Korruption

Korruption bei Ruag? Die wichtigsten Punkte zum Panzer-Skandal

Ersatzteile für Panzer der Schweizer Armee sollen verhökert worden sein. Missstände in der Ruag-Führung haben solches begünstigt.

Panzer Leopard 2 Ruag
Ein Mechaniker wartet die Raupen an einem Panzer vom Typ Leopard 2 in einer Wartungshalle der Ruag, am 20. März 2023, in Thun BE. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Finanzkontrolle (EFK) hat Betrugsvorwürfe bei der Ruag untersucht.
  • Ein Kadermann soll Ersatzteile aus Armeebeständen verkauft haben.
  • Die Ersatzteillager sind laut EFK «chaotisch», das VBS hat keine Übersicht.

Armeematerial soll verscherbelt worden sein. Die für die Armee verwalteten Lager sind unübersichtlich und wurden nie kontrolliert. Mehrere Strafverfahren laufen. Es geht um Panzerersatzteile und Führungsmängel bis ins VBS hinauf.

Die Ruag steht im argen Gegenwind: Drei Berichte der Finanzkontrolle (EFK) werfen ein schlechtes Licht auf die Führung und Steuerung des Rüstungskonzerns in den vergangenen Jahren. Auch der Bund als Besitzer wird scharf kritisiert. Die wichtigen Fragen und Antworten im Überblick:

Um was geht es bei den Betrugsvorwürfen?

Mindestens ein ehemaliger leitender Angestellter der Ruag soll darin verwickelt sein. Er hatte Funktionen in der Schweiz und in Deutschland. Zusammen mit seiner Frau und einem deutschen Mittelsmann soll er Armeematerial veruntreut haben.

Leopard
Leopard-Panzer in einem Depot. - keystone

Bei den Geschäften zu den Leopard-Kampfpanzern geht es um einen möglichen Schaden im hohen zweistelligen Millionenbereich, wie die EFK schreibt. Die Untersuchung durch eine Anwaltskanzlei ist noch nicht abgeschlossen. Es liegen laut der EFK aber «substanzielle Anhaltspunkte von mutmasslich strafrechtlich relevantem Verhalten eines ehemaligen Kadermitarbeitenden in mehreren Fällen vor». Inzwischen laufen sowohl in Deutschland als auch in der Schweiz Strafverfahren.

Was sind die Missstände in der Lagerverwaltung?

Die Ruag verwaltet Lager, die im Besitz der Armee sind. Sie verpflichtet sich zu einer ordnungsmässigen Lagerführung. Die Armee müsste dies kontrollieren. Das passierte aber nicht.

«Die Lagerführung war sehr chaotisch», hält EFK-Direktor Pascal Stirnimann fest. Die Armee habe überdies nicht gewusst, Material zu welchem Wert bei der Ruag gelagert wird. «Die Ruag verschrottete oder verkaufte mutmasslich Material, ohne die Armee in Kenntnis zu setzen», sagt EFK-Prüfbereichsleiter Martin Köhli.

Pascal Stirnimann Eidgenössiche Finanzkontrolle
Pascal Stirnimann, Direktor der Eidgenössichen Finanzkontrolle (EFK). (Archivbild) - keystone

Die EFK stellte fest: Die Ruag hatte zwischen 2014 und 2023 ohne Bewilligung der Armee 1140 Verschrottungen und 1319 Inventaränderungen vorgenommen. Ungerechtfertigte Entnahmen müssen dem Bund zurückerstattet werden, fordert die EFK.

Die Ruag hat sich bereiterklärt, das Geld vollständig zurückzuzahlen. Der Schaden ist jedoch schwer zu beziffern, da im Inventar der Ruag keine Werte verzeichnet sind. Die EFK empfiehlt dem Bund, seine Überwachung der sogenannten Konsignationslager zu verstärken, um mögliche Missbräuche zu erkennen.

Weshalb startete die EFK eine Untersuchung?

Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) wurde im August 2023 aktiv, nachdem Unstimmigkeiten bei mehreren Panzergeschäften bekannt geworden waren. Die Ruag leitete eine externe Untersuchung ein. Schliesslich erteilte die Finanzdelegation des Parlaments (Findel) der EFK Ende 2023 einen Auftrag: Untersuchung möglicher Betrugsaspekte bei den Geschäften um Leopard-1- und Leopard-2-Panzer.

Schenkst du den Vorwürfen rund um die Ruag Glauben?

Die EFK stützt sich bei der Beurteilung auch auf die Ergebnisse einer mandatierten Anwaltskanzlei. Schliesslich beurteilte die EFK die Lagerverwaltung durch die Ruag – auch dort wurden eklatante Missstände aufgedeckt.

