, unterhöhle den Sozialstaat.
Für diese Aussage verdient Rudolf Strahm eine gelbe Karte. Das ist eine Unterstellung. Wir sind der Meinung, dass Ton- und Bildaufnahmen von privaten Wohn- und Schlafzimmer, die Verwanzung von Autos und der Einsatz von Drohnen, nur möglich sein sollte, wenn ein schwerwiegendes Delikt begangen wurde und ein begründeter Anfangsverdacht besteht.
Das neue Gesetz regelt kaum, was für die Einleitung einer Observation vorliegen muss. Jeder von uns kann also überwacht werden, wenn wir irgendwann Leistungen beziehen. Und das werden und tun wir alle einmal. Denn jeder und jede kann einmal krank sein oder in einen Unfall verwickelt werden. Damit sind wir dann im Visier der Privatdetektive. Dies stellt einen Generalverdacht, eine Schuldvermutung auf.
Ein Vorwurf richtet sich direkt an Sie: Jungpolitiker, direkt vom Hörsaal in den Plenarsaal des Parlaments, würden die Realitäten nicht kennen. Denn in gewissen Milieus herrscht grosse Skepsis gegenüber Sozialschmarotzern. Ihnen fehlt der Kontakt zu solchen Leuten, Herr Rougy?!
Nein. Ich gehöre auch zu jenen Menschen, die unsere Sozialwerke bewahren möchten und spreche häufig mit Menschen aus allen politischen Lagern, die Missbrauch auch bekämpfen wollen. Doch dieses Gesetz ist eine Freikarte für unkontrollierte Überwachung der Bevölkerung. Es richtet sich gegen alle und ermöglicht, dass wir von privaten Detektiven ausspioniert werden. Und das in unseren privatesten Räumen.