Frangsä Fedärall war gestern – lernen Sie Bundesdeutsch!
Wenn in Bundesbern Entscheide fallen, fallen auch gewichtige Worte. Verständlicherweise? Ein Kommentar.
Das Wichtigste in Kürze
- In Bundesbern scheint es auch ein eigenes Deutsch zu geben.
- Um den Sachverhalten gerecht zu werden, entstehen Megariesenwortschöpfungen.
- Eine Regel mit Ausnahmen zum Dahinschmelzen. Ein Kommentar.
Heute war wieder so ein Tag: Der Bundesrat entscheidet im Akkord, bis einem der Kopf raucht. Über Kranken- und Pensionskassen, AHV und Jugendförderung, Meteorologie und Militärgerichte, Datenbanken und Schadensregister, Skyguide und Sanktionen, Bundesamtsdirektoren und Bühnenkünstler. Die Themenvielfalt allein strapaziert schon die geistige Flexibilität der geneigten Leserschaft. Aber es kommt noch besser.
Wörter wie Vierwaldstätterlochnessmonster
Naturgemäss müssen die Mitteilungen aus der Landesregierung präzis und sachlich sein. Also werden die Sachverhalte mit Worten beschrieben, die genau das, und nur das, meinen, was gesagt werden muss. In einem einzigen Wort. Wir sind hier ja nicht in der Märchenstunde jeden zweiten Samstag im Monat um 9.45 Uhr, bitte 10 Minuten vorher eintreffen und die nassen Sachen vorne im Windfang deponieren.
Nein, hier geht es um knallharte Entscheide, Ja oder Nein, Null oder Eins, wie in 1001 Nacht nicht. Jeden Mittwoch! Oder manchmal auch Freitag, oder gar nicht; so streng sind die.
Deshalb erbringt Skyguide «Flugsicherungsdienstleistungen», die Krankenkassen bekommen eine bessere «Risikoausgleichsstatistik», die Jugendförderung eine «Koordinationstätigkeit»,
HTA-Berichte werden überprüft und dies liefert wertvolle Hinweise, beispielsweise zu «osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen». Vernehmlassungsergebnisse werden zur Kenntnis genommen und die «Ausführungsbestimmungen» der gesetzlich vorgesehenen «Kompensationsmassnahmen» in der «Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)» entsprechend präzisiert. Für die «Übergangsgeneration», versteht sich, aber das haben Sie sich sicher schon gedacht.
Ungeniessbare Amtssprache
Die «Militärappellationsgerichte» kann man nicht essen, da will Sie wohl der Gerichtspräsident veräppeln. Oder die Gerichtspräsidentin, denn davon brauche es immer mehr, schreibt der Bundesrat: Bestimmte «Fallkonstellationen» erfordern «eine Frau im Spruchkörper». Ein Spruchkörper ist deswegen aber noch lange kein Transgender-Komiker.
All dies will geregelt sein. Wie auch die Definition von «freier Halbtag» für Bühnenkünstlerinnen und Bühnenkünstler, ohne dass dadurch der «Normzweck von Artikel 21 ArG» verletzt würde. Applaus, das hat der Bundesrat geschafft: Mit einem neuen «Zeitfenster», das entgegen Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe b ArGV 1 nicht von 12 bis 20, sondern bis 22 Uhr dauert. Verbeugen, Blumen, Vorhang, Zeitfenster geschlossen.
Und wenn sie nicht gestorben sind…
Egal ob «geldwäschereirechtliche Sorgfaltspflichten» bei der «Transparenz juristischer Personen» oder die Abschwächung der Progression zugunsten einer zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung: Es gibt für alles Wörter. Wörter, die all diesen neuen Dingen der modernen Gesellschaft einen Namen geben. Wie «Regulierungsfolge-Abschätzung»: Das gab es noch nicht, damals.
Aber wissen Sie was? Manchmal hat die moderne Gesellschaft längst ein Wort gefunden für diese damaligen Nichtigkeiten, wie zum Beispiel: «Bundesratsjet». Und der Bundesrat nennt es trotzdem «Staatsluftfahrzeug». Ist das nicht... märchenhaft?