Dr. Google weiss: Sie haben das Postfach-Syndrom
Der kreative Umgang mit Suchbegriffen bei Google zeigt: Maschinen sind nicht perfekt. Menschen noch viel weniger. Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Suchmaschine Google sucht auch nach verwandten oder ähnlich geschriebenen Begriffen.
- Beim Post-Vac-Syndrom hat Google etwas zuviel dazugelernt.
- Der Umgang mit Begriffen aus der Corona-Pandemie zeigt aber auch: Wir wissen zuwenig.
Die Suchmaschine Google hilft auch dann weiter, wenn man nicht so genau weiss, was man eigentlich sucht. Woher ich das weiss? Ich habe es gegoogelt. Nicht selten endet solch gutgemeinte Hilfe aber in unfreiwilliger Komik oder wachsenden Zweifeln an der Menschheit.
Google weiss es besser
Wer in einem Gespräch ein Thema oder einen Namen aufschnappt, muss diese nicht notwendigerweise buchstabieren können. Google sucht auch nach ähnlich klingenden Wörtern, korrigiert die Rechtschreibung, sucht auch nach Synonymen und Abkürzungen.
Legendär ist die Funktion «Meinten Sie»: Google nimmt an, dass man möglicherweise eventuell nicht ganz so schlau ist wie sein Algorithmus. Und präsentiert einem die seiner Ansicht nach korrekte Schreibweise samt entsprechenden Suchergebnissen. Denn Google weiss, was wir suchen: Aufgrund unserer und Millionen anderer Suchanfragen. Dank den Daten, die sich der Alphabet-Konzern von uns bei allen erdenklichen Gelegenheiten merkt.
Was ist das Postfach-Syndrom?
Dabei muss Google nicht immer richtig liegen: «Besserweisser» gibt es tatsächlich, zum Beispiel als schwedisches Weizenbier und deutsche Mietberufskleidung. Woher ich das weiss? Ich habe es gegoogelt. Denn diese Suchergebnisse werden trotz allem geliefert.
Die Suchmaschine hat hier zumindest noch einen Funken Selbstwahrnehmung bewahrt und hält sich nicht für perfekt. Etwas beängstigend ist in mehrerer Hinsicht aber die googlesche Hilfestellung, wenn nach dem «Post-Vac-Syndrom» gesucht wird. Dieses bezeichnet die selten auftretenden Erkrankungen nach («post») einer Corona-Impfung («vac-cination»).
Unter den Vorschlägen, wonach ebenfalls noch gesucht werden könnte, findet sich auch: «Was ist das Postfach Syndrom?» Nun ist immerhin denkbar, dass etwelche Radiohörer sich verradiohört hatten und tatsächlich nach diesem komischen Postfach-Syndrom suchten. Der offenbar ernstgemeinte Vorschlag lässt aber nicht nur Google schlecht dastehen.
Schlampiger Umgang mit ernsthaften Themen
Denn Google scheint das «Postfach-Syndrom» als echten Begriff wahrzunehmen. Nichts von «meinten Sie», keine Rechtschreibekorrektur. Das «Postfach-Syndrom» wurde bereits zum realexistierenden «Besserweisser».
Soll man der Technik einen Vorwurf machen, die künstliche Intelligenz verteufeln, oder fällt der Vorwurf vielmehr auf die Google-User zurück? Denn diese haben die Such-Algorithmen schliesslich mittrainiert, indem sie, scheint es, massenhaft nach Postfächern suchten. In der vollen Überzeugung, auf der richtigen Spur zu sein.
Insofern kann man den Vorwurf der vom Post-Vac-Syndrom Betroffenen nachvollziehen: Wenn ein grosser Teil der Bevölkerung nicht versteht, um was es geht, wird man nicht ernst genommen.
Denn wir wissen, dass wir nichts wissen
Gleichzeitig möchte man die Bevölkerung vom Vorwurf entlasten. Wer soll vor lauter mRNA, Spike-Proteinen, R-Wert, Positivitätsrate, rekombinanten Viren und Ad-Hoc-Intensivbetten noch den Überblick behalten? Einerseits, und andererseits zeigt die intensive Sucherei nach Erläuterungen zum Post-Vac-Syndrom, dass das Phänomen durchaus ernst genommen wird.
Eine halbe Million Suchergebnisse bestätigen, dass die Post-Vac-Betroffenen der Welt nicht gleichgültig sind. Doch schon bald wird es eine halbe Million Besserwisser geben, die sich zu Postfach-Experten weitergebildet haben. Woher ich das weiss? Ich habe es gegoogelt.