Genossen pfeifen Balthasar Glättli und Min Li Marti zurück
Ein Familientisch in Zürich, zwei Parteipräsidien: Balthasar Glättli (Grüne) und Min Li Marti (SP) stellen eine bisher nie gestellte Frage im Politikbetrieb.
Das Wichtigste in Kürze
- Min Li Marti und Ehemann Balthasar Glättli könnten beide Parteipräsidenten werden.
- Glättli bei den Grünen, Marti bei der SP – dies würde Vertraulichkeits-Fragen aufwerfen.
- Für Nationalratskolleginnen wäre die Situation allerdings nicht ideal.
Er ist im Gespräch für die Parteileitung bei den Grünen, sie hat Chancen im Frühling SP-Chefin zu werden. Das Ehepaar Glättli und Marti ist drauf und dran, zu einem der mächtigsten Paare der Schweiz aufzusteigen. Ein internationales Novum.
In den 1990er Jahren gab es in der Schweiz ein ähnliche Politikfamilie: Stephanie und Ruedi Baumann aus Suberg im Kanton Bern. Während Ruedi Baumann zwölf Jahre für die Grünen im Nationalrat sass, vertrat seine Frau Stephanie die Sozialdemokraten. Und: Ruedi Baumann war 1997-2001 auch Präsident der Grünen Schweiz.
Min Li Marti und Balthasar Glättli sind verheiratet und haben eine knapp zweijährige Tochter. Politisch beide links, setzten sie sich für zwei verschiedene Parteien ein. Balthasar Glättli stieg als Zürcher Gemeinderat für die Grüne in den Politbetrieb ein. Seit 2011 sitzt er im Nationalrat und führt seit sechs Jahren die Grünen-Fraktion.
Balthasar Glättli Topfavorit bei den Grünen
Nachdem Regula Rytz als Präsidentin der Grünen Schweiz abtreten will, bekundete Glättli Interesse am Amt. Und der 47-Jährige zählt in der Tat zu den Favoriten auf den Posten. Im März dürfte Glättli daher allem Anschein nach zum Grünen-Chef aufsteigen.
Glättlis Frau Min Li Marti gehört derweil zum engsten Favoritenkreis um die Nachfolge von SP-Präsident Christian Levrat. Neben Flavia Wasserfallen und Mattea Meyer hat sie gute Aussichten – sollte sie im Frühling tatsächlich kandidieren.
Die zweitstärkste Partei im Land – die SP erreichte bei den Wahlen 16,8 Prozent – und die viertstärkste – die Grünen kamen auf 13,2 Prozent – geführt aus einem Zürcher Wohnzimmer? Das wäre schweizweit, ja europaweit einzigartig.
Zudem würden sich Fragen nach Vertraulichkeit und Distanz stellen. Ob Marti und Glättli Fragen zu Personalentscheiden, Parteitaktiken oder -absprachen für sich behalten könnten.
Nationalrätinnen sind kritisch
Die Zürcher SP-Präsidentin Priska Seiler Graf kann sich vorstellen, dass Marti und Glättli Berufliches und Privates trennen könnten.
«Ich traue beiden vollkommen zu, diese beiden Rollen gut und gewissenhaft ausführen zu können, auch wenn diese Konstellation schwierig wäre», sagt sie. Doch sie fügt an: «Aber ich fände es ehrlich gesagt nicht geschickt.»
Für Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan wäre ein solches Familien-Szenario indessen lösbar. «Es wäre wohl eine Herausforderung, nicht aber ein Problem.»
Sie hätten wohl das stärkste Wohnzimmer der Schweiz, so Arslan. «Und ein Nachtessen bei ihnen wäre sicher sehr begehrt und spannend», fügt sie augenzwinkernd hinzu.