Längere Familienzeit soll KMU helfen – Verbände kritisch
Eine neue Initiative fordert eine Familienzeit von 18 Wochen pro Elternteil. Das sei auch gut für kleinere Firmen, heisst es. KMU-Verbände widersprechen.
Das Wichtigste in Kürze
- Die Familienzeit-Initiative helfe kleineren Betrieben, argumentieren die Befürworter.
- KMU-Verbände sehen das anders – die längeren Abwesenheiten würden den Unternehmen schaden.
- Zudem befürchten sie, dass eine Annahme letztlich höhere Abgaben zur Folge hätte.
Die Familienzeit-Initiative steht in den Startlöchern. Am Wochenende haben die Grünen und die Grünliberalen an ihren Delegiertenversammlungen ihre Unterstützung für das Anliegen bekräftigt. Beginn der Unterschriftensammlung ist am 2. April.
Das Begehren fordert eine Familienzeit von 18 Wochen pro Elternteil. Beteiligt sind neben den beiden grünen Parteien der Frauendachverband alliance F, Travail.Suisse sowie die Mitte Frauen mit Unterstützung der EVP.
Allianz will «gleich lange Spiesse» für KMU
Die Initiative soll unter anderem dabei helfen, gegen den Fachkräftemangel vorzugehen, argumentiert die überparteiliche Allianz. Zudem helfe die Initiative den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der Schweiz.
Denn eine vorgeschriebene Familienzeit schaffe «gleich lange Spiesse». KMU können sich nämlich aktuell einen Elternurlaub über dem gesetzlichen Minimum kaum leisten. Mit der Initiative sollen sie finanziell entlastet werden. Dadurch würde der Wettbewerbsnachteil gegenüber grösseren Firmen verschwinden, so die Argumentation des Komitees.
Klingt in der Theorie alles gut. Die KMU müssten entsprechend eigentlich in Jubelstürme ausbrechen und gleich bei der Unterschriftensammlung mitmachen. So einfach ist es aber nicht.
Längere Ausfälle für KMU kaum zu stemmen
Der Gewerbeverband Berner KMU spricht sich auf Anfrage von Nau.ch nämlich gegen die Initiative aus. Direktor Lars Guggisberg, der auch für die SVP im Nationalrat sitzt, sagt: «Die Initiative würde insbesondere die kleinen und mittleren Unternehmen erheblich belasten.»
Trotz möglicher finanzieller Hilfe vom Staat wäre die Familienzeit aus betrieblicher Sicht nämlich kaum realistisch. Guggisberg erklärt: «Sehr viele KMU können nicht noch länger auf ihre Mitarbeitenden verzichten. Für viele, vor allem kleine Betriebe wäre eine solche zusätzliche Belastung kaum umsetzbar.»
Dass die Befürworter mit der Situation der KMU kommen, ist laut Guggisberg «ein Scheinargument».
Ähnlich sieht es der Schweizerische KMU-Verband. Euplio Di Gregorio, Leiter der Geschäftsstelle, sagt: Die Argumentation der Befürworter, die eine gerechte Ausgangslage für alle Unternehmen wollen, sei zwar nachvollziehbar. «Es wird jedoch nicht ausreichend berücksichtigt, dass KMU deutlich weniger Spielraum für die Umsetzung solcher Massnahmen haben.»
Grössere Unternehmen können Ausfälle besser abfedern. Kleinere Betriebe würden dagegen schon bei einem einzigen Ausfall in Schwierigkeiten geraten, so Di Gregorio.
Entsprechend lautet sein Fazit: Die Initiative verlange ein wichtiges gesellschaftliches Ziel, nämlich dass Eltern mehr Zeit für die Familie haben sollen. «Aus der Sicht von KMU sehen wir jedoch eine erhebliche Herausforderung bei der praktischen Umsetzung.»
Letztlich würden wohl doch die KMU für die Familienzeit zahlen
Dazu ist auch fraglich, ob die Unternehmen tatsächlich finanziell entlastet werden. Sie könnten die Familienzeit über höhere Abgaben schliesslich dennoch selbst bezahlen müssen.
«Die KMU-Betriebe werden durch höhere EO-Arbeitgeberbeiträge zusätzlich belastet», sagt Guggisberg.
Gleiches gelte für die Arbeitnehmenden. Ihnen würde laut dem Berner KMU-Verband also am Ende «noch weniger Geld im Portemonnaie zum Leben» bleiben.
Di Gregorio gibt Guggisberg recht: «Es besteht die Gefahr, dass die Kosten der Initiative letztlich über höhere Sozialabgaben oder Steuern von KMU mitgetragen werden müssen.» Solche zusätzliche Belastungen in einem ohnehin schon schwierigen Umfeld würden den Druck auf KMU weiter erhöhen.
Verband: Initiative muss bei Annahme KMU-freundlich umgesetzt werden
Klar ist: Bei einer Initiative stellt sich immer die Frage, wie sie dann tatsächlich umgesetzt wird. Di Gregorio nennt drei Punkte, die aus der Sicht der KMU wichtig wären. Erstens brauche es «individuelle Lösungen, die den speziellen Bedürfnissen kleiner Betriebe gerecht werden».
Zweitens müssten allfällige finanzielle Belastungen durch staatliche Hilfen abgefedert werden. Und drittens soll eine allfällige neue Regelung bürokratisch schlank gehalten werden, um den Aufwand zu minimieren.
Für Guggisberg ist derweil klar: «Die heutige Regelung mit Mutter- und Vaterschaftsversicherung reicht aus.»
Die aktuelle Gesetzgebung beinhaltet einen Mutterschaftsurlaub von 14 Wochen. Der Vaterschaftsurlaub beträgt zwei Wochen.
Mit dem Thema Elternzeit beschäftigte sich diese Woche auch die zuständige Ständeratskommission. Sie will die Einführung auf Bundesebene prüfen und gab zwei Standesinitiativen Folge.