ElCom bestätigt: Strompreise sind Glücksache
Wir wollen es nicht anders: Die Strompreise sind aus Kundensicht ein Roulette, das andere für sie spielen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Strompreise waren in jeder Gemeinde anders, nun steigen sie in jeder Gemeinde anders.
- Auch der Bund bestätigt: Man ist dem Talent des Stromeinkäufers ausgeliefert.
- Manchmal nützt nicht einmal Talent. Ein Kommentar.
Wir haben es kommen sehen, schon vor Monaten, letzte Woche tröpfelten nacheinander die Bestätigungen herein und jetzt haben wir es auch offiziell und im Durchschnitt: Die Strompreise werden auch nächstes Jahr steigen. Nur, wie wir ebenfalls schon festgestellt haben: Nicht überall um gleich viel. Weil auch in den Jahren zuvor alles immer gaaanz speziell anders sein musste, kann der Strompreis schon in der Nachbargemeinde höher oder tiefer ausfallen.
ElCom bestätigt: Das sieht nicht gut aus
Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (ElCom) kann zwar auch nichts dafür, aber sie kann es wenigstens kompetent ausrechnen und Begründungen liefern. «Es ist auch ein Stück weit gewollt – ein föderaler Flickenteppich», sagt ElCom-Geschäftsführer Urs Meister.
Zum Beispiel, weil die Topografie eine Rolle spielt – im hintersten Chrachen wird die Handy-Ladung so halt eben teurer, soll das wohl heissen. Nur haben zum Beispiel die vier bernischen Gemeinden Grosshöchstetten, Konolfingen, Münsingen und Wichtrach eine einigermassen vergleichbare Topografie. Sie decken aber fast das ganze Spektrum von Strompreisen ab.
Züri-Ost wie Züri-West
Gleiches Bild im Zürcher Oberland: Pfäffikon ZH, Wetzikon, Gossau ZH und Grüningen liegen zwar eng aneinander gelehnt. Bei den Strompreisen aber tun sich tiefe Gräben auf. Denn, sagt eine alte ElCom-Weisheit: Es spielen eben auch noch die Gemeinde-Abgaben eine Rolle – weil man das so wolle.
Nur sind die genannten bernischen Gemeinden diesbezüglich eh alle im roten Bereich und die zürcherischen im grünen. Woher ich das weiss? Von der ElCom-Homepage. Landschaftlich und Abgibig angeblich kaum zu unterscheiden, doch trotzdem resultiert eine Tarnfarben-Karte mit dem Charme eines ÖV-Sitzbezugs. Man will es nicht anders.
Jeder sein eigener Stromgärtner
Weil: «Jedes Versorgungsunternehmen kauft anders Strom ein am Markt», weiss Urs Meister. Und von diesen gibt es Hunderte. Strom möglichst günstig einzukaufen ist allerdings kein Kinderspiel, denn im Strommarkt spielen Faktoren eine Rolle, die man nur versteht, wenn man auch den dritten Teil von «Zurück in die Zukunft» verstanden hat.
Die Versorgungsunternehmen kaufen zu einem bestimmten Zeitpunkt Strom für einen bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten Preis. Ohne zu wissen, ob zum eben erwähnten bestimmten Zeitpunkt dies er Preis Sinn macht oder nicht, ob Deutschland Gaskraftwerke an- oder abstellt, französische AKWs in Panne sind oder nicht, oder Schweizer Stauseen das Fass zum Überlaufen bringen. Oder nicht.
Also muss man sehr, sehr schlau sein, um hier das Beste für seine Stromkunden herauszuholen. Oder man fragt Tarotkartenlegerin und Wahrsagerin Ariella, denn die macht durch ihren Lichtkanal alles von Transformationen über Karma bis zu Energiearbeit. Die liefert zwar keinen Strom, aber eine Antwort auf die Frage: Kaufen oder nicht?
Für den durchschnittlichen Durchschnittshausalt von fünf Zimmern mit Elektroherd und Tumbler und ohne Elektroboiler, also mit durchschnittlichem Verbrauch – oder, wie die ElCom sagt: «H4» – heisst das: Man ist abhängig vom Versorger. «Das Einzige, was man tun kann, ist, den eigenen Verbrauch einzuschränken», sagt Urs Meister. Er weiss aber auch: «Realistisch gesehen sind da bei vielen Haushalten die Möglichkeiten sehr beschränkt», aber wir wollen das so.
Was sollen wir bloss tun? Würfeln?!
Könnte man denn nicht so, rein hypothetisch, in der Theorie wenigstens praktisch etwas dagegen tun? Grössere Regionen als nur grad Gemeinden, der vielgepriesene liberalisierte Strommarkt vielleicht? «Potenziell schon», mach uns Urs Meister Hoffnung. Wäre die Wahl des Stromversorgers frei, wäre man nicht mehr von dessen möglicherweise verhauenen Einkaufspreis abhängig. «Sondern würde dann einfach selbst seinen Versorger wählen und ist dann abhängig von dessen Einkaufspreis.»
Auch grössere Regionen seien eine Alternative: «Entscheidend könnte dann aber sein, wie es um die Professionalität des Einkaufs steht, die Strukturierung des Einkaufs, vielleicht gibt es da ein gewisses Potenzial.» Lies: Auch da kann man Glück haben, denn die dümmsten Bauern haben die dicksten Kartoffeln und auch die unterbelichtetsten Stromhändler finden mal ein Korn in der Suppe, die heiss gegessen wird.
Windenergie anders genutzt: Finger in die Luft
Immerhin wäre man im liberalisierten Strommarkt wenigstens seines eigenen Glückes Schmied, eigenverantwortlich, aber je nachdem auch selber schuld. Das könne man überspitzt gesagt so sehen, sagt der ElCom-Meister: «Man begibt sich einfach in die Abhängigkeit eines Anbieters am Markt», mit Betonung auf «am Markt». Denn nun hat man auch die Möglichkeit, diesen «Anbieter am Markt» zu wählen oder auch zu wechseln.
Nach ausführlichem Studium des Strommarktes im Allgemeinen und des Grossvaterparadoxons bei Zeitreisen im Speziellen weiss man dann ja auch ganz bestimmt, welchen Anbieter man wählen soll. Nur macht das ja niemand. Also wählt man halt x-einen, «den, der einem am vertrauenswürdigsten erscheint, beispielsweise», empfiehlt Urs Meister.
Einer der schlau vorausblickt und nicht spekuliert, aber auch der kann ja nicht alles wissen und dann brennen bei W.P. aus M. die Sicherungen durch und wir haben eine Strommangellage. Kann man nichts dagegen tun.
Ariella heisst übrigens mit richtigem Namen Johann, hat tatsächlich keine Ahnung von Gasen, Atomen und Wässerchen, von Tarotkarten ganz zu schweigen. Und hat nur deshalb den Ukraine-Krieg korrekt vorausgesagt und das Strompreis-Bingo gewonnen. Wollen wir das wirklich?