Wie lautet das Urteil der EFK über die Führung der Ruag MRO?

Die Ergebnisse sind vernichtend. «Die Ruag hat es verpasst, die jahrealten Empfehlungen der EFK durchzusetzen», sagt EFK-Prüfbereichsleiter Martin Köhli.

Bereits im Jahr 2016 hatte die EFK der Ruag die Empfehlung abgegeben, die Compliance zu verbessern. Das ist nicht geschehen. Im Konzern fehle eine Vertrauens- und eine Fehlerkultur, so Köhli.

Hauptsitz Ruag
Sicht auf den Hauptsitz der Ruag, am 7. Dezember 2021 in Bern. - keystone

«Fehler, die unten bekannt waren, wurden nicht nach oben gemeldet.» Regeln seien nicht beachtet und von der Führung nicht durchgesetzt worden. Das sei auch der fehlenden Kontinuität in der Unternehmensführung geschuldet. In den vergangenen vier Jahren hatte die Ruag fünf verschiedene Geschäftsleiter und drei Finanzchefs.

Was tat der Bund als alleiniger Besitzer der Ruag MRO?

Jedenfalls nicht genug, so das Fazit der EFK. «Der Bund konnte mit den strategischen Zielen Einfluss nehmen, war aber zu wenig kritisch», sagt EFK-Direktor Pascal Stirnimann.

Zwar wurden von 30 strategischen Zielen für die Ruag deren 25 vom Bund als erfolgreich bewertet. Dies trotz Verzögerungen bei mehreren Projekten, welche die Ruag verantwortete. Insgesamt sei ein zu positives Bild zur Leistung der Ruag gegenüber Politik und Öffentlichkeit entstanden, so Stirnimann.

Die EFK empfiehlt dem Bund, wieder vermehrt proaktiv zu handeln und die Funktionsfähigkeit des Ruag-Verwaltungsrats zu evaluieren. Die Protokollführung der Sitzungen zwischen Bund, Ruag und Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) soll der Bund übernehmen.

Was hat die Anwaltskanzlei aufgedeckt?

Auch die externe Untersuchung der Kanzlei NKF stellt zahlreiche Verstösse gegen Richtlinien und Prozesse fest. Bei mehreren Transaktionen seien Ersatzteile und Fahrzeuge nicht oder falsch in der Lagerbuchhaltung erfasst worden.

Bei mehreren Transaktionen habe die Zustimmung der leitenden Organe gefehlt. Der Untersuchungszeitraum der Betrugsvorwürfe geht laut der EFK bis ins Jahr 2013 zurück. «Die Hinweise für möglichen Betrug sind schwerwiegend», sagt EFK-Prüfbereichsleiter Robert Scheidegger. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Wer wusste wann von den Vorwürfen?

Das ist nicht bis ins letzte Detail geklärt. Laut der EFK hatte ein Whistleblower dem Ruag-Verwaltungsrat bereits im August 2019 «potenziell betrügerische Geschäfte» gemeldet. «Die Meldung war sehr konkret und sehr explizit», sagt EFK-Prüfbereichsleiter Robert Scheidegger. Diese Warnsignale seien im Anschluss jedoch «nicht seriös abgeklärt» worden.

Der ehemalige Kadermitarbeiter erhielt das Schreiben gemäss EFK-Bericht von seinem Vorgesetzten weitergeleitet. Dabei ging daraus implizit hervor, dass der Kadermitarbeiter möglicherweise selbst involviert war.

Viola Amherd Jürg Rötheli
Bundespräsidentin Viola Amherd, rechts, spricht mit Jürg Rötheli, designierter Verwaltungsratspräsident der Ruag MRO, links, nach einer Medienkonferenz zu den Themen «Personalgeschäft» und «Überprüfung der Rechtsform der Ruag MRO», am 27. November 2024. - keystone

Er positionierte sich zu den erhobenen Vorwürfen und wies die Anschuldigungen zurück. Die Ruag leitete diese Stellungnahme nach aktuellen Erkenntnissen im Anschluss zwar an das Generalsekretariat des Verteidigungsdepartements (GS-VBS) weiter. Danach versandete das Ganze aber.

Ob auch VBS-Vorsteherin Viola Amherd im Bilde war, ist offen. «Wenn man der Sache nachgegangen wäre, hätte man vermutlich viele der nachfolgenden Unstimmigkeiten verhindern können», sagt Scheidegger.

Wie lautet das Fazit der Finanzkontrolle?

