Diskussion über Haftungsregeln für Konzerne wird verschoben
Das Wichtigste in Kürze
- Zur Debatte steht ein indirekter Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative.
- Der Antrag von Ruedi Noser wurde angenommen, so wird jetzt erst nach den Wahlen diskutiert
Der Ständerat hätte sich heute Donnerstag zum zweiten Mal mit der Frage beschäftigen sollen, ob Schweizer Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden von Tochtergesellschaften im Ausland haften sollen.
Ruedi Noser (FDP/ZH) hatte beantragt, das Geschäft von der Tagesordnung abzusetzen. Das Anliegen fand eine Mehrheit – deshalb wird die Beratung erst nach den Wahlen stattfinden.
Noser begründete seinen Antrag mit einer vor kurzem erfolgten Stellungnahme des Bundesrates. Die Kommission sollte Gelegenheit erhalten, das Geschäft in diesem Lichte nochmals zu beraten, argumentierte er.
Zweimal für Gegenvorschlag
Zur Debatte steht ein indirekter Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Im Frühjahr hatte sich der Ständerat mit 22 zu 20 Stimmen gegen einen solchen ausgesprochen. Die Mehrheit erachtet eine Regulierung als unnötig und schädlich für die Schweizer Wirtschaft.
Der Nationalrat hat sich aber bereits zweimal für einen Gegenvorschlag ausgesprochen. Allerdings zeichnete sich in der Debatte ab, dass der ursprüngliche Gegenvorschlag abgeschwächt werden könnte. Ein Teil der Befürworterinnen und Befürworter im Nationalrat möchte auf Haftungsregeln verzichten.
Die Rechtskommission des Ständerates ist für einen Gegenvorschlag mit Haftungsregeln. Das hat sie mit 8 zu 3 Stimmen beschlossen. Um eine Zunahme der Gerichtsverfahren zu verhindern, möchte sie ein Sonderschlichtungsverfahren einführen.
Eine Kommissionsminderheit möchte die Haftungsbestimmungen streichen und sich auf eine Pflicht zur Sorgfaltsprüfung und Berichterstattung beschränken. Weiter beantragt die Minderheit eine Subsidiaritätsklausel: Die Kläger sollen soweit zumutbar im Ausland gegen die Tochtergesellschaft vorgehen, welche die Menschenrechts- oder Umweltrechtsverletzung begangen hat. Mit einem solchen Gegenvorschlag dürften die Initianten auf einer Volksabstimmung beharren.
Bundesrat gegen Haftungsregeln
Ob der Ständerat am Donnerstag überhaupt über den Inhalt eines Gegenvorschlags beraten wird, ist aber ungewiss.
Der Bundesrat hatte sich im August erneut mit der Konzernverantwortungsinitiative und einem möglichen Gegenvorschlag befasst. Er bekräftigte dabei, dass er Haftungsregeln ablehnt - auch abgeschwächte.
Einverstanden ist der Bundesrat lediglich mit einer Pflicht für Unternehmen, über Nachhaltigkeit und die Achtung der Menschenrechte und des Umweltschutzes Bericht zu erstatten, wie er bereits in der Botschaft zur Initiative geschrieben hatte. Die Pflicht soll für Unternehmen mit über 500 Mitarbeitenden gelten.
Hinter der Initiative stehen Hilfswerke, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen. Ihnen geht es zum Beispiel um die Vergiftung von Bäuerinnen und Bauern durch Pestizide auf Baumwollfeldern in Indien, Kinderarbeit auf Kakaoplantagen in Burkina Faso, Menschenrechtsverletzungen in Marokko oder verschmutzte Flüsse und abgeholzte Regenwälder im Kongo.
Wirtschaftsverbände für Gegenvorschlag
Oft seien Unternehmen mit Sitz in der Schweiz beteiligt, argumentieren die Befürworterinnen und Befürworter strengerer Regeln. Es dürfe nicht sein, dass sich Schweizer Unternehmen mit Kinderarbeit und Umweltverschmutzung im Ausland bereicherten.
Für einen indirekten Gegenvorschlag mit Haftungsregeln setzen sich auch Exponenten aus der Wirtschaft sowie Wirtschaftsverbände aus der Westschweiz ein, darunter das Centre Patronal und das Groupement des Entreprises Multinationales.
Die Verbände economiesuisse und Swissholdings hingegen bekämpfen einen Gegenvorschlag mit Haftungsregeln. Dabei berufen sie sich auch auf die Uno-Leitprinzipien zu Wirtschaft und Menschenrechten. In einem Brief behaupten sie, der Gesetzesentwurf widerspreche diesen. Der Brief ist an das Business and Human Rights Resource Centre (BHRC) adressiert und auf dessen Website veröffentlicht. Das BHRC hatte die Wirtschaftsverbände gebeten, ihre Haltung zu erklären.