Frangsä Fedärall war gestern – lernen Sie Bundesdeutsch!

Matthias Bärlocher
Matthias Bärlocher

Bern,

Wenn in Bundesbern Entscheide fallen, fallen auch gewichtige Worte. Verständlicherweise? Ein Kommentar.

Bundeshaus Alpen Nacht
Märchenhaft schön: Das Bundeshaus vor dem Alpenpanorama. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Bundesbern scheint es auch ein eigenes Deutsch zu geben.
  • Um den Sachverhalten gerecht zu werden, entstehen Megariesenwortschöpfungen.
  • Eine Regel mit Ausnahmen zum Dahinschmelzen. Ein Kommentar.

Heute war wieder so ein Tag: Der Bundesrat entscheidet im Akkord, bis einem der Kopf raucht. Über Kranken- und Pensionskassen, AHV und Jugendförderung, Meteorologie und Militärgerichte, Datenbanken und Schadensregister, Skyguide und Sanktionen, Bundesamtsdirektoren und Bühnenkünstler. Die Themenvielfalt allein strapaziert schon die geistige Flexibilität der geneigten Leserschaft. Aber es kommt noch besser.

Wörter wie Vierwaldstätterlochnessmonster

Naturgemäss müssen die Mitteilungen aus der Landesregierung präzis und sachlich sein. Also werden die Sachverhalte mit Worten beschrieben, die genau das, und nur das, meinen, was gesagt werden muss. In einem einzigen Wort. Wir sind hier ja nicht in der Märchenstunde jeden zweiten Samstag im Monat um 9.45 Uhr, bitte 10 Minuten vorher eintreffen und die nassen Sachen vorne im Windfang deponieren.

Nein, hier geht es um knallharte Entscheide, Ja oder Nein, Null oder Eins, wie in 1001 Nacht nicht. Jeden Mittwoch! Oder manchmal auch Freitag, oder gar nicht; so streng sind die.

Bundesrat Sitzung 2023
Der Bundesrat an seiner ersten Sitzung in neuer Zusammensetzung, am 11. Januar 2023. - keystone

Deshalb erbringt Skyguide «Flugsicherungsdienstleistungen», die Krankenkassen bekommen eine bessere «Risikoausgleichsstatistik», die Jugendförderung eine «Koordinationstätigkeit»,

HTA-Berichte werden überprüft und dies liefert wertvolle Hinweise, beispielsweise zu «osteoporotischen Wirbelkörperfrakturen». Vernehmlassungsergebnisse werden zur Kenntnis genommen und die «Ausführungsbestimmungen» der gesetzlich vorgesehenen «Kompensationsmassnahmen» in der «Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVV)» entsprechend präzisiert. Für die «Übergangsgeneration», versteht sich, aber das haben Sie sich sicher schon gedacht.

Ungeniessbare Amtssprache

Die «Militärappellationsgerichte» kann man nicht essen, da will Sie wohl der Gerichtspräsident veräppeln. Oder die Gerichtspräsidentin, denn davon brauche es immer mehr, schreibt der Bundesrat: Bestimmte «Fallkonstellationen» erfordern «eine Frau im Spruchkörper». Ein Spruchkörper ist deswegen aber noch lange kein Transgender-Komiker.

Militärgericht
Ein Militärgericht (Symbolbild). - VBS/DDPS / Sam Bosshard

All dies will geregelt sein. Wie auch die Definition von «freier Halbtag» für Bühnenkünstlerinnen und Bühnenkünstler, ohne dass dadurch der «Normzweck von Artikel 21 ArG» verletzt würde. Applaus, das hat der Bundesrat geschafft: Mit einem neuen «Zeitfenster», das entgegen Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe b ArGV 1 nicht von 12 bis 20, sondern bis 22 Uhr dauert. Verbeugen, Blumen, Vorhang, Zeitfenster geschlossen.

Und wenn sie nicht gestorben sind…

Egal ob «geldwäschereirechtliche Sorgfaltspflichten» bei der «Transparenz juristischer Personen» oder die Abschwächung der Progression zugunsten einer zivilstandsunabhängigen Individualbesteuerung: Es gibt für alles Wörter. Wörter, die all diesen neuen Dingen der modernen Gesellschaft einen Namen geben. Wie «Regulierungsfolge-Abschätzung»: Das gab es noch nicht, damals.

Staatsluftfahrzeug Bundesratsjet
Achtung, Achtung, Mitteilung des Bundesrats: Es fliegt etwas in der Luft. - Screenshot admin.ch

Aber wissen Sie was? Manchmal hat die moderne Gesellschaft längst ein Wort gefunden für diese damaligen Nichtigkeiten, wie zum Beispiel: «Bundesratsjet». Und der Bundesrat nennt es trotzdem «Staatsluftfahrzeug». Ist das nicht... märchenhaft?

Kommentare

User #5526 (nicht angemeldet)

Die Amtssprache Deutsch ist seit Zwingli das deutschschweizerische Standarddeutsch.

User #1786 (nicht angemeldet)

Zum Glück gibt es auch viel einfachere Begriffe, die noch immer äusserst populär sind und vom Souverän stets verstanden werden. 1. "Wir haben uns verschätzt": Wird oft und gerne als Entschuldigung nach Volksabstimmungen gebracht, wenn die Entwicklung der beschlossenen Sache danach 180 Grad entgegen der "Versprechen" (aka Lügen) des BR im Vorfeld der Abstimmung verlaufen - was sie in 95% der Fälle leider tun! 2. "Wir sind besorgt": Wird bei besonderen, unvorhergesehenen Ereignissen verwendet, wenn man dazu irgendwas sagen muss (weil andere es auch tun), aber davon eigentlich keine Ahnung hat, oder es einem egal ist, weil man dagegen eh nichts machen kann. 3. "Die Stimmbürger waren überfordert", oder "die Vorlage war zu kompliziert, oder überladen": Wird stets bei verlorenen Abstimmungen gebracht, wenn der Souverän ausnahmsweise mal den Braten gerochen und entgegen den "Empfehlungen" des BR abgestimmt hat. 4. "Netto-Null": Inflationär verwendeter Begriff für "Eigentlich haben wir keine Ahnung, aber a.) klingt es gut, b.) machen es die anderen ja auch, also wird es c.) schon gut sein! Wenn wir mal Genaueres wissen und es dann anpassen müssen, schreiben wir ins Kleingedruckte einfach, "der Bundesrat kann bei Bedarf..." 5. "Für nur Fr. xx": (Ach, lassen wir das.., siehe unter 1.)

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