Erstens gibt es starke Anhaltspunkte für Betrug mit Millionenschaden für den Bund und die Steuerzahlenden. Die EFK verlangt, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Zweitens sind Geschäfte in der Rüstungsindustrie risikobehaftet. Die Compliance der Ruag war aber nicht wirksam.

Warnsignale der EFK und von Hinweisgebenden wurden missachtet. Drittens gab es zahlreiche Wechsel in der Leitung der Ruag. Die belastete Zusammenarbeit zwischen der Geschäftsleitung und dem Verwaltungsrat erschwerte eine wirksame Unternehmensführung. Viertens hat der Bund als Eigner seine Steuerungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft.

Kommt da … noch mehr?

Das ist nicht ausgeschlossen. Die EFK-Berichte beruhen grösstenteils auf Zwischenergebnissen aus der forensischen Untersuchung einer externen Anwaltskanzlei. Diese wird ihre Arbeiten fortsetzen.

Das Thema dürfte in den nächsten Tagen und Wochen weiter zu reden geben. Als erste politische Instanz äusserte sich die Geschäftsprüfungskommission des Ständerats (GPK-S) zum Thema.

Sie schreibt von «schwerwiegenden, besorgniserregenden Mängeln und Unregelmässigkeiten» und hat ihre zuständige Subkommission mit weiteren Abklärungen beauftragt. Die neue Ruag-Führung sowie der künftige Verteidigungsminister sollen befragt werden. Dabei geht es insbesondere um die Rolle des VBS.

Was sagt die Ruag zu den Vorwürfen?

Ruag-Verwaltungsratspräsident Jürg Rötheli, erst seit Januar 2025 im Amt, fordert eine rasche und schonungslose Aufklärung der Vorgänge. «Die Zustände sind nicht akzeptabel – ich bin erschüttert.»

Jürg Rötheli Ruag
Jürg Rötheli, Verwaltungsratspräsident der Ruag MRO Holding AG, spricht an einem Hintergrundgespräch, am 24. Februar 2025, in Thun BE. Rötheli ist erst seit Januar 2025 im Amt. - keystone

Die Ruag stecke in einer Krise, da gebe es nichts zu beschönigen. Eine Vertrauenskultur müsse wieder Einzug nehmen. Es seien «umfangreiche Massnahmen und ein Programm» geplant zur Neuorganisation der Unternehmensleitung.

Die Arbeiten dazu hätten bereits begonnen. Zudem braucht es laut Rötheli auch personelle Veränderungen «auf allen Stufen». Details dazu liess er zunächst offen.

Wie geht es nun weiter?

Die EFK wird die Umsetzung ihrer Empfehlungen kontrollieren. «Ob das gelingt, wird die Zukunft zeigen», sagt EFK-Direktor Pascal Stirnimann.

Ein Kulturwandel erfolge nicht in einem Jahr, sagte Ruag-Verwaltungsratspräsident Jürg Rötheli. «Trotzdem müssen wir das angehen.» Die Ruag hat vor Weihnachten wegen der Betrugsvorwürfe Strafanzeige eingereicht, gegen einen ehemaligen Kadermitarbeitenden sowie gegen Unbekannt.

«Wir müssen davon ausgehen, dass ein System dahintersteckte», so Rötheli. Die EFK fordert darüber hinaus eine Abklärung zur Frage, ob auch ehemalige Verwaltungsratsmitglieder der Ruag haftbar seien. Rötheli versprach, alle Prozesse anzuschauen, «damit so etwas nie mehr vorkommen kann».

Kommentare

User #6443 (nicht angemeldet)

Geld wo dem Volk gehört

User #5953 (nicht angemeldet)

Ich sehe das Problem nicht. Solche Machenschaften haben sich doch seit Jahrzehnten bewährt. Mirage Skandal, Jeanmaire Affäre, Panzer 68, Ranger Drohne, Schutzmasken usw. Da haben doch viele gut verdient.

Weiterlesen

ruag
119 Interaktionen
Nach Deutschland
Leopard
163 Interaktionen
Millionenschaden
amherd
21 Interaktionen
Nach Panzer-Affäre
spusu
spusu

MEHR KORRUPTION

Olten Baustellenleiter korrupt Gericht
8 Interaktionen
Olten SO
bob menendez
1 Interaktionen
Wegen Korruption
China Verteidigungsminister Dong Jun
2 Interaktionen
Korruption

MEHR AUS STADT BERN

Geld Münzen
3 Interaktionen
Einkommenswachstum
mars
Nach Tests
Schweizer Franken
4 Interaktionen
Entscheid