«Eine schlechte Idee»: Klare Absage an Face-Scan für Zertifikat
Das Wichtigste in Kürze
- Die Prüfung des Covid-Zertifikats könnte per Gesichtserkennung ganz einfach werden.
- SP-Nationalrätin Min Li Martin findet, Sicherheit sei aber wichtiger als Bequemlichkeit.
- Netz-Aktivist Hernâni Marques warnt vor einer totalitären Entwicklung.
Die Prüfung des Covid-Zertifikats kostet Nerven, Zeit und Geld. Das Schweizer Start-Up «Ava-X» hat dafür eine praktische Lösung entwickelt: Nach einer einmaligen Registrierung des Zertifikats und eines Ausweises wird der Einlass mittels Gesichtserkennung geregelt.
Das Winterthurer Unternehmen versichert, es würden keine personenbezogenen Daten gespeichert. Die hinterlegte Signatur lasse keine Rückschlüsse auf Identität oder Aussehen einer Person zu. Ein Missbrauch sei somit ausgeschlossen.
Allerdings zeigen die Reaktionen ganz klar, dass ein grosser Teil der Bevölkerung der Technologie nicht traut.
Min Li Marti «Sicherheit vor Bequemlichkeit»
«Gesichtserkennung hat ein grosses Potenzial, allerdings auch einige Gefahren, gerade auch in automatisierter Form», sagt SP-Nationalrätin Min Li Marti auf Anfrage. «Das bedingt sehr strenge Bedingungen zum Datenschutz und zum Schutz der Privatsphäre auch vor Überwachung.»
Marti sieht daher auch gewisse Fragezeichen in Zusammenhang mit dem Covid-Zertifikat. «Hier scheint mir die Sicherheit wichtiger als allfällige Bequemlichkeit.»
«Ob all diese Zweifel schnell genug ausgeräumt wären, um diese Technologie anzuwenden, scheint mir auch fraglich – es ist ja zu hoffen, dass das das Covid-Zertifikat nur für eine begrenzte Zeit zur Anwendung kommt», gibt Marti zu bedenken.
Auch GLP-Nationalrat und IT-Spezialist Jörg Mäder findet: «Das ist eine schlechte Idee.» Gesichtserkennung solle man eh so wenig wie möglich einsetzen.
Hernani Marques: «Diese Geräte sind intransparent gestrickt»
Dass die Gesichtserkennung beim Covid-Zertifikat ins Spiel kommt, überrascht Hernâni Marques nicht. Der Informatiker und Mitbegründer des Komitees «Geimpfte gegen die Zertifikatspflicht» äusserte bereits vor Wochen seine Bedenken, dass das kommen würde.
Ob der Datenschutz entsprechend den Beteuerungen des Herstellers gewährleistet sei, könne gar nicht beurteilt werden. «Diese Geräte sind intransparent gestrickt – man kann entsprechend nicht öffentlich überprüfen, was die machen, so die Kritik von Marques.
«Rein aus ökonomischen Gründen» bestehe natürlich ein Interesse, gerade für Grossveranstaltungen wie Openairs nächsten Sommer. Marques vermutet aber, dass auch die Kräfte des «Überwachungskapitalismus» mitspielten. «Ein gutes Beispiel aus den USA ist hier Amazon Go, wo man rein mit dem Gesichtsbild operieren kann, um Gegenstände einzukaufen.»
«Totalitäre Entwicklung»
Am Beispiel China sieht der Netz-Aktivist aber auch eine totalitäre Entwicklung im Gange. An die allgegenwärtige Gesichtserkennung seien alle anderen Daten geknüpft. Das ermögliche einen vollständigen Identitätsdiebstahl im digitalen Raum.
Macht Ihnen die mögliche Massenüberwachung Sorgen?
«Einseitig auf das Reich der Mitte zu bashen, wäre aber falsch», betont Marques. Er verweist auf das Forschungsprogramm INDECT der EU mit ähnlichen Absichten, welches von 2009 bis 2014 lief. «Die Coronakrise erscheint hier günstig, um es nach und nach auszurollen», so Marques.
Mit INDECT erprobte die EU eine Massenüberwachung mittels Bildern von Drohnen, Kameras, Daten aus dem Internet und der Handys. Ziel war, «abnormales Verhalten» automatisch zu erkennen, Verdächtige aufzuspüren und Straftaten zu verhindern.