Grüne halten sich plötzlich bedeckt mit Bundesrats-Ansprüchen
Seit Monaten mahnen die Grünen, bei einem Wahlerfolg liege ein Grüner Bundesratssitz auf der Hand. Jetzt wo es ernst gilt, will man lieber nicht darüber reden.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Grünen stehen kurz vor einem grossen Erfolg bei den Wahlen 2019.
- Dadurch hätten sie Anspruch auf einen Bundesratssitz, sagten auch die Grünen selbst.
- Doch wenige Tage vor den Wahlen hält sich die Parteispitze diesbezüglich bedeckt.
Laut Umfragen werden die Grünen die grossen Wahlgewinner sein und womöglich die Bundesratspartei CVP übertrumpfen. Dadurch wäre ein Sitz im Bundesrat zumindest in der Theorie gerechtfertigt. Doch plötzlich will man bei den Grünen das Thema lieber unter den Teppich kehren.
Dreikampf CVP, Grüne und FDP prognostiziert
Die Grünen könnten nicht nur mehr Wähleranteile als die CVP schaffen, sondern auch die FDP in Bedrängnis bringen. Anders als die CVP hat die FDP zwei Bundesratssitze, aber nicht etwa doppelt so viel Wähleranteil. «Wenn die FDP unter 15 Prozent fällt, wird sicher eine Diskussion entstehen, ob sie den zweiten Sitz behalten darf», sagt Umfrage-Macher Michael Hermann.
Doch darüber will Grünen-Chefin Regula Rytz heute nicht reden. Man sei voll im Wahlkampf, um im Parlament Mehrheiten für grüne Themen zu schaffen. Über die Bundesrats-Zusammensetzung rede man dann nach dem 20. Oktober: «Bis dahin ist alles Spekulation», betont Rytz auf Anfrage.
Das klang bei den Grünen auch schon anders
Damit hat Rytz natürlich nicht Unrecht. Stutzig macht aber, dass bis vor Kurzem die Grünen sehr freimütig über Bundesrats-Ambitionen plauderten. «Ein Sitz im Bundesrat ist durchaus möglich», sagte Rytz Ende 2017 zu Nau. Und das wenn man nur schon in die Nähe der CVP komme.
Zwei Sitze für die FDP seien eh schon heute nicht gerechtfertigt. Angreifen würde man Ignazio Cassis, hört man bei den Grünen seither, und nicht FDP-Frau und überaus beliebte Bundesrätin Karin Keller-Sutter. Auch Fraktions-Chef Balthasar Glättli betonte schon letztes Jahr: Ein Wahlergebnis muss sich auch in er Regierung widerspiegeln. Im Sommer hiess es bei den Grünen stets, dass ein Wahlerfolg die Forderung nach einem Bundesratssitz nach sich ziehen werde.
Keine Zwängerei zur Unzeit
Warum haben die Grünen dann plötzlich Angst vor dem eigenen Mut? Zunächst ist nirgends festgeschrieben, was genau das Prozedere ist. FDP-Präsidentin Petra Gössi stellt sich auf den Standpunkt, die Grünen müssten ihren Wahlerfolg erst einmal in vier Jahren bestätigen.
Dann brauchen die Grünen auch genügend Stimmen. Diejenigen der SP sind ihnen keineswegs sicher: Parteipräsident Christian Levrat will keine amtierenden Bundesräte abwählen. Die SP dürfte zudem zögern, weil es dann drei linke Bundesräte gäbe. Je nach künftigen Wahlresultaten käme so der zweite SP-Sitz ins Wanken.
Geheimplan mit Grünliberalen?
Aufschlussreich ist aber ein Nebensatz von Regula Rytz im Nau-Interview. Sie spricht nicht von einem Grünen Sitz, sondern von der «ökologischen Stimme» in der Landesregierung. Verbergen sich hinter der abstrakten Formulierung etwa ganz andere Pläne, zusammen mit den Grünliberalen? Rechnet man deren hypothetischen Wähleranteile dazu, kommen die «ökologischen Stimmen» auf 17 oder 18 Prozent.
Das ist nicht nur mehr als die FDP, sondern auch bereits im Bereich der SP. Gegen dieses Szenario spricht, dass Grüne und GLP sich in vielen Themen deutlich unterscheiden. Genau dies spricht aber auch dafür: So könnte dieser Sitz nicht eindeutig dem linken Block zugerechnet werden. Dann bräuchte es allerdings noch eine Person, die diesen Spagat verkörpert – Kronfavoritin Rytz wäre dann aussen vor.