Gesichtserkennung des Bundes auf dünner rechtlicher Grundlage
Das Fedpol will seine Datenbank künftig nach Gesichtsbildern durchsuchen. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind dünn, erklärt eine Expertin.
Das Wichtigste in Kürze
- Künftig soll die Datenbank der Bundespolizei nach Bildern durchsucht werden können.
- Die rechtlichen Grundlagen dafür sind dünn: Die Neuerung basiert auf einer Verordnung.
- Expertin Monika Simmler fordert Grundlagen auf Gesetzesstufe und politische Debatten.
Das automatisierte Fingerabdruck-Identifikationssystem «Afis» der Bundespolizei (Fedpol) wird modernisiert: Der Bundesrat hat einen Kredit von knapp 25 Millionen Franken bewilligt, um das System bis 2026 zu erneuern. Doch der amtliche Name des Systems ist irreführend. Die Datenbank verfügt nicht nur über Fingerabdrücke, sondern auch über rund eine Million Gesichtsbilder von 400'000 Personen.
Es handelt sich dabei um die Bilder aller Verdächtigen, die im Rahmen von Strafverfahren jüngst «erkennungsdienstlich erfasst» wurden. Bei Straftätern werden die typischen Polizeifotos, die man aus dem Fernsehen kennt, bis zu dreissig Jahre lang gespeichert. Hinzu kommen Aufnahmen aller registrierten Asylsuchenden, die in der Datenbank ebenfalls hinterlegt und zwei Jahre lang abrufbar sind.
Bis anhin besteht in «Afis» jedoch keine Möglichkeit, die Datenbank nach Gesichtern zu durchsuchen. Dies soll sich demnächst ändern: Mit dem Projekt «Afis 2026» beschafft das Fedpol auch eine Software, welche diese Datenbank mit Gesichtserkennung durchsuchen kann.
Angst vor Aufschrei
Um einen allfälligen Aufschrei zu verhindern, bewirbt das Fedpol die Neuerung mit einem Präventiv-Dementi: Das Potenzial der neuen Technologie könne nur sehr beschränkt benutzt werden. Es handle sich dabei lediglich um einen «Gesichtsbildabgleich», nicht aber um Gesichtserkennung.
Die Bilder könnten nur mit der Polizeidatenbank «Afis» abgeglichen werden, nicht aber mit weiteren Quellen. Der Zugriff auf die Datenbank der Identitätskarten und Reisepässe sei nicht möglich. Gleiches gelte für Bilder auf den sozialen Medien oder für Bilder von Überwachungssystemen.
Irreführende Kommunikation
Doch auch ein «Gesichtsbildabgleich» funktioniert nur mit Gesichtserkennungssoftware. Das Gesicht wird vermessen und als Raster von Datenpunkten dargestellt – ein «Gesichtsbildabgleich» ist eine Anwendungsform der Gesichtserkennung. Auf Anfrage der «CH Media» räumt ein Sprecher der Bundespolizei ein, dass die gewählte Formulierung nicht korrekt sei.
Die irreführende Kommunikation zeuge von Nervosität vonseiten des Fedpol und sei verständlich: Die gesetzlichen Grundlagen für das Vorhaben sind dünn. Das ganze Projekt stützt sich auf eine Verordnung aus dem Jahr 2013, die lediglich ein paar vage Vorgaben macht.
Strafrechtsprofessorin fordert Regelung auf Gesetzesstufe
Für Strafrechtsprofessorin und Gesichtserkennungs-Spezialistin Monika Simmler von der Universität St. Gallen stellt der geplante Gesichtsbildabgleich allerdings einen schweren Grundrechtseingriff dar, weil besonders schützenswerte Personendaten bearbeitet werden. Gegenüber «CH Media» erklärt die Expertin: «Dafür genügt eine Pauschalermächtigung auf Verordnungsstufe nicht.»
Die Rechtsgrundlagen seien viel zu allgemein formuliert, erklärt sie. Simmler fordert deshalb eine Regelung auf Gesetzesstufe, um die Grenzen der Gesichtserkennung in einer politischen Debatte zu klären. Auf diese Weise könne der Bundesrat dieselben nicht länger unilateral definieren.
Kantone dürfen künftig keine Gesichtserkennung anwenden
Bereits heute nutzen einige Kantone Gesichtserkennungstechnologien für Ermittlungen. Wenigstens hier schaffe die Kommunikation des Bundes Klarheit: Es sei erfreulich, dass der Bundesrat festhalte, dass alle anderen Arten der Nutzung dieser Technologien durch den Staat unrechtmässig seien. Auf diese Weise würden die kantonalen Polizeikorps ausgebremst, die bereits heute mit der Technologie arbeiten. Die Nutzung sei nur noch durch das Fedpol erlaubt, erklärt Simmler gegenüber «CH Media».
Als Grund für die Einführung der neuen Technologie nennt das Fedpol den technologischen Fortschritt: Vor zehn Jahren lag die Trefferquote bei einem Gesichtsabgleich mit Fotos von guter Qualität unter 80 Prozent. Inzwischen habe sich diese Quote allerdings auf über 99 Prozent verbessert. Mit der neuen Software führt die Schweizer Bundespolizei überdies nur etwas ein, was in anderen Ländern schon lange eingesetzt wird: In Frankreich, Österreich oder Deutschland sind vergleichbare Systeme längst im Einsatz.